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Video: rbb24 Abendschau | 13.11.2022 | Christian Dexne | Quelle: imago images/Nordphoto

Reichlich Optimismus, keine Abwahl und ein Frauenteam

Harmonie auf Herthas Mitgliederversammlung

Auf der Mitgliederversammlung bei Hertha BSC war die Stimmung spürbar besser als zuletzt. Trotz schwieriger Situation gab es viel Zustimmung für die Verantwortlichen. Auch der Aufsichtsratsvorsitzende überstand einen Abwahlantrag. Von Lukas Witte

In der Messehalle 22 gab es an diesem Sonntag viele zufriedene Gesichter. Zum einen, weil die 1.550 anwesenden Mitglieder von Hertha BSC noch den versöhnlichen 2:0-Heimerfolg gegen Köln zum Jahresabschluss im Hinterkopf hatten, zum anderen, weil sie seit langer Zeit mal wieder recht zufrieden mit den Verantwortlichen sind.

Viel Applaus und Zustimmung klang bei den Reden auf der Mitgliederversammlung durch den Saal. Aufgelockert wurde die Veranstaltung durch das neue Talk-Format, bei dem die Redner sich auch untereinander - moderiert von Pressesprecher Marcus Jung - locker auf der Bühne unterhielten.

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Aufsichtsratsvorsitzender gesteht Fehler ein

Die allgemein positive Stimmung war vielleicht auch einer der Gründe, warum der Aufsichtsratsvorsitzende von Hertha BSC, Klaus Brüggemann, sein Amt behalten durfte. 51 Prozent der Anhänger stimmten für den Abwahlantrag, der somit die notwendige Dreiviertelmehrheit nicht erreichte.

Der Antragsteller hatte seine Forderung unter anderem damit begründet, dass Brüggemann vor der letzten Mitgliederversammlung, bei der Kay Bernstein zum neuen Hertha-Präsidenten gewählt wurde, intern Einfluss auf die Wahl genommen hätte. Außerdem trage er eine Mitschuld an der "verfehlten Vereinspolitik" der letzten Jahre. Brüggemann hatte Frank Steffel als Gegenkandidaten öffentlich vorgeschlagen und unterstützt, was zu Missstimmung geführt hatte. Auf der Mitgliederversammlung am Sonntag gestand der Aufsichtsratsvorsitzende das als Fehler ein. Das persönliche Vorschlagen von Steffel hätte an zeitlichen Abläufen gelegen. Die weitere Kritik der Fans wolle er sich "zu Herzen nehmen", sagte er nach der Verkündung der Wahlergebnisse.

Zuvor war ein Antrag des Autohausbesitzers Uwe Dinnebiers von den Mitgliedern abgelehnt worden, der eine Abstimmung über die Abwahl Brüggemanns verhindern wollte. In seinem Antrag kritisierte der Unternehmer, dass man Mitglieder nicht beliebig abwählen sollen könne und unterschiedliche Meinungsäußerungen wichtig seien. Dinnebier war selbst nicht anwesend.

Die ersten 140 Tage des neuen Präsidenten

Präsident Kay Bernstein zog bei seiner Rede ein Resümee seiner ersten 140 Tage im Amt, die für ihn sehr aufregend gewesen seien und sich eher nach einem Jahr angefühlt hätten, wie er sagte. Er erinnerte daran, dass er ein "Wir-Gefühl" habe schaffen wollen. Das hätte man "bravourös zusammen geschafft". "Unser Verein ist jetzt nahbarer, demütiger und in der Zusammenarbeit mit seinen Gremien herrscht ein ganz anderes Miteinander. Vielen Dank an alle dafür", sagte Bernstein und bekam dafür die laute Zustimmung der Mitglieder.

Neben der Verbesserung der wirtschaftlichen Situation und einer sportlichen Stabilisierung wolle er auch den Stadionneubau vorantreiben. Dafür würde es einen Expertenausschuss geben, der bis zum nächsten Sommer Klarheit darüber schaffen solle, ob und in welcher Form ein Bau im Olympiapark machbar sei. Der Präsident zeigte sich aber optimistisch: "Wir sind erstmalig in einer Lage, dass es ein politischen Willen der Senatorin Spranger für ein neues Stadion gibt", sagte Bernstein.

