Nach Schweizer Vorbild - Görke schlägt Volksabstimmung über Kreisreform vor

Sa 25.02.17 | 19:59 Uhr
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Spaziergänger in Brandenburg am Ufer des Heiligen Sees in Potsdam. (Quelle Archivbild: imago/Uwe Steinert)
Bild: imago/Uwe Steinert

Machen wir es doch wie in der Schweiz! Das findet Brandenburgs Vize-Ministerpräsident Christian Görke (Linke) und schlägt vor, alle Brandenburger sollten darüber befinden, ob die umstrittene Kreisreform wie geplant stattfinden soll.

Brandenburgs Vize-Ministerpräsident Christian Görke (Die Linke) hat sich dafür ausgesprochen, alle Wahlberechtigten über die umstrittene Kreisreform abstimmen zu lassen. Der Linken-Politiker, der auch Brandenburgs Finanzminister ist, schlägt einen Volksentscheid nach Schweizer Vorbild vor.

Görke bestätigte dem rbb, an den Plänen zur Zusammenlegung der Kreise festhalten zu wollen. Für ihn wäre es vorstellbar, dass am Ende dann alle Brandenburger über die Reform abstimmen könnten. "Es sollten nicht 20.000 oder 80.000 Menschen hierüber befinden, sondern alle Brandenburger", so Görke am Samstag.

Brandenburgs Finanzminister Christian Görke (Linke) in Potsdam (Quelle: imago/Martin Müller)
Brandenburgs Vize-Ministerpräsident Christian GörkeBild: imago stock&people

Ein nächster Schritt könnte ein Volksbegehren sein

Die rot-rote Koalition will die Zahl der Kreise und kreisfreien Städte verringern. Sie begründet das damit, dass die Einwohnerzahlen zurückgehen.

Die Gegner der Brandenburger Kreisreform wollen das verhindern. Die Volksinitiative "Stoppt die Kreisreform" hatte Mitte Februar über 129.000 Stimmen gesammelt. Das waren mehr als sechsmal so viele wie erforderlich. Wenn mehr als 20.000 Unterschriften gültig sind, muss sich innerhalb von vier Monaten der Landtag mit dem Anliegen befassen. Doch eine erfolgreiche Volksinitiative ist nur der erste Schritt, um die Reform zu Fall zu bringen. Im nächsten Schritt wären 80.000 Unterschriften für ein erfolgreiches Volksbegehren nötig. Werden diese erreicht, kann es zum Volksentscheid kommen.

Nur Potsdam soll kreisfrei bleiben

Die Volksinitiative "Stoppt die Kreisreform" will erreichen, dass alle insgesamt 14 Landkreise und vier kreisfreien Städte in Brandenburg erhalten bleiben. Dagegen will die Landesregierung die Zahl der Landkreise auf neun reduzieren. Einzig die Stadt Potsdam soll kreisfrei bleiben.

Drei Stufen der Mitbestimmung

  • Die Volksinitiative ist vor allem Mittel, um die politischen Organe mit der Nase auf ein bestimmtes Thema zu stoßen. In Berlin und Brandenburg sind die Modalitäten zu Ablauf und Erfolg ähnlich. Stadt und Land messen der Volksinitiative jedoch unterschiedliches Gewicht bei.

    Berliner Bürgern soll die Volksinitiative ermöglichen, sich unkompliziert mit Anliegen im Parlament Gehör zu verschaffen. In Brandenburg kann sie auch verlangen, dass Gesetze geändert oder sogar der Landtag aufgelöst wird. Tabu ist in beiden Ländern das Geld. Haushalt, Bezüge oder Personalentscheidungen können nicht zum Inhalt einer Volksinitiative gemacht werden.

    Teilnehmen können in Berlin alle Einwohner ab 17 Jahren, ebenso in Brandenburg. Hier gibt es allerdings für Ausländer gewisse Einschränkungen. Auf Unterschriftenlisten können sich die Bürger eintragen. Die Initiatoren der Volksinitiative sind dabei frei, wo und wann die Unterschriften gesammelt werden.

    Wichtig für den Erfolg ist, egal ob in Berlin oder Brandenburg: Die Initiative muss von mindestens 20.000 Einwohnern unterzeichnet werden. Geht es um einen Antrag auf Auflösung des Landtages müssen mindestens 150.000 Brandenburger unterschreiben.

    Sind die notwendigen Unterschriften geleistet, ist die Politik wieder am Zug: In Brandenburg muss der Landtag innerhalb von vier Monaten entscheiden, wie er mit den Forderungen der Bürger umgeht. Stimmt er einem Gesetzentwurf oder dem Antrag auf Auflösung des Landtages in dieser Frist nicht zu, können die Vertreter der Volksinitiative ein Volksbegehren verlangen.

    Dies ist in Berlin nicht möglich. Hat sich das Abgeordnetenhaus mit dem Thema befasst, egal mit welchem Ergebnis, ist der Verfahrensweg abgeschlossen.

