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Audio: Antenne Brandenburg | 08.06.2022 | Felicitas Montag | Quelle: Finizio

Festival-Klos aus Eberswalde

Wie menschlicher Kot zum Klimaschutz beitragen kann

In Eberswalde steht die deutschlandweit erste Pilotanlage, die aus den Inhalten von Trockentoiletten Humusdünger herstellt. 100 solcher Öko-Klos kommen auch beim Tempelhof Sounds Festival zum Einsatz. Von Felicitas Montag

Es wird geschraubt, gebohrt und geschliffen im Eberswalder Ortsteil Spechthausen (Barnim). In der Werkstatt des 2019 gegründeten Start-Ups "Finizio Future Sanitation" [www.finizio.de] entstehen rund 200 Öko-Klos, die im Sommer auf verschiedenen Festivals zum Einsatz kommen, erzählt Geschäftsführer Florian Augustin.

#Wiegehtesuns? | Selbstversorgerin aus der Uckermark

"Mir hat die Stadt nicht einen Tag gefehlt"

Die Preise steigen derzeit in nahezu allen Lebensbereichen – Ursula Macht bekommt davon kaum etwas mit. Auf ihrem Hof in der Uckermark versorgt sie sich fast vollkommen selbst. Für sie bedeutet diese Art zu leben Bereicherung – nicht Verzicht. Ein Gesprächsprotokoll.

Die Vorteile der Trockentoilette gegenüber herkömmlichen Dixis: sie kommen ohne Wasser und Chemie aus - und sind geruchsneutral: "In unseren Toiletten wird immer nachträglich oder vorträglich Urin getrennt, sodass Feststoffe und Flüssigstoffe möglichst separat voneinander gehalten werden. Ganz wichtig ist eben auch eine Einstreu, also man hat bei den Festivaltoiletten vor jeder Station so einen Sack mit Strohmehl. Da nimmt man sich immer ein Becherchen mit, wenn man das Großgeschäft vorhat und deckt damit seine Hinterlassenschaften ab."

Mikroorganismen erhitzen sich, Keime sterben ab

Aber nicht nur auf Festivals kommen die Trenntoiletten zum Einsatz, auch im öffentlichen Raum, in Gärten oder privaten Haushalten werden sie genutzt. Die darin gesammelten Inhalte werden anschließend in einer deutschlandweit bislang einmaligen Pilotanlage zu Humus aufbereitet. Dafür wird das Stroh-Kot Gemisch in geschlossenen Behältern zur Weiterverarbeitung in eine sogenannte Hygienisierungsanlage nach Eberwalde gebracht. In dem Container wird der Biomasse Sauerstoff zugesetzt, sodass die Mikroorganismen aktiv werden und das Gemisch zeitweise auf bis zu 75 Grad erhitzen, erklärt Augustin: "Wir müssen da nur 80 Watt an Lüftungstechnik einsetzen. Den Rest machen die Mikroorganismen. Die bringen das eben auf diese hohe Temperatur, bei denen Krankheitserreger im ersten Schritt abgetötet werden."

Kompost-Klo zum Einsatz auf Festivals oder im Garten | Quelle: Finizio

Kompostierung ist ein komplexer Prozess

Sieben Wochen später werden aus der keimbefreiten Masse längliche Komposthaufen geformt, denen Tonminerale, Pflanzenkohle und Grünschnitt beigemischt werden. Jetzt beginnt für Florian Augustin der spannendste Teil: die sauerstoffversorgte Kompostierung: "Bei der innerhalb von sechs bis acht Wochen aus diesen Feststoffen ein geruchsloser, krümeliger, tiefschwarzer Humusdünger hergestellt wird. Das ist ein sehr komplexer Prozess, bei dem die Biomasse in den ersten zehn Tagen jeden Tag umgewühlt werden muss."

Verarbeitung zu Dünger in Eberswalde | Quelle: Finizio

Recyclingdünger soll Beitrag zum Klimaschutz leisten

Der fertige Recycling-Dünger stellt für den 30-Jährigen eine klimafreundliche Alternative zu künstlichen Düngemitteln dar, unter anderem auch deshalb, weil bei der Herstellung weniger Energie benötigt werde. Außerdem könne der Humus, sobald er auf den Acker kommt, Kohlendioxid aus der Atmosphäre binden und die Böden besser vor Starkregen und Dürre schützen. Seit mehr als zehn Jahren beschäftigt sich Augustin mit der Wiederverwertung menschlicher Fäkalien: "Weil in unseren Ausscheidungen genau die Nährstoffe enthalten sind, die die Pflanze, die wir als Nahrung zu uns genommen haben, auch dem Boden entzogen hat." Diesen Nährstoffkreislauf möchte der Finizio-Geschäftsführer mit dem Humusdünger schließen.

Dünger aus menschlichen Ausscheidungen nicht zugelassen

Aber es gibt ein Problem: Recycling-Dünger, der aus den Inhalten von Trockentoiletten hergestellt wurde, ist in Deutschland und der Europäischen Union nicht zugelassen. Lediglich in der Schweiz darf seit ein paar Jahren flüssiger Recycling-Dünger aus Urin verkauft und aufs Feld gebracht werden [www.vuna.ch]. Bis die Gesetzeslage auch auf EU-Ebene angepasst wird, darf der Humusdünger nur für Feldversuche mit einer Sondergenehmigung genutzt werden. Getestet wurde er erstmalig vor zwei Jahren auf einem Acker in der Schorfheide (Barnim). Im vergangenen Jahr wurde der Roggen geerntet. Derzeit werden die Daten des Forschungsprojekts ausgewertet, die ersten Ergebnisse sollen im Herbst veröffentlicht werden. Doch bereits jetzt wird auf der Digital-Konferenz "re:publica" mit einem Messestand über das Projekt informiert.

Sendung: Antenne Brandenburg, 08.06.2022, 16:10 Uhr

Beitrag von Felicitas Montag

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