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Audio: rbb24 Inforadio | 20.07.2022 | Anna Corves | Quelle: dpa/A. Schuler

Gestiegene Baukosten und Materialmangel

Immer mehr Bauprojekte werden gestoppt

Bauherren brauchen aktuell starke Nerven und vor allem gute Rücklagen. Die Preise auf dem Bau schnellen wegen Materialengpässen deutlich in die Höhe. Viele Bauprojekte werden gestoppt - mit drastischen Folgen für den Wohnungsbau. Von Anna Corves

Immer mehr Bauprojekte werden gestoppt. Die Stornoquote kletterte im Juni auf ein Rekordniveau. Das zeigen Zahlen aus der jüngsten Konjunkturumfrage des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts ifo, für die mehr als 900 Bauunternehmen aus ganz Deutschland befragt worden sind.

10,4 Prozent der befragten Firmen gaben in der Umfrage an, bereits von Stornierungen betroffen zu sein. Einen derart hohen Wert habe er so noch nicht beobachten können, betont Klaus Wohlrabe, der die ifo-Konjunkturumfrage leitet. "Seit Anfang der 1990er Jahre lag die Stornoquote nie über ein bis zwei Prozent." Lediglich im Frühjahr 2020 habe es im Zuge des ersten Corona-Schocks einen ähnlichen Ausschlag gegeben. Besonders viele Stornierungen gebe es derzeit im Bereich des Wohnungsneubaus.

Auch in Berlin und Brandenburg seien zuletzt viele Projekte gestoppt worden, bestätigt auf Nachfrage des rbb Manja Schreiner von der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg. Genaue Zahlen lägen zwar noch nicht vor, aber auch ihre Mitgliedsunternehmen berichten, dass viele private und auch öffentliche Bauherren ihre Pläne aktuell ad acta legen - zumindest wenn sich die Bauvorhaben noch in der Planungsphase befänden. "Wurde bereits mit dem Bau begonnen, ist die Devise oftmals: Augen zu und durch." Denn nichts sei schlimmer, als einen bereits begonnenen Bau abzubrechen. Dann sei das investierte Geld komplett verloren.

Preissteigerungen belasten Bauherren und Baufirmen

Privaten Hausbauern machen besonders die deutlich gestiegenen Baukreditzinsen zu schaffen. Hinzu kämen Unsicherheiten bei der staatlichen Förderung, sagt Ilona Klein vom Zentralverband Bau. Auch dessen Mitgliedsunternehmen berichteten zuletzt vermehrt von gestrichenen Bauprojekten, auch von gewerblichen Auftraggebern, so Klein: "Es ist klar, dass Unternehmen nicht in die Erweiterung von Produktionsstätten investieren wollen oder können, wenn sie nicht wissen, ob sie im Winter genug Gas haben, um ihre Produktion überhaupt noch aufrechtzuerhalten."

Ein massiver Belastungsfaktor für Bauprojekte sind zudem die stark gestiegenen Baukosten. Daran schuld sind unter anderem zum Teil extreme Preissteigerungen für Baumaterialien wie Baustahl oder Dämmstoffe.

Gerade ihre vollen Auftragsbücher - eigentlich ein Grund zur Freude für jeden Unternehmer - könnten für kleine und mittelständische Handwerksfirmen nun fast schon zu einem Problem werden, sagt Manja Schreiner von der Fachgemeinschaft Bau Berlin Brandenburg. "Denn die Preise, zu denen sie sich vertraglich verpflichtet haben, können sie kaum halten, die Kalkulation stimmt nicht mehr."

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Wohnungsunternehmen zweifeln an Neubauprojekten

Grund für die Verteuerung der Baumaterialien seien die allseits bekannten Lieferengpässe. "Den absoluten Höchstwert hatten wir im Mai, da hat uns jedes zweite Unternehmen von Problemen bei der Beschaffung von Baumaterialien berichtet", sagt ifo-Experte Klaus Wohlrabe. "Gegenwärtig sind wir bei 44 Prozent – das sind weniger, aber es ist ein immer noch sehr hoher Wert." Die befragten Bauunternehmen gehen davon aus, dass sich die Lage bei der Materialbeschaffung erst in etwa neun Monaten entspannen wird.

Bis dahin wird sich die Situation insbesondere im Wohnungsneubau möglicherweise zuspitzen. Eine Umfrage unter den Mitgliedern des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) offenbarte zuletzt den Wunsch vieler Mitglieder, die Reißleine zu ziehen: Die Unternehmen möchten knapp jedes fünfte Neubauprojekt nach Möglichkeit nicht mehr umsetzen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 20.07.2022, 18:50 Uhr

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Beitrag von Anna Corves

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