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Video: rbb24 | 11.01.2021 | Christian Titze | Quelle: dpa/Jens Büttner

Erzieherinnen in der Pandemie

Berliner Kita-Personal schreibt Brandbrief an Bildungssenatorin

Offiziell sind die Berliner Kitas im Notbetrieb. Aber anders als im Frühjahrs-Lockdown fehlt eine klare Ansage des Senats, wer sein Kind zu Hause betreuen muss. Erzieherinnen und Pädagogen kritisieren das in einem Brandbrief - sie sehen ihre Gesundheit gefährdet.

Klare Regeln dafür, welche Kinder in Berlin auch im verschärften Lockdown noch Anspruch auf Betreuung haben - das fordert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) von der Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) in einem Brandbrief, der am Montag online ging [gew-berlin.de].

In dem Schreiben verweist die Vertretung der Erzieherinnen und Erzieher auf Erhebungen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) [wido.de]: Demnach waren Menschen, die beruflich Kinder betreuen und erziehen, von März bis Oktober 2020 am stärksten von Krankschreibungen im Zusammenhang mit Covid-19 betroffen. Das habe eine Analyse der Arbeitsunfähigkeitsdaten der AOK-Mitglieder ergeben.

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"Nicht mehr mit einem Angstgefühl nach Hause gehen"

Damit sehen sich viele Erzieherinnen und Erzieher bestätigt, die um ihre Gesundheit fürchten. Cem Erkisi, Personalratsvorsitzender der Kindertagesstätten Südost in Berlin, betont im Interview mit der rbb-Abendschau: "Wir wollen nicht mehr mit einem schlechten Gefühl, mit einem Angstgefühl nach Hause gehen." In den Kitas arbeite das Personal in viel engerem Kontakt zu den Kindern als Lehrer und Lehrerinnen in Schulen. Trotzdem seien die Schulen in Berlin geschlossen, aber die Kitas offen.

In dem Brandbrief fordert die Gewerkschaft vom Senat, die Gesundheit des Kita-Personals in der Pandemie besser zu schützen - etwa durch kostenlose FFP2-Masken. Zwei Stück pro Person pro Tag sollten mindestens zur Verfügung stehen. Wöchentlich wünscht sich die GEW freiwillige Schnelltests auf Corona, außerdem Luftfilteranlagen für alle Einrichtungen. Erzieherinnen und Erzieher sollten nach Ansicht der Gewerkschaft in der Impf-Prioritätenliste höher rutschen und schon jetzt geimpft werden. Falls sie doch an Covid19 erkranken, sollten die Folgen der Corona-Infektion als Berufskrankheit anerkannt werden, verlangt die GEW.

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"Erzieher sind keine Türsteher"

Dass jede Berliner Kita die Notbetreuung anders handhabt, beklagt Lars Békési, Geschäftsführer des Verbandes der Kleinen und Mittelgroßen Kitaträger e.V., in einem Interview am Montag bei radio eins [radioeins.de]. "Es gibt Kitas in Berlin, da sind 40 Prozent der Kinder da. Aber wir haben auch welche, da ist quasi Regelbetrieb, weil 90 Prozent der Kinder betreut werden", sagt er. Der Appell der Politiker "liebe Eltern, wenn ihr irgendwie könnt, betreut bitte die Kinder zu Hause", reiche nicht aus, so Békési.

"Triftige persönliche Gründe" müssten Eltern anführen, um ihr Kind in die Kita zu geben. Aber mit welchem Recht sollten Kita-Teams entscheidend, welcher Grund triftig sei - und welcher nicht? "Erzieherinnen und Erzieher sind keine Türsteher, die sagen: Du darfst rein oder du darfst nicht", findet Lars Békési. Auch darum sei sein Verband "sehr unglücklich über diese Lösung". Man wünsche sich vom Senat klare Vorgaben und "eine langfristige Strategie bis Ostern. Die Politik muss sagen: Wie geht es weiter? Wir können uns nicht immer nur von Woche zu Woche hangeln."

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"Unmöglicher Spagat" zwischen Kind und Homeoffice

Auch Eltern in Berlin fühlen sich mit dem Dilemma - Notbetreuung oder Kinder zu Hause lassen - von der Politik "relativ alleine gelassen", sagt Katharina Mahrt von der Inititative "Kitakrise", einem Zusammenschluss von Eltern und pädagogischen Fachkräften. Sie kritisierte am Montag in der rbb-Abendschau: "Es gibt keine finanzielle Unterstützung, wenn man als Vater oder Mutter seine Arbeitszeit reduziert, um Kinder zu Hause zu betreuen." Dabei sei der Spagat "unmöglich", im Homeoffice zu arbeiten und seine Kinder zu Hause zu behalten.

Dieser Belastung könnten Eltern auf Dauer nicht standhalten, sagt Katharina Mahrt: "Wir merken deshalb langsam, dass die Kitas sich füllen." Sie befürchtet, dass bald wieder mehr als 65 Prozent der Kinder in die Kitas geschickt werden. "Dann hat Scheeres ja schon gemahnt, dass wieder die Regelung der systemrelevanten Berufe eingeführt wird. Das ist so ein bisschen eine Erpressungssituation."

Statt nur Kinder von Eltern mit systemrelevanten Berufen in die Kitas zu lassen, sollten alle Kinder zeitlich beschränkte Betreuungsangebote bekommen, findet die Initiatorin von "Kitakrise" - "weil auch die Kinder Rechte und Bedarf haben", zum Beispiel an frühkindlicher Bildung. Ihre eigene Kita habe ihrer Anfrage, das Kind wieder einige Stunden oder Tage pro Woche betreuen zu lassen, bislang eine Absage erteilt.

Sendung: Abendschau, 11.01.2021, 19:30 Uhr

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