  • Das Volksbegehren zielt, anders als die Volksinitiative, bereits in eine ganz konkrete Richtung. Gesetze sollen erlassen, geändert oder aufgehoben werden. Die Bürger können auch eine Neuwahl fordern. Beim Volksbegehren gibt es in beiden Bundesländern große Unterschiede.

    Berlin hat ein zweistufiges Verfahren eingeführt. Da hier eine gescheiterte Volksinitiative nicht automatisch zu einem Volksbegehren führt, müssen die Initiatoren zunächst 20.000 Unterschriften sammeln und einen Antrag auf Volksbegehren stellen. Haben sie Erfolg, wird es zugelassen.

    In einem zweiten Schritt müssen sieben Prozent aller wahlberechtigten Berliner unterschreiben, um ein Volksbegehren zu einem einfachen Gesetz durchzusetzen.

    In Brandenburg sind es 80.000 Menschen, die sich innerhalb von sechs Monaten in die amtlichen Listen einschreiben müssen. Geht es um die Änderung der Verfassung oder Neuwahlen, sind noch mehr Unterschriften notwendig.

    Obwohl es in Brandenburg nur ein einstufiges Verfahren gibt, scheiterten hier bislang alle Volksbegehren bis auf zwei. Der Grund liegt vermutlich darin, dass die Teilnahme für die Bürger sehr aufwändig ist. Sie können ihre Unterschrift, anders als in Berlin, nur auf einem Amt abgeben und müssen sich dabei ausweisen. In Berlin können die Unterschriften für ein Volksbegehren hingegen auf der Straße gesammelt werden.

  • Zum Volksentscheid kommt es, wenn ein Volksbegehren erfolgreich war, Landtag oder Abgeordnetenhaus aber keine Gesetzesänderung beschließen. Stimmen die Bürger per Volksentscheid für ein Gesetz, gilt es und hat denselben Stellenwert, als wäre es von der gewählten Vertretung beschlossen worden.

    Die Spielregeln für Brandenburg und Berlin sind gleich: Der Volksentscheid läuft ab wie eine Wahl. Stimmt die Mehrheit der Bürger - mindestens aber ein Viertel aller Wahlberechtigten (das so genannte Quorum) - für das Gesetz oder die Vorlage, ist sie angenommen.

    Wie viele Menschen das Viertel der Wahlberechtigten eigentlich ausmachen, wird übrigens am letzten Tag des entsprechenden Volksbegehrens erst festgelegt. Da viele Menschen zu- und wegziehen, kann diese Zahl von Volksentscheid zu Volksentscheid schwanken. Beim Volksentscheid zum Tempelhofer Feld in Berlin im Mai 2014 waren 622.785 Ja-Stimmen nötig. Dieses Quorum wurde deutlich überschritten.

    In Brandenburg gab es noch nie einen Volksentscheid. In Berlin schafften seit 1999 von sieben Volksbegehren nur fünf die Hürde und nur zwei hatte Erfolg. So erzwangen die Berliner 2011 die Offenlegung von Verträgen, die beim Verkauf von Teilen der Wasserbetriebe abgeschlossen worden waren. 2014 stimmten sie gegen die Bebauung des Tempelhofer Feldes.

2 Kommentare

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  1. 2.

    Die Volksabstimmung "nach Schweizer Vorbild" und die Initiativen, die sich dem widmen, sind ja nun älter als dasjenige, was die AfD draus macht. Eine geradezu seltsame Logik, von einem Ansatz zu lassen, nur weil da einer in letzter Minute noch auf den Karren aufgesprungen ist.

    "Nach Schweizer Vorbild" wird allerdings nicht bedeuten können, es "den Schweizern" nur nachzumachen. Die sind eine Konsensdemokratie, es gibt keine parlamentarische Opposition, vielmehr sind alle zahlenmäßig starken Gruppierungen anteilsmäßig auch in der Regierung vertreten. Das schließt die Härte der Auseinandersetzung, wo es vor allem um Blöcke und die Machtfrage geht, von vornherein aus. Deshalb ist die Volksabstimmung auch nicht etwa ein "Dagegen" gegen das Parlament, sondern ein Zusatzinstrument zum Parlament.

    Dass wesentliche Fragen so gelöst werden, begrüße ich. Doch sind "wir hier" in Deutschland nicht geradezu zerrissen zwischen Regierung und Opposition, abgefärbt auf die Volksabstimmung?

  2. 1.

    Wenn der Hr. Görke wüsste, was er offensichtlich noch nicht weiß, dann würde er sich sicher
    auf die Zunge beißen, hinsichtlich "Volksabstimmung nach Schweizer Vorbild".... Denn,
    wie heißt es doch im AfD-Grundsatzprogramm unter Punkt 1. "Demokratie und Grundwerte" ?!
    >> Volksabstimmungen nach Schweizer Vorbild <<.

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