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Quelle: imago images/Laci Perenyi

Interview | Berliner Fans bei der WM in Katar

"Es ist ein Erlebnis der besonderen Art"

Sara Alves de Souza und Johannes Graner sind Fans der deutschen Nationalmannschaft. Auch in Katar sind die beiden Berliner dabei. Zu den Spielen des deutschen Teams pendeln sie allerdings aus Dubai ins benachbarte Wüsten-Emirat.

rbb|24: Sara Alves de Souza und Johannes Graner, Sie kommen aus Berlin, wir erreichen Sie aber derzeit in Dubai. Warum sind Sie dort?

Alves de Souza: Wir sind beide Fußball-Fanatiker.

Graner: Es ist so, dass der Fanclub der Nationalmannschaft das Fancamp für die Fußball-WM in Katar in Dubai aufgebaut hat. Da sind wir seit dem 20. November auch dabei. Wir fliegen für die deutschen Spiele immer nach Katar und auch wieder zurück - so ist das organisiert. Wir bekommen für die Spiele ein besonderes Visum, dass es zur WM gibt. Man darf dann für 24 Stunden ins Land, muss anschließend aber auch wieder raus. Sonst muss man sofort eine Unterkunft nachweisen. Am Donnerstag gegen Costa Rica sind wir zum letzten Mal dabei.

Sara Alves de Souza und Johannes Graner freuen sich auf ein Spiel der deutschen Mannschaft in Katar. | Quelle: Privat

Warum genau haben Sie und der Fanclub sich dafür entschieden, in Dubai zu wohnen und jedes Mal nach Katar zu reisen, anstatt gleich dort unterzukommen?

Graner: Soweit wir das mitbekommen haben, ist es so, dass der Fanclub versucht hat, in Katar ein Fanhotel aufzubauen. Aber das war wohl extrem schwierig bis unmöglich. Es sind insgesamt kaum Unterkünfte verfügbar, die geeignet sind. Es sind horrende Preise, die die Katarer dort aufrufen und die Hotels reichen überhaupt nicht. Viele andere Fans sind zum Beispiel in Containern oder auf Kreuzfahrtschiffen untergebracht. Dubai hingegen ist ein Land, dass an westlichen Tourismus gewöhnt ist - hier klappt alles super.

Alves de Souza: Es sind auch Fans von anderen Mannschaften hier. Wir haben viele Franzosen, Marokkaner, Spanier oder auch Brasilianer getroffen.

Wann haben die Planungen für Ihren Trip begonnen?

Graner: Ende Juli gab es eine Mail für alle Fanclub-Miglieder, in der mitgeteilt wurde, dass man auf vielfache Bitte jetzt doch in Dubai ein Fanhotel aufbauen werde. Da gab es dann auch noch Tickets im Angebot. Wir haben es davor immer über die normale Fifa-Homepage probiert, sind aber immer leer ausgegangen. Über den Fanclub, der Sonderkontingente hat, haben wir dann aber sowohl Karten als auch das Hotel und den Flug organisiert bekommen. Für die Flüge von Dubai nach Katar und wieder zurück wurde ebenfalls ein Paket angeboten. Das haben wir dann auch gebucht.

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Sind Sie auch normalerweise bei Spielen der deutschen Nationalmannschaft dabei?

Graner: 2014 bei der WM in Brasilien konnte man noch auf eigene Faust Tickets kaufen und hinfliegen - das haben wir gemacht. Weil Saras Familie auch in Brasilien wohnt, haben wir uns das dann selber organisiert. Seit der WM 2018 in Russland ist es so, dass man eigentlich nur noch Chancen hat an Karten zu kommen, wenn man auch Mitglied im Fanclub ist. Da waren wir auch schon im Moskau im Fanhotel, das ist wirklich super.

Alves de Souza: Die organisieren wirklich alles, man kann nicht klagen. Flüge, Hotels - alles klappt.

