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Verschwundene Vereine | ASK Vorwärts Berlin

Der Rekordmeister dankt ab

Vorwärts Berlin war die prägende Mannschaft im frühen DDR-Fußball, zählte zeitweise die meisten Oberliga-Titel. Heute wissen nur noch wenige um die großen Erfolge. Auch schon zur Vorwärts-Blütezeit waren in Ostberlin andere Klubs populärer. Teil 4 von 5 in der rbb|24-Serie "Verschwundene Vereine"

Berliner Fußballvereine haben (Negativ-)Rekorde aufgestellt, unzählige Profis hervorgebracht, für unvergessene Spiele gesorgt. Einige dieser Berliner Klubs existieren heute nicht mehr. rbb|24 stellt die verschwundene Vereine vor. Bisher erschienen sind Beiträge zum Spandauer SV , SC Tegel und Wacker 04 Berlin. Der vierte Teil befasst sich mit dem wenig bekannten ASK Vorwärts Berlin.

"Gar keine", sagt Marco Bertram. "Der Klub hat in Berlin einfach keine Spuren hinterlassen." Umso schwieriger sei es gewesen, Dokumente und Zeitzeugen für sein Buch über den verschwundenen Fußballverein ASK Vorwärts Berlin zu gewinnen. "Es ist wirklich verrückt, bei diesen Erfolgen."

Verschwundene Vereine | Wacker 04 Berlin

Wie es ein Berliner Arbeiterklub fast in die Bundesliga geschafft hätte

Wacker Berlin war in den 1970er Jahren eine große Nummer. Auch, weil an der Seitenlinie der Reinickendorfer oft erfolgreiche Trainer standen. Doch in der entscheidenden Bundesliga-Aufstiegsrunde sei es zur "Katastrophe" gekommen, erzählt Klub-Biograph Markus Franz. Teil 3 von 5 in der rbb|24-Serie "Verschwundene Vereine"

Stillschweigender Umzug von Leipzig nach Berlin

Mit großem Fußball in der DDR verbinden heute die meisten vor allem den BFC Dynamo sowie Dynamo Dresden, vielleicht noch Magdeburg und Jena. Aber Vorwärts Berlin?

Ganze sechs Meistertitel feierte der Verein, der seine Heimspiele zumeist im Jahnsportpark austrug, dazu zwei Pokalsiege und mehrere Europapokal-Teilnahmen. Heute herrscht darüber weitgehende Ahnungslosigkeit.

Gegründet hatte sich der Verein Anfang der 1950er Jahre in Leipzig, Träger war die Kasernierte Volkspolizei, Vorgängerin der Nationalen Volksarmee (NVA). "In Leipzig war der Klub nicht wirklich beliebt, weil er zahlreiche Spieler von Lokalkonkurrent Chemie abwarb", sagt Bertram. Aufgrund der breiten Ablehnung und wohl auch, damit die Hauptstadt endlich ein fußballerisches Aushängeschild erhielt, wurde der Verein nach Berlin verlegt.

Vorwärts-Ikone Otto Fräßdorf (r.) wird vom Masseur im Entmüdungsbecken behandelt. | Quelle: imago images/W.Schulze

Zeitweiliger DDR-Rekordmeister

Der Wechsel erfolgte im Stillschweigen, zeitgenössische Medienberichte dazu fehlen, wie Bertram sagt, und so wussten in Leipzig selbst die Vorwärts-Sympathisanten zunächst nicht, was mit ihrem Klub eigentlich geschehen war.

In den folgenden Jahren kam man an Neuigkeiten rund um den Klub allerdings nicht mehr vorbei: Der ASK Vorwärts reihte einen Titel an den nächsten, feierte 1958 die erste Oberliga-Meisterschaft, fünf weitere sollten bis 1969 folgen. Als prägende Spieler hebt Bertram Torhüter Karl-Heinz Spickenagel hervor sowie Otto Fräßdorf und Jürgen Nöldner - der daneben 16 Mal für die Nationalmannschaft treffen sollte, darunter das schnellste Tor der DDR-Länderspielgeschichte (1965 gegen Österreich).

Interview | Hardy Grüne über verschwundene Vereine

"Fußball war eine Identifikationsfläche für Heimat und das ist einfach weg"

Hardy Grüne hat sich jahrelang mit dem Verschwinden von Traditionsvereinen beschäftigt. Im Interview spricht er über die Liebe zum Regionalfußball - und er erzählt, was er tat, als sein Lieblingsverein verschwand.

1959 nahm die Mannschaft zum ersten Mal am Europokal der Landesmeister teil und schlug im Hinspiel der ersten Runde den hochfavorisierten englischen Meister Wolverhampton Wanderers mit 2:1 – vor 65.000 Zuschauern im Walter-Ulbricht-Stadion. Das Rückspiel ging mit 0:2 verloren, was das Aus besiegelte. In den Folgejahren sollten weitere namhafte Gegner dazukommen, etwa die Glasgow Rangers, Manchester United und Roter Stern Belgrad. 1970 scheiterte man gar erst im Viertelfinale an Feyenoord Rotterdam.

Trotz der sportlichen Erfolge waren die Zuschauermagneten in der Hauptstadt weiterhin Motor Oberschöneweide und der aus ihm hervorgegangene Klub Union Berlin sowie der aus dem SC Dynamo hervorgegangene BFC Dynamo.

Die "Delegierung" nach Frankfurt und das Ende der Blütezeit

Die berüchtigte Sympathie des Stasi-Chefs für den BFC sollte sich letztlich als folgenschwer für den Stadtkonkurrenten Vorwärts erweisen: Um den BFC zur Nummer eins in Berlin zu machen, musste Vorwärts wohl aus der Stadt verschwinden. Das lasse sich zwar heute mit keinem Dokument belegen, so Bertram, doch dass solche Erwägungen bei der sogenannten "Delegierung" nach Frankfurt (Oder) eine Rolle gespielt haben, dürfe als unbestreitbar gelten.

Autor Marco Bertram (l.) und Thorsten Beck, Trainer des Vorwärts-Nachfolgers 1. FC Frankfurt | Quelle: privat

Bertram führt allerdings noch einen Grund ins Feld: Das Quartier der NVA-Verwaltung saß in Strausberg - und die Stadt gehörte damals zum Bezirk Frankfurt. Als Teil der NVA-Armeesportvereigung "Vorwärts" habe es also durchaus Sinn gehabt, den erfolgreichen Fußballverein im Jahr 1971 in die Nähe des Trägers zu verlegen. "Es galt als saubere Sache", sagt Bertram. Außerdem habe sich die Stadt Frankfurt intensiv als neue Heimat für den Verein beworben.

Doch an die Erfolge der Berliner Epoche konnte der neue FC Vorwärts Frankfurt (heute 1. FC Frankfurt) nicht mehr anknüpfen.

Hinweis: Das Buch "Vorwärts Berlin / Frankfurt Oder - Fußballfibel" erschien im Frühjahr 2022 im Verlag Culturcon Medien (200 Seiten).

Sendung: rbb24 Inforadio, 05.01.2022, 13:15 Uhr

Beitrag von Shea Westhoff

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