Entfernte Wahlplakate - Bernau streitet über erlaubte Orte für Wahlwerbung

Fr 24.05.24 | 14:41 Uhr | Von Juan F. Álvarez Moreno
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Zerschnittene Wahlplakate Brandenburg.(Quelle: dpa)
Audio: Antenne Brandenburg | 25.05.2024 | Michel Nowak | Bild: dpa

Die Stadt Bernau hat hunderte Wahlplakate entfernt, weil sie eine mögliche Gefahr für den Verkehr darstellen sollen. Eine Partei ging dagegen vor Gericht vor – erstmal ohne Erfolg. Nun geht der Streit weiter. Von Juan F. Álvarez Moreno

Die Stadt Bernau bei Berlin (Barnim) hat hunderte Wahlplakate im Stadtgebiet entfernt und einen politischen und juristischen Streit ausgelöst. Zwischen April und Mitte Mai hing das dortige Ordnungsamt 228 Wahlplakate von Laternenmasten ab, wie eine Sprecherin der Stadt auf rbb-Anfrage mitteilte. Der Grund: Die Verkehrssicherheit und -Leichtigkeit.

Die Plakate hätten Kreisverkehre und Kreuzungsbereiche beeinträchtigt, die Sicht behindert oder seien in Einmündungen angebracht worden, so die Sprecherin. Betroffen waren demnach Plakate von CDU, SPD, BVB/Freie Wähler, Grüne, Linke, FDP, Basis und AfD.

Verwaltungsgericht gibt der Stadt recht

Das war aus Sicht des Verwaltungsgerichts in Frankfurt (Oder) auch rechtens: Das Gericht hat einen Eilantrag der BVB/Freien Wähler gegen die Entfernung von Wahlplakaten abgelehnt. Die Partei wollte erreichen, künftig über festgestellte Verstöße vorab informiert zu werden, um die Plakate selbst abhängen zu können. Darauf bestehe kein Anspruch, wie das Gericht am Mittwoch mitteilte.

"Der grundsätzlich gegebene Anspruch auf Sichtwerbung für Wahlen als Wahlkampfmittel besteht nicht schrankenlos," so ein Gerichtssprecher. Die Stadt dürfe unmittelbar einschreiten, wenn Wahlplakate die Sicherheit oder Leichtigkeit des Straßenverkehrs gefährden können.

BVB/Freie Wähler wollen Beschwerde einlegen

BVB/Freie Wähler hatte den Antrag auf einstweiligen Rechtschutz gestellt. "Die Stadtverwaltung war einfach nicht bereit, uns ordentlich zu informieren, warum sie wann, wo, wie viele Plakate von uns abgehängt hat", teilte Péter Vida, Stadtverordneter und Mitglied der Fraktion BVB/Freie Wähler, in der Bernauer Stadtverordnetenversammlung dem rbb auf Anfrage mit. Somit könne die Partei nicht wissen, welche Plakate Opfer von Vandalismus und welche vom Ordnungsamt entfernt wurden.

"Im Übrigen haben wir festgestellt, dass an mehreren Stellen, an denen die Stadtverwaltung Plakate von uns abgemacht hat, weil sie dort angeblich problematisch sind, seit gut einer Woche Plakate anderer Parteien problemlos hängen", so Vida weiter. Das habe sich erst nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts herausgestellt.

Den Beschluss des Gerichts könne Vida nicht nachvollziehen, das entspreche auch nicht dem Verwaltungshandeln anderer Kommunen. Vida will nun gegen den Beschluss beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Beschwerde einlegen.

2019 wurden auch zahlreiche Plakate entfernt

Die Stadt Bernau sieht sich in ihrer Vorgehensweise bestätigt. "Die Aufgabe einer Verwaltung ist es auch, beim Aufhängen beziehungsweise Aufstellen von Wahlplakaten auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zu achten und rechtswidrige Plakatierungen zeitnah zu unterbinden", teilte Bürgermeister André Stahl (Linke) mit. Die Stadt werde weiterhin unmittelbar einschreiten und Plakate abhängen, wenn diese den Straßenverkehr beeinträchtigen, hieß es in der Pressemitteilung.

Die Stadt argumentiert mit mehreren Paragrafen aus der Brandenburger Straßenverkehrsordnung [brandenburg.de]. Dabei geht unter anderem um die unerlaubte Nutzung einer Straße (Paragraf 20). Zudem weist die Stadt auf eine Allgemeinverfügung des Brandenburger Infrastrukturministeriums aus 2020 hin, wonach Plakatwerbung im Bereich von Kreuzungen, Kreisverkehren und Einmündungen unzulässig ist.

Das Vorgehen der Stadt ist nicht ganz neu: Bereits vor der Landtagswahl im Jahr 2019 entfernte das Ordnungsamt mehr als hundert Wahlplakate – mit ähnlichen Argumenten wie jetzt. Das Nachrichtenportal Bernau Live informierte darüber [bernau.live.de].

Weiterer Streit um großflächige Plakate

Das Plakatieren mit Wahlwerbung ist aus rechtlicher Sicht eine sogenannte erlaubnispflichtige Nutzung. Die Parteien müssen die Plakatierung bei der jeweiligen Kommune beantragen. Kleinere Plakate sind lediglich anzeigepflichtig, großflächige Plakate – sogenannte Wesselmänner – benötigen eine schriftliche Genehmigung durch die Gemeinde.

