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Quelle: dpa/Peter Klaunzer

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Verdacht auf Tierquälerei durch Brandenburger Russland-Transporte

Rinderexporte sind nur möglich, wenn auf den Transport-Routen betriebsbereite Versorgungsstationen vorhanden sind. Doch genau die fehlen in Russland. Brandenburger Behörden stehen im Verdacht, dennoch Transporte durch Russland genehmigt zu haben. Von Stefanie Groth und Kaveh Kooroshy

Der Juristenverein "Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutz e.V." (DJGT) hat nach Informationen von rbb24-Recherche und dem ARD-Mittagsmagazin Anzeige gegen drei Brandenburger Veterinärämter in fünf Fällen erstattet. Wie bereits die Tierschutzorganisation "Vier Pfoten" zuvor, werfen die Richter und Anwälte den Veterinärämtern "Beihilfe zur
Tierquälerei" vor, weil zum Zeitpunkt der Genehmigung der Transporte absehbar gewesen sei, dass die Tiere auf der Fahrt nicht angemessen versorgt werden konnten. Zwei der angezeigten Transporte gingen von Teltow-Fläming und der Prignitz über Russland nach Usbekistan.

Rinder konnten gar nicht abgeladen werden

Die Stellvertretende Vorsitzende des DJGT, Barbara Felde, wirft Brandenburger Amts-Tierärzten die Beihilfe zur Tierquälerei aus folgenden Gründen vor: "Es ist eindeutig belegt und von russischen Behörden im April 2020 auch bestätigt, dass es keine entsprechenden Versorgungsstationen gibt oder nur solche, die absolut in desolatem Zustand sind, so dass die Rinder nicht abgeladen werden können." Trotzdem seien Transporte durch Brandenburger Amtstierärzte genehmigt worden. Diese hätten vorher prüfen müssen, ob die Transporte tierschutzgerecht möglich gewesen seien. Da das erkennbar nicht der Fall gewesen sei, sei aus ihrer Sicht eine Straftat anzunehmen.

Welche Versorgungsstationen haben die Exporteure also für die Route durch Russland angegeben und warum haben die Behörden diese als ausreichend akzeptiert? Von Seiten der Veterinärämter heißt es lediglich, rechtliche Vorgaben seien bindend und danach verfahre man auch. Vor allem ein Transport vom 16. April 2020 von Teltow-Fläming nach Usbekistan steht in der Kritik. Denn mehr oder weniger zum selben Zeitpunkt ist die Mitteilung russischer Behörden im Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) angekommen.

Staatsanwaltschaft ermittelt

Brandenburgs Verbraucherministerium erklärte, man habe aufgrund der "Mitteilung des BMEL (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft), dass es in Russland derzeit keine betriebsbereiten Versorgungsstellen gibt", den zuständigen Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämtern am 20. April mitgeteilt, "dass auf Grundlage dieser Aussage der Bundesbehörde Tiertransporte nach der VO (EG) Nr.1 2005 demzufolge nicht möglich sind". Das heißt im Klartext: Eigentlich gilt spätestens seit dem 20. April in Brandenburg ein
Exportstopp für Transporte nach oder durch Russland. Der Juristenverein "Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutz e.V." (DJGT) stellt jedoch auch in Frage, ob von Transporten, die vor dem 20. April genehmigt waren, wirklich geeignete Versorgungsstationen in Russland angefahren werden konnten. Schließlich seien die Stationen vermutlich schon früher nicht betriebsbereit gewesen. Nun prüfen die Staatsanwaltschaften in Potsdam, Neuruppin und Cottbus, ob ein Anfangsverdacht für eine Straftat vorliegt. Dort sind Anzeigen verschiedener Organisationen gegen die Veterinärämter eingegangen.

Dass es vier Tage zuvor, als der Export von Teltow-Fläming nach Usbekistan genehmigt wurde, entsprechende Versorgungsstationen in Russland gegeben haben soll, zieht die "Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutz e.V." in Zweifel. Der Bericht der amtlichen Tierärzt*innen aus September 2019 habe ergeben, "dass an Orten, die schon seit Jahrzehnten von den Transporteuren als Versorgungsstation angegeben werden, entweder ein Verwaltungsgebäude (...) oder ein Heuhaufen, oder eine heruntergekommene Halle ist." Dort könnten natürlich keine 60 Rinder abgeladen werden, so Barbara Felde von der DJGT.

Vorwurf: Auch nach dem Export-Stopp noch Transporte

Die Tierschutzorganisation erhebt nun den Vorwurf, dass es selbst nach dem Exportstopp weiterhin zur Abfertigung von Transporten über Russland nach Usbekistan gekommen sei: "Es wird weiterhin abgefertigt. Wir stützen unsere Aussage auf mehrere Informanten, die allesamt Einblick in die sogenannte TRACES-Datenbank haben und daraus Infos ziehen, wo welcher Transport mit wie vielen Tieren abgefertigt wurde." In der TRACES-Datenbank werden grenzüberschreitende Bewegungen der Rinder detailliert erfasst, darunter auch die Planung der Transporte im Genehmigungsantrag.

Das Verbraucherschutzministerium in Potsdam erklärte auf Anfrage, man habe mit einem Erlass am 13. März noch einmal die Weisung erteilt, bei langen Tiertransporten eine Plausibilitätsprüfung vorzunehmen. Damit sei aber kein explizites Exportverbot für Russland ausgesprochen worden, "da die Mitgliedstaaten der EU nicht berechtigt sind, ein solches Verbot zu erlassen. Vielmehr muss jeder Transport auf Einhaltung der Vorschriften überprüft werden." Die Verantwortung für diese Prüfung tragen die Amtstierärzte.

Ob dann nach dem 20. April noch Transporte über Russland abgefertigt worden seien, weiß man im Ministerium nicht. In der Antwort auf die rbb-Anfrage heißt es: "Das ist Gegenstand einer laufenden Abfrage bei den Veterinärämtern nach der Benennung der Bestimmungsorte."

Brandenburger Ministerin fordert bundeseinheitliche Regelung

Für die Grünen in Brandenburg, die als Oppositionspartei noch den Stopp der Tiertransporte gefordert hatten und die jetzt in Regierungsverantwortung stehen, sind die Vorwürfe brisant. Denn entweder will oder kann Verbraucherschutzministerin Ursula Nonnemacher die Transporte nicht verhindern.

Als Reaktion auf die Recherchen des ARD-Mittagsmagazins und des rbb veröffentlichte das Ministerium eine Pressemitteilung. Darin heißt es, man nehme die Vorwürfe sehr ernst: "Wir setzen auf eine schnellstmögliche bundeseinheitliche Lösung. Mit Schuldzuweisungen und Spaltungen innerhalb eines Rechtsstaats kommen wir nicht weiter. Wenn andere Bundesländer ihre Zuchtrinder über Brandenburg abfertigen lassen, liegt es auf der Hand, einheitlich vorzugehen."

Sendung: Inforadio, 17.07.2020, 17:20 Uhr

Beitrag von Stefanie Groth und Kaveh Kooroshy

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