Umstrittener Masterplan für den Görli - Der Park ist (nicht) für alle da

Di 16.08.16 | 10:58 Uhr | Von Ute Zauft
Der Görlitzer Park im Mai 2016 (Quelle: imago/ZUMA Press)
Bild: imago/ZUMA Press

Drogendealer, laute Musik und Wildcamper: Der Görlitzer Park ist gebeutelt. Ein in monatelanger Diskussion erarbeiteter Masterplan soll das ändern. Die Umsetzung steht nach den Wahlen an. Doch während die Grünen hier eine neue Kultur der Konfliktlösung sehen, fürchet die CDU eine Kuscheltaktik mit kriminellen Parknutzern. Von Ute Zauft

Der Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg ist eigentlich überschaubar: Mit 14 Hektar hat er nur ein Sechstel der Fläche des benachbarten Treptower Parks. Doch das Konzept, das die berühmt-berüchtigte Grünfläche zwischen Schlesischem Tor und Görlitzer Bahnhof befrieden soll, ist ganze 55 Seiten stark und trägt den sperrigen Titel "Handlungskonzept Görlitzer Park".

Der Vorgang ist durchaus außergewöhnlich, denn erarbeitet hatte den Masterplan eine Arbeitsgruppe aus Anwohnern, Sozialarbeitern und Mitarbeitern des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg in mehrmonatiger Diskussion. Den Auftrag dazu stammt vom grünen Baustadtrat des Bezirks, Hans Panhoff.

Ziel: Keiner soll ausgeschlossen werden

Mit Blick auf den auch im Bezirk laufenden Wahlkampf birgt das Konzept durchaus Brisanz. Ende Juli hat die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) den Masterplan mit den Stimmen der Grünen, der Piraten und der Linken für gut befunden, doch seine Umsetzung fällt de fakto in die nächste Legislaturperiode - also in die Hände der Stadträte, die nach der Wahl übernehmen oder ihre Arbeit fortsetzen werden.

Die Liste der Probleme, die das Papier aufzählt, ist lang: Drogenhandel, Vermüllung, campierende Familien aus Südosteuropa, Belästigung durch Musik und Böller. Auf den 14 Hektar des Parks treffen die Besucher des Kinderbauernhofs auf Drogenhändler und –konsumenten. Bei sommerlichem Wetter drängeln sich auf den Grünflächen die grillenden Anwohner mit den Besuchern des städtischen Nachtlebens.

Die Vielfalt der Parknutzer ist also groß, doch bei all dieser Vielfalt legen die Autoren des Masterplan Wert auf ein "integratives Gesamtkonzept". "Richtschnur unserer Überlegungen ist, dass die Menschen, die derzeit den Park nutzen, nicht verdrängt werden sollen", heißt es in dem Papier. Das schließt grundsätzlich auch die Drogendealer im Park mit ein.

Karte des Görlitzer Parks mit Verortung der Einrichtungen (Quelle: rbb|24/Mitya)Karte des Parks mit seinen Einrichtungen.

CDU: Drogendealer sind die Problemverursacher

Fragt man bei der CDU im Bezirk nach, sorgt das für Aufregung: "Für uns sind die Drogendealer und in Konsequenz auch die Drogenkäufer die Problemverursacher", betont Timur Husein, stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg. "Uns stört, dass in dem Konzept die Drogendealer als gleichberechtigte Nutzer angesehen werden, das können wir nicht mit unserem Rechtsverständnis vereinbaren." Stattdessen fordert seine Partei mehr Razzien bei gleichzeitiger dauerhafter Polizeipräsenz. CDU-Vorschlag ist eine mobile Polizeiwache, zum Beispiel unter dem Dach eines temporären Containerbaus.

Perspektive für illegale Flüchtlinge eröffnen

Der Ansatz des Masterplans ist ein anderer: "Aktuell gibt es im Park so gut wie keine Angebote, die sich an Männer aus afrikanischen Ländern richten", kritisiert die Diplompädagogin Astrid Leicht. Als Geschäftsführerin des in der Drogenberatung tätigen Vereins "Fixpunkt" war sie an der Erarbeitung des Konzepts beteiligt.