Um genau diese großflächigen Plakate gibt es in Bernau einen weiteren Streit – involviert sind dieselben Akteuren. Bei einer Sondersitzung der Stadtverordnetenversammlung im März gab es eine hitzige Diskussion zwischen dem Politiker Péter Vida und dem Bürgermeister André Stahl, wie die Märkische Oderzeitung [moz.de; Bezahlinhalt] berichtete. "Die Links-Partei darf aufstellen, ein halbes Jahr später dürfen wir das aber nicht", sagte damals Vida laut dem Bericht.

Großflächige Plakate dürfen an gewohnten Orten stehen

Demnach beschwerte sich Vida, dass die Verwaltung viele Anträge für Wahlplakat-Stellplätze negativ beschieden habe. Seine Fraktion stellte zusammen mit der CDU einen Antrag mit dem Ziel, Großflächenplakate dort zu erlauben, wo sie in früheren Wahlkämpfen auch stehen durften. Laut einer Stadtsprecherin wurden anfangs weniger als zehn Prozent der Großwahlplakate nicht genehmigt.

Der Antrag wurde mit großer Mehrheit angenommen, nachdem er auf Bitten des Bürgermeisters überarbeitet wurde. Zudem beauftragten die Stadtverordnete die Stadtverwaltung damit, bis Juni "eine Übersicht über mögliche Fläche für Großaufsteller für Wahlwerbung" zu erstellen. "Diese Übersicht ist noch in Arbeit", hieß es von der Stadt am Donnerstag.

Sendung: Antenne Brandenburg, 25.05.2024, 8:30 Uhr

Beitrag von Juan F. Álvarez Moreno

10 Kommentare

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  1. 10.

    "also überflüssig" In einem Punkt haben sie sicher ein Funktion, sie steigern die Wahlbeteiligung, weil sie indirekt daran erinnern wählen zu gehen.

  2. 9.

    Ich finde die Art der Wahlwerbung bei uns auch deshalb makaber, weil die (zukünftigen) Politiker von ihren Parteien/Vereinigungen bereits lange vor der Wahl an Laternen aufgehangen werden. Es reichen doch eine angemessene Zahl von Aufstellern an ausgewählten Plätzen eines Ortes.

  3. 8.

    ... und wenn man dann noch bedenkt, dass die Mittel für Plakate aus der Parteienfinanzierung, geleistet von allen Steuerzahlern, kommen, dann stören die Plakate noch mehr! Die Plakate verschandeln die Stadt. Stellt / Hängt lieber Blumen.

  4. 7.

    Ich glaube das sind Rätsel, die spd plakatiert mit "Katarina Barley und den Kanzler" ohne Namen. Wie heißt er?
    ..
    Generell soll was gegen Ablenkung geschehen, ich befürworte Verkehrskontrolle etwa gegen Handie am Steuer, das wird leider selten teuer.

  5. 6.

    Die Plakate sind Tradition wie der Weihnachtsbaum und das Silvesterfeuerwerk.
    Sicher ginge es auch ohne - aber wenn man allen Unfug abschafft, wird das Leben auch nicht besser.

  6. 5.

    Das gilt allgemein: Wahlplakate sagen doch generell nichts aus - also überflüssig. Und nach der Wahl hängen sie teils noch monatelang oder werden auch nur abgerissen und bleiben liegen ( besonders in kleineren Straßen. Macht alles keinen guten Eindruck. Und besonders schlimm sind solche wo die Rechtschreibung außer Kraft gesetzt wird (sollen wohl besonders einprägend sein). Also sollten dich die Parteien, Gruppierungen ... innovative Gedanken machen.

  7. 4.

    Wahlplakate gehören verboten außer an speziellen Stellen wo jede Partei dann ihr Poster kleben kann und gut ist. Das sieht zum einen furchtbar aus wenn überall die Dinger hängen und zum anderen versperren die auch die Sicht und sind eine Gefahr für die Verkehrssicherheit.

  8. 3.

    Ich wünschte Berlin würde dort auch effektiver dagegen vorgehen. Dort ist es aber nicht nur die Lage der Plakate, sondern es ist einfach die Masse, die Reizüberflutung, die es einem erschwert Verkehrsschilder wahrzunehmen. Und auch schließe ich mich dem Kommentar Nr 2 an. Es sind einfach enorme Ressourcen, die verschwendet werden. Es gibt bessere Alternativen für Werbung.

  9. 2.

    M.E. sind Wahlplakate eh nicht mehr zeitgemäß - Umwelt, Rohstoffe usw.
    Entscheidet sich wirklich irgendjemand aufgrund eines Wahlplakats bzw. lässt sich von den "tollen Sprüchen" beeinflussen?


  10. 1.

    Verkehrsgefährdung durch Sichtbehinderung im öffentlichen Raum ist eine Ordnungswidrigkeit. Das gilt gegebenenfalls auch für Parteiblattkleber, unabhängig von ihren Auftraggebern. Denn Justutia ist ja bekanntlich blind und ahndet Vergehen unabhängig von der Person, die sie verübtb hat, oder deren Beziehungen. Eigentlich müsste die Polizei auch ermitteln, wer die behindernden Plakate platziert hat und dafür Bußgelder verhängen, wie sie es auch tut, wenn andere Mitmenschen das tun, um Webung in eigener Sache zu betreiben - genau das ist ja auch hier passiert. Es sollte hier nicht schwer sein, die Verursacher ausfindig zu machen. Hat man schon einen erwischt?