Interview | Rechtswissenschaftler zu Kohle-Protesten
Das Klima-Bündnis "Ende Gelände" kündigt zivilen Ungehorsam bei seiner Lausitz-Aktion für den sofortigen Kohleausstieg am Wochenende an. Rechtswissenschaftler Lothar Knopp erklärt im Interview, wo die Grenzen für zivilen Ungehorsam liegen.
Lothar Knopp: Der Begriff geht in seinen Wurzeln auf die Antike zurück. Gemeint ist damit eine politische Betätigung eines Staatsbürgers, um die Öffentlichkeit bei bestimmten Aktionen mit zu beeinflussen, aber zugleich auch gegen Rechtsregeln zu verstoßen in dem Bewusstsein, dass diese Verstöße im Einzelfall auch mit Strafe geahndet werden können.
Antrieb für zivilen Ungehorsam ist, wenn ein Staatsbürger aus seinem Bewusstsein heraus gegen Unrechtsachverhalte vorgeht. Das heißt, er erhebt einen bestimmten moralischen Anspruch, dass er wiederum Unrecht begehen kann, um seinerseits vermeintliches oder tatsächliches Unrecht zu beseitigen.
Das kann man so einfach nicht sagen, der Begriff des zivilen Ungehorsams selbst ist nicht sanktioniert. Sanktioniert sind aber die jeweiligen Handlungen, die aus diesem Begriff resultieren. Und diese Handlungen sind teilweise gesetzlich reglementiert. Und so kommt es im Einzelfall, je nach dem, wie dieser zivile Ungehorsam ausgeübt wird, zu Rechtsverstößen.
Dabei ist es ein Unterschied, ob sich Handlungen gegen Sachen richten und es dabei zu Beschädigungen kommt. Oder ob sich Handlungen gegen Personen richten. Das heißt, der zivile Ungehorsam selbst ist nicht strafbar, aber die Handlungen, die in seinem Namen ausgeführt werden, sind im Einzelfall auf Rechtsverstöße zu prüfen. Diejenigen, die solch einen zivilen Ungehorsam ausüben, sind sich in der Regel auch dessen bewusst, dass sie durch diese Handlungen möglicherweise auch entsprechende Strafen erwarten müssen.
Wenn die versammlungsrechtlichen Regelungen eingehalten werden und die Demonstration friedlich verläuft, ist alles kein Problem. Wenn es aber dennoch zu aggressiven Handlungen Einzelner kommt, dann ist es jeweils individuell festzustellen, ob die Person diese Handlungen begangen hat. Das heißt, eine Kollektivhaftung gibt es nicht.
Das Interview führte Josefine Jahn. Dieser Artikel ist eine redigierte Fassung des Gesprächs.
Artikel im mobilen Angebot lesen