Der Park sei für viele der meist geflüchteten Männer eine Sackgasse: Sie könnten nicht zurück in ihre Herkunftsländer, hätten aber auch keine legale Perspektive für ein Leben in Deutschland. Der Schritt zum Drogenhandel sei dann oft nicht weit. "Diese Männer stellen inzwischen eine nennenswerte Community dar, die man ansprechen muss. Bisher hat sie aber keiner angesprochen", so Astrid Leicht.

Parknutzer afirkanischer Herkunft im Görlitzer Park. Wegen Drogenhandel finden häufig Polizeikontrollen statt. (Quelle: imago/Olaf Wagner)
Viele der Männer im Görlitzer Park sind Flüchtlinge afrikanischer Herkunft ohne gesicherten Aufenthaltsstatus. | Bild: imago/Olaf Wagner

Sozialarbeiter für aktive Hilfe und Beratung

Drei im Konzeptpapier vorgesehene Sozialarbeiter sollen diesen und anderen Gruppen mit sozialen Problemen Zugang zu Beratung und Hilfen im alltäglichen Leben erleichtern - und im Idealfall Alternativen aufweisen. Die Arbeit der Polizei könne das natürlich nicht ersetzen, betont Astrid Leicht.

Seit März ist der Verein einmal die Woche drei Stunden mit einem Gesundheitsmobil und einem Sozialarbeiter mit Sprachmittler vor Ort, finanziert über eine Stiftung. In den ersten drei Monaten habe es 90 Erstkontakte gegeben, erzählt die Pädagogin. Mit Blick auf die Umsetzung des Konzeptpapiers sagte sie: "Unsere Minimalerwartung ist, dass wir so einwirken können, dass die Nachbarschaft sich nicht mehr durch den Drogenhandel gestört fühlt und dass die Männer überleben. Unsere Vision ist, dass diese Nutzer des Parks nicht verdrängt, sondern langfristig eine andere Rolle einnehmen."

Probleme der Hauptstadt wie unter einem Brennglas

Für Martin Heuß mindert die überschaubare Größe des Parks keineswegs die Relevanz des erarbeiteten Papiers. "Wir sehen im Görlitzer Park beispielhaft die Probleme, vor denen Berlin als moderne Metropole steht: Hier treffen die Touristenströme auf Flüchtlinge - und das in einem sich aktuell stark verändernden Kreuzberg." Als Vertreter der Anwohnerinitiative Görlitzer Park hat er ebenfalls am Handlungskonzept mitgearbeitet  und sieht es als wegweisend für eine neue Stadtraumpolitik – für ganz Berlin.

In der Umsetzung ist bisher nur der im Konzept vorgeschlagene Parkmanager: Die Ausschreibung ist abgeschlossen, nach Angaben des Bezirksamtes liegen über 70 Bewerbungen vor und das Auswahlverfahren soll Mitte September sattfinden. Erst danach werde über weitere Vorschläge entschieden.

So lange reden, bis eine Lösung da ist

Anwohner Heuß setzt vor allem auf die Idee der Parkläufer, die Präsenz zeigen, auf Regeln hinweisen und im Streitfall schlichten sollen. Vorgeschlagen hat die Arbeitsgruppe außerdem eine sogenannte Praktikerrunde, in der sich regelmäßig all diejenigen treffen, die als professionelle Akteure im Park aktiv sind -  inklusive Polizei und Ordnungsamt. Ein Parkrat aus Nutzern und Anwohnern soll schließlich den Parkmanager beraten und kontrollieren. Größter Haken: Während die Mittel für den Parkmanager im Bezirkshaushalt schon vorhanden waren, müssten sie für die meisten anderen erst zusätzlich im nächsten Haushalt bereitgestellt werden.

Fragt man die Grünen im Bezirk, zeigen sie sich von dem Ansatz der Arbeitsgruppe überzeugt. Er sei Zeichen einer neue Art von Politik, die typisch sei für Friedrichshain-Kreuzberg, betont der Fraktionssprecher der Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg, Jonas Schemmel. "Wir setzen uns hin und reden so lange, bis wir eine Lösung finden." So lange, wie es dann eben noch dauern wird.

Hinweis: In einer früheren Version des Artikels stand, Hans Panhoff (Grüne) sei Sozialstadtrat. Das stimmt nicht, er ist Baustadtrat. Sozialstadtrat ist Knut Mildner-Spindler (Linke). Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

Beitrag von Ute Zauft

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