Hertha soll eine Frauen-Mannschaft bekommen

Auch für den Einstieg in den Frauen-Fußball sei nun der richtige Zeitpunkt gekommen. Das sahen auch die Mitglieder so. Der Antrag hierfür erhielt bei der Abstimmung per Handzeichen eine überwältigende Mehrheit. Hertha ist bislang der einzige Fußball-Bundesligist der Männer, der in der kommenden Saison keine Frauen-Mannschaft haben wird. Die Kooperation mit Turbine Potsdam war kurz vor der Mitgliederversammlung gekündigt worden.

Dass die Berliner so spät dran sind, hätte laut Präsident Bernstein aber auch den Vorteil, dass man aus den Fehlern lernen könne, die die anderen Vereine zuvor im Frauen-Fußball gemacht hätten. Beabsichtigt ist nun, ab der Saison 2023/24 in den Spielbetrieb des Berliner Fußball-Verbandes einzusteigen.

Trainer Sandro Schwarz zeigt sich zufrieden

Gefeiert wurde Cheftrainer Sandro Schwarz, der unter tosendem Applaus die Bühne betrat und sich mit einem Dankeschön an die Fans revanchierte. Die Mannschaft würde aus der Unterstützung viel Energie ziehen. "Als Außenstehender kann man ein anderes Bild von der Hertha haben: Nur Krisen, Probleme, nur Theater ... Wenn du mittendrin bist im Club, muss ich sagen: Das fühlt sich toll an", sagte Schwarz.

Hertha-Trainer Sandro Schwarz (rechts) im Talk mit Pressesprecher Marcus Jung | Quelle: imago images/Nordphoto

Anschließend sprach er über die sportliche Situation und die Stimmung im Team. Dabei warf der Trainer einen optimistischen Blick in die Zukunft und zeigte sich mit der Entwicklung zufrieden. Allerdings gäbe es auch noch viele Dinge, die verbessert werden müssten. "Wir gehen kritisch miteinander um, um so die nächsten Schritte gehen zu können. Wichtig ist, dass die Jungs mit Herz dabei sind, alles rausfeuern und unter ihren Fehlern auch leiden und es dann besser machen wollen – diese Gruppe lebt, das spüren und erleben wir jeden Tag."

Kritische Aussprache zu den Finanzen

Grund zur Sorge gibt es hingegen aufgrund der finanziellen Situation des Bundesligisten. Schon vor der Mitgliederversammlung hatte Hertha BSC die erschreckenden Geschäftszahlen für die zurückliegende Saison veröffentlicht. Fast 80 Millionen Euro Minus hatte der Verein in der Saison 2021/22 erwirtschaftet. Die Aussprache zu den Finanzen mit den Mitgliedern fiel deshalb auch durchaus kritisch aus.

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Geschäftsführer Thomas E. Herrich begründete bei seiner Rede in der Messehalle die schlechten Zahlen mit der Corona-Pandemie und hohen Ausgaben wegen langfristiger Verträge. Er stellte klar, dass eine "umfangreiche wirtschaftliche Konsolidierung notwendig" sei und es einen "klaren Plan" für die nächsten zwei oder drei Jahre brauche, um wieder auf die schwarze Null zu kommen. In einem Hintergrundgespräch mit Pressevertretern am Freitag hatte Herrich allerdings bereits prognostiziert, dass auch am Ende dieser Saison ein deutliches zweistelliges Minus erwirtschaftet werden würde.

Auch wenn Hertha jetzt dringend Transfererlöse erzielen müsse, warnte der Geschäftsführer Sport, Fredi Bobic, vor einem Ausverkauf. "Wir wollen ja konkurrenzfähig sein und Bundesliga spielen. Man muss sich bei jeder Personalie genau überlegen, ob man es macht oder nicht", sagte Bobic den Mitgliedern. Das Geld soll verstärkt auch für den Nachwuchs eingesetzt werden und nicht nur für die Profis.

Sendung: rbb24 Abendschau, 13.11.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Lukas Witte

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