Verlorene Briefwahl-Stimmen bei Volksentscheid - Kam nicht in die Tüte

Do 28.09.17 | 13:40 Uhr
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Nach der offiziellen Schließung der Wahllokale liegt am 24.09.2017 in Berlin in einem Wahlbezirk ein Stimmzettel für das Volksbegehren zur Offenhaltung vom Flughafen Tegel auf einem Tisch (Quelle: Paul Zinken/dpa).
Bild: dpa

Etwa 100.000 Briefwähler haben ihr Kreuz beim Volksentscheid zum Flughafen Tegel zwar gemacht - aber die Stimmen zählten am Ende trotzdem nicht. Der Grund: Sie hatten den Zettel nicht in den richtigen Umschlag gesteckt. Und in Buckow muss nochmal neu ausgezählt werden.

Einfache Rechnung: Gut 630.000 Berliner haben ihre beiden Stimmen bei der Bundestagswahl am vergangenen Wochenende per Post verschickt. Aber nur 524.000 gültige Briefwahl-Stimmen wurden am Ende für den Tegel-Volksentscheid gezählt. Heißt: Etwa 100.000 Wähler haben nicht oder ungültig über die Zukunft des Berliner Flughafens abgestimmt. Zuerst hatte die "B.Z." darüber berichtet.

Die meisten dieser Wähler hatten die Anleitung offenbar falsch verstanden, sagte der Leiter der Geschäftsstelle der Berliner Landeswahlleiterin, Gert Baasen. Die Sache lief so: Jeder Briefwähler bekam einen blauen und einen roten Umschlag zugeschickt, außerdem den Stimmzettel für die Bundestagswahl und den für den Volksentscheid. Garniert wurde das Ganze mit der üblichen eidesstattlichen Versicherung, die jeder Wähler unterschreiben muss.

Die Tücke liegt im Plural

Richtig wäre nun gewesen, die beiden Stimmzettel für Tegel und die Bundestagswahl in den blauen Umschlag zu stecken und den zuzukleben. Der Umschlag kann keinem Absender zugeordnet werden - nur so bleibt das Wahlgeheimnis gewahrt. Zusammen mit der persönlichen, eidesstattlichen Versicherung musste der blaue in den roten Umschlag. Dann ab zur Post und fertig.

Klingt erstmal nicht kompliziert, war aber recht knapp formuliert: "Stimmzettel in den blauen Stimmzettelumschlag legen und zukleben." Die Tücke liegt nun im Plural. Viele Wähler wussten offenbar nicht, ob mit der Aufforderung nur der Stimmzettel für die Bundestagswahl oder beide gemeint waren. Sie steckten nur das Papier mit ihrer Erst- und Zweitstimme in den blauen Umschlag. Den Tegel-Zettel und die Versicherung aber in den roten  - und so war das Wahlgeheimnis zumindest beim Volksentscheid dahin, die Stimme ungültig.

Nicht wahlentscheidend

Viele Briefwähler reagierten darauf verärgert, sie kritisierten die Anleitung als missverständlich. Auch Berliner Landespolitiker waren nicht erfreut. Es sei nicht das erste Mal, dass es bei Wahlen Schwierigkeiten gebe, sagte Sven Kohlmeier der Tageszeitung "taz", er ist innenpolitischer Sprecher der SPD im Abgeordnetenhaus. Dass so viele Menschen nicht verstanden hätten, wohin welcher Zettel gehört, sei "total unbefriedigend", sagte Michael Efler, demokratiepolitischer Sprecher der Linkspartei. Er kündigte an, den Senat bei der Sitzung im Abgeordnetenhaus am Donnerstag zu fragen, wie es dazu kommen konnte.

Wahlentscheidend waren die verlorenen Stimmen übrigens nicht: Auch wenn alle 108.000 Menschen gültig gegen die Offenhaltung Tegels votiert hätten, hätte das die Befürworter nicht überstimmt.

Buckow meldete nur 6,4 Prozent Tegel-Befürworter

Die Landeswahlleitung hatte aber offenkundig auch Schwierigkeiten mit dem richtigen Zählen der Kreuze: Im Süden Neuköllns muss neu gerechnet werden. Der Wahlbezirk 511 in Buckow meldete nur 6,4 Prozent Stimmen für die Offenhaltung des Flughafens - 702 der 750 dortigen Wähler hätten dementsprechend mit Nein gestimmt. "Ich gehe davon aus, dass das ein Fehler ist", sagte der Geschäftsführer Geert Baasen am Donnerstag. Angesichts des Ergebnisses in benachbarten Wahlbezirken mit bis zu 67 Prozent Ja-Stimmen ist das Ergebnis aus Buckow, vorsichtig formuliert, auffällig. Zuerst war das dem "Tagesspiegel" aufgefallen. 

Baasen sagte, der Fehler könne beim Erfassen oder Übermitteln der Zahlen an den Wahlvorstand passiert sein. Zuständig sei aber ohnehin der Bezirkswahlleiter. Der hielt sich zunächst bedeckt, jetzt wird das Ganze erstmal gründlich überprüft. Das endgültige Ergebnis des Volksentscheids wird ohnehin erst Anfang Oktober verkündet. Was das rätselhafte Umschlag-Malheur anging, gelobte Baasen Besserung. Man werde das Hinweisblatt in Zukunft gegebenenfalls klarer gestalten.

Sendung: Abendschau, 28.09.2017, 19:30 Uhr

3 Kommentare

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  1. 3.

    Also eigentlich muss man doch nur kurz darüber nachdenken WARUM die Stimmzettel in den blauen Umschlag und der dann in den roten muss. Dann sollte man doch eigentlich von alleine darauf kommen, dass beide Stimmzettel in den blauen Umschlag gehören. Aber naja.

  2. 2.

    Ich habe zum ersten mal die Briefwahl genutzt, weil man mir seit der letzten Berlinwahl ein neues Wahllokal zugewiesen hat, welches weiter weg und schlechter zu erreichen ist. Als die Zettel bei mir ankamen und die Anleitungen was zu tun ist, war ich auch etwas verwirrt über den haufen an Zettelchen. Allerdings war mir klar das ich beide Wahlzettel in den blauen Cuvert packen sollte. Viel interessanter fand ich aber, wie man den doch recht üppigen Wahlzettel in den viel zu kleinen blauen Umschlag verfrachten sollte. Der Zettel für den Volksentscheid hatte hingegen die richtige Form.
    Auch das dürfte für Verwirrung gesorgt haben, denke ich. Die blauen und roten kleinen Umschläge scheinen ein recht altes Relikt zu sein, die noch in großen Kisten eingelagert werden und erst in 10 Jahren aufgebraucht sind ;)

  3. 1.

    Daran sieht man, dass Demokratie gar nicht so einfach ist.
    Bei der nächsten Wahl, wo es wieder 2 Stimmzettel gibt, einfach eine Bilderserie beilegen, vielleicht klappst dann besser.

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