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Audio: Antenne Brandenburg | 19.10.2022 | Riccardo Wittig | Quelle: dpa/P.Pleul

Projekt aus der Uckermark

Wie Einwegprodukte aus Moor-Biomasse gegen Plastikmüll helfen könnten

Zwei Pioniere verarbeiten in einer Halle in der Uckermark pflanzliche Reststoffe zu Einwegprodukten. Nun wollen sie mit Biomasse aus Brandenburger Mooren arbeiten. Inzwischen halten sogar Naturschützer die Nutzung von Nassflächen für sinnvoll.

In der Werkhalle riecht es nach frischem Heu. Ein Stapler setzt gerade den letzten Ballen ab. Mitten im Raum stehen Eduardo Gordillo, Geschäftsführer der Firma Bio-Lutions, und sein Geschäftspartner Richard Hurding. Beide sind auf die Lieferung aus dem Moor gespannt. "Seggen, ein bisschen Heu drin, das kommt vom Nassgebiet", sagt Hurding.

Bisher haben die beiden Geschäftspartner in einem Forschungslabor in Schwedt (Uckermark) landwirtschaftliche Reststoffe – beispielsweise von Tomaten oder Weizen – zu Fasermaterialen und anschließend zu kompostierbaren Verpackungen und Einwegprodukten verarbeitet. Ihr Geschäftsmodel wurde im vergangenen Jahr mit dem Brandenburger Innovationspreis ausgezeichnet.

Kompostierbare Obstschalen

Nun wollen Gordillo und Hurding Biomasse aus Mooren verarbeiten. Dabei gehe es um die sogenannten Paludikulturen, also um die landwirtschaftliche Nutzung von Moorflächen, erklärt Hurding. Damit sollen sich Wiedervernässung, Klimaschutz und Landwirtschaft verbinden lassen. Denn meist sei eine Renaturierung der Agrarflächen schwierig, weil die Betriebe ihre Flächen weiter nutzen wollen.

"Hier haben wir unser Hauptprodukt, alle Fasern sind aus der Uckermark", sagt Hurding und hält eine Obstschale in der Hand. Die Produktion von Obstschalen in der Schwedter Halle soll demnächst anlaufen, so Hurding. Im Labor seien auch Platten für Innenverkleidungen und Möbelbau bereits entstanden.

Hurdings Geschäftspartner, der Kolumbianer Eduardo Gordillo, arbeitet seit 2013 an seiner nachhaltigen Idee: "Einfach Produkte ersetzen, die im Einwegbereich durch Plastik produziert werden", sagt er dem rbb. Mit den Bio-Fasern könne man nun viele – wenn auch nicht alle – dieser Produkte ersetzen. Die nächsten Bio-Verpackungen seien schon in der Entwicklung.

Das Unternehmen wandelt landwirtschaftliche Reststoffe rein mechanisch in selbstbindende und langlebige Naturfasern. Nach Angaben von Bio-Lutions macht das Verfahren den Einsatz von Bindemittelnoder chemischer Zelluloseisolation überflüssig.

Baustoffe, Papier und Pflanzenerde aus Moorpflanzen denkbar

Am Mittwoch wird auf einer Fachtagung in der Gemeinde Uckerfelde über die Nutzung von Moorflächen diskutiert. Geschäftsmann Gordillo freue sich darüber und möchte sich gern mit anderen Menschen austauschen, die an Moorprojekten arbeiten.

In der Uckermark gebe es bereits einige Flächen, die nass bewirtschaften würden, sagt Christina Grätz, Koordinatorin des Klimamoor-Projekts in Brandenburg. "Zum Beispiel im Uckertal gibt es Landwirte, die das schon machen und große Moormaschinen haben." Das seien aber nur noch Pioniere. "Die können aber zeigen, wie es funktioniert." Grätz wolle beweisen, dass die Bewirtschaftung des nassen Moors möglich ist. Mit Moorpflanzen könne man Baustoffe, Papier oder Pflanzenerde produzieren. Energie ließe sich damit auch erzeugen.

Moorfläche verschwinden

Die nachhaltige Flächennutzung ist auch deswegen sinnvoll, weil es den Mooren nicht gut geht: Die Moorflächen werden immer kleiner. Das Land Brandenburg hatte nach Angaben des Landesamts für Umwelt noch Anfang des 20. Jahrhunderts über 270.000 Hektar Moorfläche. Aktuelle Erhebungen weisen nur noch 166.000 Hektar aus. Davon weisen nur knapp 7.000 Hektar eine ausreichende Wasserversorgung für Moorwachstum auf.

Der Naturschutzbund (Nabu) spricht deswegen von "degradierten Moorböden". Den meisten Mooren sei das Wasser entzogen worden, um sie produktiv durch die Landwirtschaft nutzbar zu mache, teilte der Nabu mit. Diese Entwässerung sei gesellschaftlich gewollt, doch nun wisse man, dass dadurch große Mengen an Treibhausgasen in die Atmosphäre gelangen. Laut dem Brandenburger Umweltministerium geht es deutschlandweit um etwa 45 Millionen Tonnen Treibhausgase.

Landwirt benutzt seine Flächen für Energieerzeugung

Die Treibhausgas-Emissionen bereiten Landwirten wie Alexander Stephan aus Lützlow große Sorgen. Man stehe vor großen Herausforderungen und müsse deswegen die Rahmenbedingungen in den Mooren anpassen, sagt er. Stephan bewirtschaftet 300 Hektar Weide im Randowbruch, einem Niedermoorstandort, der längst zu trocken ist. Zu DDR-Zeiten wurde das Gebiet für die landwirtschaftliche Nutzung trockengelegt. Aktuell gehört das Randowbruch zu den größten Wiedervernässungsprojekten in Brandenburg.

Stephan hat bereits seinen Weg für mehr Klimaschutz gefunden: Er erzeugt mit der Biomasse schon seit Jahren eigenen Strom, wie er sagt. 150 Rinder grasen auf seinen Flächen, ein Teil der Wiesen erntet er für seine Biogasanlage. Der Landwirt könne sich vorstellen, auch Biomasse aus seinen Wiesen für die Herstellung von nachhaltigen Verpackungsmaterialien zu produzieren. "Wir müssen unsere Produktion so ausrichten, dass wir für unsere nächste Generation, für unsere Kinder, eine verünftige Zukunft herstellen", sagt er.

Sendung: Antenne Brandenburg, 19.10.2022

Mit Material von Riccardo Wittig und Juan F. Álvarez Moreno

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