Die WM steht nicht nur in Deutschland stark in der Kritik. Die Menschenrechtslage in Katar und hunderte Gastarbeiter, die auf den WM-Baustellen starben, sind nur einige Punkte, die kritisiert werden. Sie persönlich müssen für jedes Spiel noch zwei Flugreisen auf sich nehmen. Haben diese Aspekte vor Ihrer Reise in den Überlegungen eine Rolle gespielt?

Graner: Als wir die Tickets hatten, war eigentlich klar, dass wir auch fahren. Wir wollten uns das mal vor Ort selbst anschauen. Wir haben das auch nicht bereut und haben interessante Eindrücke gesammelt. Obwohl man natürlich auch sagen muss, dass Katar ein Land ist, dass überhaupt nicht für die Austragung einer WM geeignet ist. Es ist schon etwas skurril. Aber die WM-Spiele finden jetzt nun mal da statt und sind vernünftig organisiert. Es ist ein Erlebnis der besonderen Art. Die Infrastruktur und die Gastronomie - mit oder ohne Alkohol sei mal dahingestellt - ist allerdings schon etwas traurig. Das sind Stadien mitten in der Wüste, mit den typischen Fifa-Angeboten zu saftigen Preisen. Da fehlt dann schon etwas die Stimmung rund ums Stadion. Insbesondere bei Spielen wie gegen Spanien fühlt es sich dann aber im Stadion trotzdem wie immer bei einer WM an.

Alves de Souza: Es ist auch so, dass die Kritik viel aus Europa kommt - von Deutschen oder Engländern. Aus Südamerika oder Asien sind aber total viele Fans hier. Die Fanclubs aus Argentinien, Ecuador, Brasilien oder Mexico sind in der Überzahl. Die sind angereist und sorgen in den Stadien auch für gute WM-Stimmung.

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Die WM läuft jetzt seit anderthalb Wochen, Deutschland hat bereits zwei Spiele absolviert. Was ist bislang Ihre liebste WM-Anekdote?

Graner: Herausragend war wirklich das Verhalten der japanischen Fans, das war wirklich unglaublich. Da reisen Menschen, teilweise mit Kind und Kegel, aus Tokio ins Wüsten-Emirat, gehen ins Stadion und feuern ihre Mannschaft frenetisch an. Sie haben dann ohne jede Häme ihren Sieg gegen Deutschland gefeiert und dann sogar noch den Müll, den sie sonst hinterlassen hätten, aus dem Stadion geräumt, damit die Putzkräfte weniger zutun haben. Das war wirklich rührend und vorbildlich. Außerdem ist auffällig, dass es viele WM-Touristen aus anderen arabischen Ländern gibt, die gar nicht qualifiziert sind - Ägypten, Algerien, Libanon. Wenn man mit ihnen ins Gespräch kommt, merkt man schon den Stolz, dass eine WM auch mal im arabischen Raum stattfindet. Das strahlt auch auf andere Länder aus. Andererseits gibt es aber tatsächlich auch die Fake-Fans, die ja in Deutschland auch schon wahrgenommen wurden, die von Katar aus anderen Ländern angeworben wurden und für verschiedene Nationen Stimmung machen (lacht).

Wenn Deutschland am Donnerstag die Gruppenphase übersteht, geht es für Sie aber trotzdem zurück nach Berlin?

Alves de Souza: Ja, wir fahren auf jeden Fall zurück. Für uns ist die Gruppenphase aber auch am attraktivsten. Die Stimmung ist dann am besten, weil noch alle Nationen vertreten sind. Ich erzähle auch all meinen Freunden, die keine Fußball-Fans sind, dass sie das unbedingt mal ausprobieren müssen. Man bewegt sich dort in einer Blase der guten Stimmung und Laune. Man kommuniziert mit Menschen aus verschiedenen Ländern - teilweise mit Händen und Füßen (lacht).

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Jonas Bürgener, rbb sport.

Sendung: rbb24, 30.11.22, 18 Uhr

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