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Quelle: dpa/Fabian Sommer

Berliner Abgeordnetenhaus

Parlamentsbeteiligung bei Corona-Verordnung bleibt strittig

Eigentlich sollte das Berliner Parlament mehr Mitsprache bei der Infektionsschutzverordnung bekommen. Über die neueste Version stimmte es bei der jüngsten Sondersitzung dann aber doch nicht ab. Ignoriert der Senat die Volksvertretung? Von Birgit Raddatz

Laut kürzlich in Kraft getretenem Beteiligungsgesetz muss das Berliner Parlament, bevor die Beschlüsse des Senats zu den Corona-Maßnahmen in Kraft treten, eingebunden werden. Am Sonntag legte die rot-rot-grüne Regierung die sechste Infektionsschutzverordnung [berlin.de] jedoch nur "zur Kenntnisnahme" und nicht zur Abstimmung vor: Das sorgte für Irritationen bei der Opposition.

Die CDU behalte sich eine rechtliche Prüfung vor, sagte Innenpolitiker Burkard Dregger am Sonntag zu Beginn seiner Rede im Parlament. Die AfD wirft dem Senat sogar vor, geltendes Recht zu ignorieren. "Die Verordnung enthält Reglungen zur Kontaktbeschränkung und zum Aufenthalt im öffentlichen Raum", so der rechtspolitische Sprecher Marc Vallendar. "Dabei handelt es sich um Ausgangsbeschränkungen, die stets vom Parlament abgesegnet werden müssen."

Eine Frage der Wortwahl

Christian Pestalozza, emeritierter Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Freien Universität Berlin, bezeichnet das Vorgehen des Senats als eine Art Trick: Denn in der Berliner Verordnung heißt es nun, jede Person sei "angehalten", physisch soziale Kontakte zu anderen Menschen auf ein Minimum zu reduzieren und die eigene Wohnung nur aus triftigen Gründen zu verlassen. "Das ist nicht zustimmungspflichtig laut Paragraph 4 des Parlamentsbeteiligungsgesetzes", so Pestalozza.

Dieser Paragraf des neuen Berliner Gesetzes sieht eine Zustimmung nur vor, wenn Paragraph 28 a, Absatz 2 des Infektionsschutzgesetzes des Bundes [gesetze-im-internet.de] greifen würde. Dort ist zwar von Ausgangsbeschränkungen die Rede, nicht aber von Kontaktbeschränkungen. "Selbstverständlich hat der Senat das geprüft, bevor er die Verordnung beschlossen hat", so Senatssprecherin Melanie Reinsch. Die Berliner Verordnung enthalte keine Maßnahmen nach Paragraph 28a, Absatz 2 des Infektionsschutzgesetzes.

Der Opposition geht es ums Prinzip

Rechtlich sieht Verwaltungsresjurist Pestalozza keine Möglichkeit, um dagegen vorzugehen. Er glaubt vielmehr, das Berliner Abgeordnetenhaus drücke sich durch das Beteiligungsgesetz vor zu viel Verantwortung. Denn im Grundgesetz [gesetze-im-internet.de] sei schon lange festgehalten, dass auch die Länder befugt sind, Rechtsverordnungen zu erlassen. Von dieser Möglichkeit habe das Abgeordnetenhaus jedoch bisher keinen Gebrauch gemacht. "Das Parlamentsbeteiligungsgesetz zeigt die Schwäche Abgeordnetenhauses auf."

Die Opposition gibt sich derweil weiter beharrlich in der Sache. Die AfD appelliert an die Bürgerinnen und Bürger, gegen jede verhängte Ordnungswidrig auf Basis der Verordnung zu klagen. Und fordert: Entweder gibt es eine Abstimmung, oder die Verordnung müsse aufgehoben werden.

Versöhnlichere Töne kommen von der CDU. "Wir haben den Berliner Senat noch einmal angeschrieben", so Fraktionsgeschäftsführer Heiko Melzer, und um Klärung gebeten - mit dem Verweis, die CDU hätte der Verordnung sowieso zugestimmt.

Sendung: Inforadio, 14.02.2021, 16:00 Uhr

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