Projekt aus der Uckermark - Wie Einwegprodukte aus Moor-Biomasse gegen Plastikmüll helfen könnten

Do 20.10.22 | 06:06 Uhr
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Symbolbild: Ein Bagger schaufelt in einem Moor in Brandenburg.(Quelle:dpa/P.Pleul)
Audio: Antenne Brandenburg | 19.10.2022 | Riccardo Wittig | Bild: dpa/P.Pleul

Zwei Pioniere verarbeiten in einer Halle in der Uckermark pflanzliche Reststoffe zu Einwegprodukten. Nun wollen sie mit Biomasse aus Brandenburger Mooren arbeiten. Inzwischen halten sogar Naturschützer die Nutzung von Nassflächen für sinnvoll.

In der Werkhalle riecht es nach frischem Heu. Ein Stapler setzt gerade den letzten Ballen ab. Mitten im Raum stehen Eduardo Gordillo, Geschäftsführer der Firma Bio-Lutions, und sein Geschäftspartner Richard Hurding. Beide sind auf die Lieferung aus dem Moor gespannt. "Seggen, ein bisschen Heu drin, das kommt vom Nassgebiet", sagt Hurding.

Bisher haben die beiden Geschäftspartner in einem Forschungslabor in Schwedt (Uckermark) landwirtschaftliche Reststoffe – beispielsweise von Tomaten oder Weizen – zu Fasermaterialen und anschließend zu kompostierbaren Verpackungen und Einwegprodukten verarbeitet. Ihr Geschäftsmodel wurde im vergangenen Jahr mit dem Brandenburger Innovationspreis ausgezeichnet.

Kompostierbare Obstschalen

Nun wollen Gordillo und Hurding Biomasse aus Mooren verarbeiten. Dabei gehe es um die sogenannten Paludikulturen, also um die landwirtschaftliche Nutzung von Moorflächen, erklärt Hurding. Damit sollen sich Wiedervernässung, Klimaschutz und Landwirtschaft verbinden lassen. Denn meist sei eine Renaturierung der Agrarflächen schwierig, weil die Betriebe ihre Flächen weiter nutzen wollen.

"Hier haben wir unser Hauptprodukt, alle Fasern sind aus der Uckermark", sagt Hurding und hält eine Obstschale in der Hand. Die Produktion von Obstschalen in der Schwedter Halle soll demnächst anlaufen, so Hurding. Im Labor seien auch Platten für Innenverkleidungen und Möbelbau bereits entstanden.

Hurdings Geschäftspartner, der Kolumbianer Eduardo Gordillo, arbeitet seit 2013 an seiner nachhaltigen Idee: "Einfach Produkte ersetzen, die im Einwegbereich durch Plastik produziert werden", sagt er dem rbb. Mit den Bio-Fasern könne man nun viele – wenn auch nicht alle – dieser Produkte ersetzen. Die nächsten Bio-Verpackungen seien schon in der Entwicklung.

Das Unternehmen wandelt landwirtschaftliche Reststoffe rein mechanisch in selbstbindende und langlebige Naturfasern. Nach Angaben von Bio-Lutions macht das Verfahren den Einsatz von Bindemittelnoder chemischer Zelluloseisolation überflüssig.

Baustoffe, Papier und Pflanzenerde aus Moorpflanzen denkbar

Am Mittwoch wird auf einer Fachtagung in der Gemeinde Uckerfelde über die Nutzung von Moorflächen diskutiert. Geschäftsmann Gordillo freue sich darüber und möchte sich gern mit anderen Menschen austauschen, die an Moorprojekten arbeiten.

In der Uckermark gebe es bereits einige Flächen, die nass bewirtschaften würden, sagt Christina Grätz, Koordinatorin des Klimamoor-Projekts in Brandenburg. "Zum Beispiel im Uckertal gibt es Landwirte, die das schon machen und große Moormaschinen haben." Das seien aber nur noch Pioniere. "Die können aber zeigen, wie es funktioniert." Grätz wolle beweisen, dass die Bewirtschaftung des nassen Moors möglich ist. Mit Moorpflanzen könne man Baustoffe, Papier oder Pflanzenerde produzieren. Energie ließe sich damit auch erzeugen.

Moorfläche verschwinden

Die nachhaltige Flächennutzung ist auch deswegen sinnvoll, weil es den Mooren nicht gut geht: Die Moorflächen werden immer kleiner. Das Land Brandenburg hatte nach Angaben des Landesamts für Umwelt noch Anfang des 20. Jahrhunderts über 270.000 Hektar Moorfläche. Aktuelle Erhebungen weisen nur noch 166.000 Hektar aus. Davon weisen nur knapp 7.000 Hektar eine ausreichende Wasserversorgung für Moorwachstum auf.

Der Naturschutzbund (Nabu) spricht deswegen von "degradierten Moorböden". Den meisten Mooren sei das Wasser entzogen worden, um sie produktiv durch die Landwirtschaft nutzbar zu mache, teilte der Nabu mit. Diese Entwässerung sei gesellschaftlich gewollt, doch nun wisse man, dass dadurch große Mengen an Treibhausgasen in die Atmosphäre gelangen. Laut dem Brandenburger Umweltministerium geht es deutschlandweit um etwa 45 Millionen Tonnen Treibhausgase.

