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Audio: Inforadio | 13.09.2021 | Friedrich Tromm im Gespräch mit Dörthe Nath | Quelle: DPA/Daniel Reinhardt

Interview | Werbung für Corona-Impfungen

"Gute Argumente sind immer noch besser als Schockwerbung"

Mit dem Slogan "Ärmel hoch" wirbt die Bundesregierung fürs Impfen. Für einen Werbespot wurde dazu ein alter Schlager umgedichtet. Ob man so junge Menschen überzeugt? Werbefachman Friedrich Tromm aus Berlin hat daran seine Zweifel.

rbb|24: Herr Tromm, bei jüngeren Menschen ist die Impfquote besonders niedrig. Holt man die ab mit "Hello again" von Howard Carpendale?

Friedrich Tromm: Das weiß man jetzt noch nicht. Wenn man sich die Zahlen so anschaut und einen Blick nach China oder Singapur wirft, wo es ja sehr gute Impfquoten gibt, scheint Musik erstmal nicht verkehrt zu sein. Sowohl in Singapur als auch in China wirbt man mit Musicals, wo einmal Prominente, aber auch Ärzte und ganz normale Leute, rappen und auch was singen. Das scheint ganz gut zu funktionieren. Ob Howard Carpendale den Musikgeschmack der jungen Leute trifft? Da muss man mal schauen.

In Deutschland halten Prominente in Werbekampagnen ihren Arm hin, der Bundesgesundheitsminister erklärt, warum Impfungen wichtig sind, und nun dieser Werbespot, der die Vorteile preist. Was sagt die deutsche Kampagne über die Deutschen aus?

Zunächst mal, dass es auch nicht schlechter funktioniert als in anderen Ländern. Was auffällig ist: In den Niederlanden macht Heineken einen sehr lustigen Spot, wo Senioren tanzen und die neue Freiheit genießen; in Italien geht man mehr auf Genuss, da sitzen dann Leute wieder im Restaurant und genießen das Essen. Und in Deutschland gibt es halt Herrn Jauch, der old-white-man-mäßig erzählt, was man tun soll. Das hat jetzt auch nicht so schlecht funktioniert.

Man muss ja auch fair bleiben und sagen, 60 Prozent der Erwachsenen sind bereits geimpft. Die hat man damit abgeholt. Ich glaube, um jetzt nochmal 20 Prozent zu machen, muss man vielleicht andere Wege gehen. Insofern ist Leichtigkeit nicht verkehrt, um impfmüde Menschen abzuholen. Vielleicht muss man aber noch mehr in Richtung Glaubwürdigkeit schauen. Es bringt nichts ein Testimonial zu haben, von dem dann rauskommt, dass es noch gar nicht geimpft ist.

Sie sagen, Deutsche glauben Autoritäten. Glauben denn alle denselben Autoritäten?

Das ist eine sehr interessante Frage, ob das überhaupt so zeitgemäß ist, dass man heutzutage noch mit einer Kampagne alle erreicht. Früher gab es ja ganz berühmte Kampagnen von Absolut Vodka oder für das iPhone, und trotzdem hat jetzt nicht jeder ein iPhone oder trinkt Absolut Vodka zum Frühstück.

100 Prozent wird man sowieso nie mit einer Werbekampagne abholen. Es ist einfach utopisch, sowas anzunehmen. Vor allem sieht man an der politischen Werbung - wenn man jetzt in die USA oder so schaut -, dass eine Kampagne alle Menschen abholt, ist relativ ambitioniert. Ich glaube, da muss man schon differenzierter vorgehen. Und sich den verschiedenen Bedürfnissen und Wünschen der Leute ein bisschen annähern.

Beim Bäcker, vorm Discounter, auf dem Markt

Wo man sich diese Woche in Brandenburg spontan impfen lassen kann

Brandenburg belegt bei der Corona-Impfquote im Bundesvergleich einen der letzten Plätze. Es gibt noch großen Nachholbedarf. Neuen Schwung erhofft sich die Landesregierung von Spontanimpfungen ohne Termin an ungewöhnlichen Orten.

In Australien sorgt momentan ein Werbespot für Diskussionen. Darin wrd eine junge Frau im Krankenhaus gezeigt, die offenbar sehr große Schwierigkeiten hat zu atmen. Würde solche Schockwerbung, wie man sie auch von Zigarettenschachteln kennt, in Deutschland funktionieren?

Ich denke, womöglich kann man einige Leute durch Erhöhung des Stresslevels dazu bewegen, ihre Einstellung zu überdenken. Am Rauchen sterben jedes Jahr auch ungefähr 130.000 Menschen. Die Kampagne hat bestimmt etwas bewegt, aber es rauchen trotzdem noch etwa 25 Prozent der deutschen Bevölkerung. Es kann sicherlich ein Weg sein, um eine kleinere Zielgruppe abzuholen. Ich persönlich bin aber kein großer Fan von Negativ-Kommunikation. Ich finde, gute Argumente sind immer noch besser als Schockwerbung.

Vielen Dank für das Gespräch!

Bei diesem Text handelt es sich um eine redigierte Fassung eines Interviews, das Dörthe Nath mit Friedrich Tromm für Inforadio geführt hat. Sie können das Gespräch anhären, wenn Sie das Symbold im Artikelbild anklicken.

Sendung: Inforadio, 13.09.2021, 06:27 Uhr

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