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Audio: Inforadio | 13.04.2019 | Nikolaus Hillmann | Quelle: imago/Camera 4

Alba Berlin gewinnt zweites Eurocup-Finale

Klatschpappe vor den Augen

Alba Berlin kämpft sich im zweiten Eurocup-Finalspiel zu einem 95:92-Sieg nach Verlängerung. 14.500 Fans in der ausverkauften Halle sehen ein unfassbar spannendes Duell. Am Ende schnurrt es auf wenige Momente zusammen. Von Sebastian Schneider

Dieses Spiel muss man nicht sehen, sondern spüren. Wer die Augen schließt, und niemand würde das jetzt wagen, der hört schrille Pfiffe, heiser rausgebrüllte Flüche, quietschende Sohlen auf dem Parkett, die Schreie der Profis, das Donnern der Trommelschläge. Der Krach von 14.500 Menschen treibt den Puls. Alles ist denkbar. Kaum einer hockt mehr, von der Werbebande bis weit oben unterm Dach.

11,2 Sekunden zeigt der hausgroße Videowürfel an der Decke, aber das ist gelogen, es müssen Jahre sein. Valencia Basket 83, Alba Berlin 81. Auftritt Peyton Siva, Tunnelblick wie Kasparov: Albas Point Guard ist klein aber irre schnell und seine Verteidiger sind weder das eine noch das andere. Siva rast die Grundlinie entlang, alle Hünenhände patschen ihm kraftlos hinterher. Er steigt hoch. Es wirkt jetzt, als hätte jemand plötzlich den Sound abgedreht. Dann tropft der Ball durchs Netz. Verlängerung, Ohrensausen. Wie soll man nochmal fünf Minuten überstehen?

Dreier zum Anschluss, Korbleger zur Verlängerung: Peyton Siva hatte sich die Glückwünsche dieses kleinen Mädchens am Freitag redlich verdient. | Quelle: rbb|24 / Schneider

Der Patron lächelt

Alba musste dieses zweite Finale am Freitagabend gewinnen, sonst wär's aus gewesen mit dem Eurocup. Man hätte dem Favoriten, und dafür sprach nach dem zerfahrenen ersten Auftritt in Spanien nicht wenig, in eigener Halle zum Pokal gratulieren müssen. Bitte mal wieder recht freundlich die Verlierermedaillen abholen, der zahlenden Kundschaft zuwinken und danke.

"Wir hatten keine andere Wahl, als weiterzuspielen. Zu dem zurückzukehren, was uns ausmacht", sagte Luke Sikma später. Er meinte damit: Kette geben und das Herz auf dem Platz lassen. Geht Alba nicht an die Grenze, funktioniert gegen einen so gut geölten Apparat wie Valencia überhaupt nichts mehr.

Die Gäste haben sich vor dem Tip-Off bereits auf die Feierlichkeiten eingestellt. Mehr als 20 spanische Journalisten sind mit nach Berlin gekommen. Sie plaudern im fensterlosen Presseraum, kauen vergnügt ihre Käsetoasts und trinken diese merkwürdige deutsche Apfelschorle. Manche fotografieren ihr Essen. Der Milliardär Juan Roig hat Charterflüge für rund 1.000 Fans bezahlt, so wie er überhaupt alles in diesem Klub bezahlt. Der Patron steht lächelnd vor dem Gästeblock, umringt von nickenden Anzugträgern mit einer Vorliebe für herbes Rasierwasser.

Sie alle wirken nicht, als würden sie Gedanken an eine Niederlage verschwenden.

Die Orangen leuchten leise

Zum ersten Mal in dieser Saison ist die Halle ausverkauft. Alba hat sie vom Sprungball an hinter sich. Jeder Rebound wird gefeiert, jeder Schiedsrichter-Pfiff gegen das eigene Team hemmungslos verflucht. Die Fans von Valencia machen es ja nicht anders. Sie krakeelen vom Gästeblock herunter und sehen dabei aus wie die "Orangen", die sie sind – jedenfalls übersetzt man so ihren Spitznamen. Und so schwappt der Lärm in Wellen von der einen Seite der Arena zur anderen.

Die Berliner führen kurz, aber versemmeln wieder viel zu viele Korbleger. Alba hat Druck, Valencia Zeit. Der früh ergraute Fernando San Emeterio jagt zwei Dreier durch die Reuse als würde ihm niemand zugucken. Die Gäste führen bald mit 15:10. Aber niemand zieht davon. Der heimgekehrte NBA-Profi Moritz Wagner sieht aus der ersten Reihe, wie sein 17 Jahre alter Bruder Franz da unten für Alba zwei Distanzschüsse reinhaut. Irrwisch Siva verzögert seinen Wurf im Fallen wie ein Kunstturner und trifft trotzdem. Albas Center gehen heute viel härter zum Brett als in Spiel eins. Nach dem ersten Viertel liegt Berlin vorne, mit 23:21.