Landwirt benutzt seine Flächen für Energieerzeugung

Die Treibhausgas-Emissionen bereiten Landwirten wie Alexander Stephan aus Lützlow große Sorgen. Man stehe vor großen Herausforderungen und müsse deswegen die Rahmenbedingungen in den Mooren anpassen, sagt er. Stephan bewirtschaftet 300 Hektar Weide im Randowbruch, einem Niedermoorstandort, der längst zu trocken ist. Zu DDR-Zeiten wurde das Gebiet für die landwirtschaftliche Nutzung trockengelegt. Aktuell gehört das Randowbruch zu den größten Wiedervernässungsprojekten in Brandenburg.

Stephan hat bereits seinen Weg für mehr Klimaschutz gefunden: Er erzeugt mit der Biomasse schon seit Jahren eigenen Strom, wie er sagt. 150 Rinder grasen auf seinen Flächen, ein Teil der Wiesen erntet er für seine Biogasanlage. Der Landwirt könne sich vorstellen, auch Biomasse aus seinen Wiesen für die Herstellung von nachhaltigen Verpackungsmaterialien zu produzieren. "Wir müssen unsere Produktion so ausrichten, dass wir für unsere nächste Generation, für unsere Kinder, eine verünftige Zukunft herstellen", sagt er.

Sendung: Antenne Brandenburg, 19.10.2022

Mit Material von Riccardo Wittig und Juan F. Álvarez Moreno

10 Kommentare

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  1. 10.

    Ganz so einfach ist die Sachlage dann leider doch nicht. Plastik hat durchaus Vorteile in manchen Anwendungen und daher schon eine Daseinsberechtigung. Mit den richtigen Methoden steht es auch in der Gesamtenergiebilanz und der Wiederverwertbarkeit Glas in nichts nach oder schneidet sogar besser ab. Im Bereich der Hygiene, namentlich der medizinischen oder pflegerischen Anwendung, ist Plastik unübertroffen und faktisch nicht ersetzbar. Der wesentliche Nachteil von Plastik besteht aus zwei Punkten. Erstens der schlechten Umweltbilanz, weil es meist aus Erdöl hergestellt wird. Dafür gibt es längst Ersatz, der aber eben etwas teurer ist. Das Endprodukt "Bioplastik" unterscheidet sich chemisch und physikalisch aber nicht vom Original. Zweitens ist es die derzeit miserable Wiederverwendungsquote, da bislang sortenrein recycelt werden muss. Auch hier gibt es ein neues Verfahren, welches dieses Problem umgeht. Es liegt auch am Verbraucher, sorgsam mit Ressourcen umzugehen.

  2. 9.

    Ich bezweifle stark, dass ein bewirtschaftetes Moor zusätzliches CO2 speichern kann. Dafür müsste es ja zusätzliche Biomasse einlagern, die hier aber entnommen wird. Das ganze ist ohne Frage CO2-neutral, was gut ist, aber nicht CO2-speichernd. Lediglich die eingelagerte Biomasse kann durch das Weiterbestehen des Moores kein CO2 mehr abgeben, da dieser Kohlenstoff weiterhin gebunden bleibt und natürlich bleibt auch die ökologische Nische für die Natur erhalten.
    Bio-Plastik lässt sich im Grunde aus jeglichem Material herstellen, welches genug Kohlenstoff in sich gebunden hat. Neben Erdöl können das auch Pflanzenreste sein. Man muss nur den Kohlenstoff etwas aufwändiger extrahieren. Aber diese Verfahren gibt es schon recht lange.

  3. 8.

    "So viel russisches Erdöl steckt in unserem Plastik" - diesen Beitrag gibt's auf utopia.de. Es steckt reichlich russ.Öl in unseren Plastiksachen. Und Kommentar Nr.5 von Interstellar ist da sehr hilfreich.

  4. 6.

    Wie hoch ist der Plastikanteil aus russischem Erdöl in Deutschland?

  5. 5.

    Ich brauche kein Obst in der Obstschale, egal aus welchem "Plastik" die Verpackung ist..Tee und Nüsse und Gewürze und Joghurt im Mehrwegglas...das ginge sicherlich auch mit Käse.
    Wozu mit viel Energie aufwändig etwas produzieren , nur um es danach wegzuschmeißen? Mehrwegboxen usw. wären je nach Haltbarkeit etwas anderes...

  6. 4.

    Das klingt SUPER!!!
    So weit ich meine gelesen zu haben sind Moore ja auch CO²-Speicher.
    Durch die "nasse Bewirtschaftung" blieben diese erhalten und würden so ZUSÄTZLICH noch für Faser-Stoffe genutzt.
    Also ein doppelter Mehrwert.

  7. 2.

    Aus Brandenburger Mooren ?
    Sollten die nicht Wasser speichern ?
    Sollen dort jetzt unumkehrbare Tatsachen geschaffen werden ?
    Hat der letzte Endkampf begonnen ?
    Kämpft jetzt Bio gegen Öko ?

  8. 1.

    Alles, was Plastik aus russischem Erdöl ersetzen kann, sollte gefördert werden. Die Umwelt und die Stadtreinigungen werden es danken.

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