Zum ersten Mal in dieser Saison war die Arena am Ostbahnhof ausverkauft - und entsprechend laut. Dass hier fast doppelt so viele Fans rein passen, wie in Valencia, beeindruckte die Gäste sichtlich. | Quelle: rbb|24 / Schneider

Zur Halbzeit Halstabletten

Ein Valencia-Spieler checkt seinen Gegner mit der Schulter um und bekommt nichts als Zorn von den Rängen zurück. Martin Hermannsson überwindet einen Wald aus Riesen, indem er sachte über ihre Köpfe hinweg wirft. Aus dem Pulk steigt Johannes Thiemann empor, schnappt sich den Ball wie in Zeitlupe und prügelt ihn durch den Ring. Alley-Oop. Halle tobt. Die Orangen leuchten, aber leise. 

Valencias weitgereiste Könner begehen jetzt Schrittfehler, sinnlose Fouls, fassen sich empört an die Köpfe. Zum ersten Mal in dieser Serie zeigen sie Nerven. Die Fans wittern das, so wie sie Schwäche immer wittern. Halstabletten wären jetzt nicht schlecht. Zur Halbzeit führt Alba noch immer - mit 42:39.

Valencias Star Dubljevic hat seine Kraft nicht unter Kontrolle

In die zweite Hälfte startet Valencia mit sichtlich mehr Dampf. Luke Sikma hat erst vier Punkte zusammen, aber er behält die Ruhe. Er verteilt den Ball, hamstert sich Abpraller - er wartet darauf, dass das Spiel zu ihm findet. Alba verteidigt viel besser als im ersten Finale. Von außen mag Valencia heute fast die Hälfte seiner Dreier treffen - aber drinnen haben sie es schwer.

Der vollbärtige Kraftkasten Bojan Dubljevic zum Beispiel kriegt sein erstes Offensivfoul, weil er wirklich zu gut austeilt. Zuvor zuckten seine gut 105 Kilo bei jedem Kontakt so, dass es der Schiri nicht übersehen konnte. Dubljevic wirkt jetzt nicht beeindruckt, aber er ist es. Einem der erfolgreichsten Spieler des Eurocups gelingt in der entscheidenden Phase nur ein einziger Punkt.

Das letzte Viertel bricht an, Berlin führt mit drei und wer sich jetzt auf einen Sieger festlegt, hat eine exakt 50-prozentige Chance darauf, dass er Recht behält. "Es ist ein Spiel der Läufe und manchmal kommt es nicht so, wie es Dir passt. Aber wir haben den Glauben behalten und weitergekämpft", erzählt Sikma später. Es passiert so viel, dass wir vorspulen müssen.

Zahlen

Scoreboard

So haben die Spieler gepunktet

Alba Berlin: Giedraitis (17), Sikma (15), Siva, Hermannsson (je 14), Giffey (11), Thiemann (7), Wagner (6), Clifford (5), Saibou (2) Valencia Basket: Van Rossom (22), San Emeterio (16), Will Thomas (15), Dubljevic (9), Sastre (6), Matt Thomas, Doornekamp (je 5), Tobey (3), Diot (2)

Eher erleichtert als ekstatisch

Die Orangen springen, "Arriba, Arriba!", schreien sie. Führung Valencia, erst mit vier, dann mit fünf Zählern. Berlin tippt die Dinger daneben, die rein müssen. Hinten brechen die Gäste immer wieder über die Grundlinie durch. Ein kleiner Junge, dem das Alba-Shirt bis zu den Knien reicht, steht auf seinem Stuhl und erträgt es nicht mehr. Manchmal hält er sich mit der Klatschpappe die Augen zu. Die Sekunden zerrinnen.

Peyton Sivas einziger Dreier bringt Berlin wieder ran, jetzt geht doch noch was, sein Korbleger bringt die Verlängerung. Sikma stellt von weit draußen scharf, "Luuuuuuuke" rufen die Leute, als er abdrückt - Money. Alba wirkt beflügelt, Valencia sauer. Aber hinterher sagt sich das ja immer leicht. Elf Sekunden vor dem Ende der Overtime darf Sikma ein letztes Mal an die Freiwurflinie. Der Ball tanzt auf dem Ring, dann fällt er rein - 95:92, Valencia kriegt den finalen Wurf nicht mehr geregelt.

Der Jubel bei der Schlusssirene hat dann mehr von Erleichterung als von Ekstase - die Leute können wohl einfach nicht mehr. Die Spieler sind sowieso finito. Sie haben sich das alles entscheidende Finale am Montag in Valencia verdient, weil sie die Angst zu verlieren überwunden haben. "Wir müssen einfach nur hinfahren und es genießen", sagt Sikma.

Beitrag von Sebastian Schneider, rbb|24

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