Interview | Daniel Zimmermann vom Mieterbund - "Ich denke, die Inflation ist eigentlich nicht der Grund für die Mieterhöhungen"

Do 02.06.22 | 14:31 Uhr
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Symbolbild: Im Auftrag des Immobilienkonzerns Vonovia wird gebaut. (Quelle: imago images/R. Oberhäuser)
Audio: Interview mit Daniel Zimmermann | Radioeins | 01.06.2022 | Bild: imago images/R. Oberhäuser

Der Immobilienkonzern Vonovia will die Mieten erhöhen - wegen der hohen Inflation, heißt es. Daniel Zimmermann vom Mieterbund vermutet andere Gründe. Gleichzeitig warnt er, dass Mieter auch auf anderem Weg hohe Kosten erreichen könnten.

Deutschlands größter Immobilienkonzern, Vonovia, kündigt deutliche Mieterhöhungen an. Das sei bei der anhaltend hohen Inflation unausweichlich, heißt es. Erhöhungen könnten in Berlin viele Mieterinnen und Mieter treffen, denn Vonovia besitzt hier nach eigenen Angaben rund 42.000 Wohnungen. Das Unternehmen könnte nicht der einzige Vermieter bleiben, der mit dieser Begründung etwaige Preissteigerungen weitergeben will.

Im Interview spricht Daniel Zimmermann vom Deutschen Mieterbund darüber, warum er auch andere Gründe für die Ankündigung der Vonovia vermutet - und wie es für Mieter und Vermieter abseits dieses Falls aussieht.

Zur Person

Daniel Zimmermann ist Koordinator "Große Wohnungsunternehmen" beim Deutschen Mieterbund, Landesverband Nordrhein-Westfalen.

rbb: Die Vonovia ist eine Aktiengesellschaft mit einem für 2021 ausgewiesenen Gewinn von 1,6 Milliarden Euro. Muss ein Konzern wie dieser wirklich die Inflation an seine Mieterinnen und Mieter weitergeben, um selbst nicht in Schwierigkeiten zu kommen, wie der Konzern sagt?

Daniel Zimmermann: Ich denke, die Inflation ist eigentlich nicht der Grund. Ich sehe den Grund für diesen Vorstoß darin, dass das gesamte Geschäftsmodell im Moment in der Krise ist. Hohe Inflation und hohe oder steigende Kapitalmarktzinsen machen Investition in den Wohnimmobilienbereich unattraktiver. Und jetzt will man gucken, was man Investoren anbieten kann. Dass man sagt: Wir können mitziehen mit der Inflation und machen uns attraktiver.

Es gibt auch die normalen Vermieterinnen und Vermieter, die vielleicht ein oder zwei Wohnungen haben, die sie vermieten. Könnten die durch die Inflation in Schwierigkeiten kommen?

Ja, das kann im Einzelfall natürlich sein. Das hängt davon ab, welche Kosten am Haus entstehen, wie hoch die laufenden Kosten sind und ob die nicht schon auf die Mieter umgelegt wurden. Ein größerer Teil der Betriebskosten ist umlagefähig. Wenn zum Beispiel Instandhaltungskosten teurer werden, kann das einzelne Vermieter in Bedrängnis bringen. Das ist klar.

Dürfen Vermieterinnen und Vermieter dann die Inflation auf die Miete aufrechnen? Es gelten doch weiterhin die Kappungsgrenze und die Orientierung am Mietspiegel.

Genau, die Begründung steigende Inflation reicht nicht aus für eine Mieterhöhung. Außer man hat einen sogenannten Index-Mietvertrag, der sich genau an die Inflation anlehnt. Und das ist auch genau das, was jetzt Vonovia und Co. in nächster Zeit vermehrt machen werden. Die werden Index-Mietverträge abschließen und die Inflation direkt durchreichen.

Kann man sich dagegen wehren?

In bestehenden Mietverträgen sollte man sich auf jeden Fall beraten lassen, wenn eine Mieterhöhung kommt. Wenn der Vermieter bei neuen Verträgen auf einen Index-Mietvertrag besteht, dann hängt das natürlich ganz stark davon ab, wie angespannt der Wohnungsmarkt ist. Bin ich auf die Wohnung angewiesen oder nicht? Und da wird es sicherlich viele Mietern und Mieter geben, die nicht Nein sagen können und das dann abschließen müssen.

Ich finde das auch entlarvend. Lange hat man gehört: Wir sind die Lösung, wir bauen - und jetzt ändert sich mal das Umfeld, und dann ist sofort Schluss.

Steigende Energiekosten kann man über die Nebenkostenabrechnung auf die Miete umlegen. Worauf müssen sich die Mieterinnen und Mieter im kommenden Jahr einstellen?

Das hängt sehr stark davon ab, was für ein Heizsystem man hat. Vonovia beispielsweise sagt, man könne damit rechnen, dass das noch mal zwei, drei Monatsmieten sind, die da zusätzlich als Nachzahlung kommen. Man geht schon davon aus, dass sich die Zahlungen in einem sehr hohen Bereich bewegen, die sicherlich für viele Mieterinnen und Mieter nicht auf einmal zu bezahlen sind. Und das ist natürlich ein Problem, das auf viele Leute zukommt.

Wir raten als Mieterbund, sich auch jetzt schon Gedanken zu machen, ob man Geld zurücklegen kann. Das ist sicherlich für viele Menschen nicht möglich. Aber wer das kann, sollte das sicherheitshalber tun. Und es gilt immer wieder: Heiz- und Betriebskostenabrechnungen sollte man prüfen lassen. Oft sind da Kosten drin, die nicht gerechtfertigt sind. Man sollte schauen, ob die Höhe so korrekt ist.

Vonovia hat angekündigt, Investitionen zurückzufahren. Das kann man auf einem angespanntem Wohnungsmarkt nicht gebrauchen, oder?

Ich denke, die Ansage aus der Wohnungswirtschaft war klar: Jetzt wird Neubau auf Eis gelegt, zumindest zum Teil. Ich finde das auch entlarvend. Lange hat man gehört: Wir sind die Lösung, wir bauen - und jetzt ändert sich mal das Umfeld, und dann ist sofort Schluss. Ich glaube, für die Zukunft braucht es vor allen Dingen gemeinnützige Akteure, die auch dann bauen, wenn der Kapitalmarkt gerade mal nicht so rosig aussieht. Das wäre dann eine Perspektive auch für dauerhaft bezahlbaren Wohnraum.

Dieses Interview führten Frauke Oppenberg und Max Spallek für Radioeins. Dieser Text ist eine gekürzte und redigierte Version des Gesprächs, das sie oben im Beitrag als Audio hören können.

Sendung: Radioeins, 01.06.2022, 15:20 Uhr

18 Kommentare

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  1. 18.

    Und damit möchten Sie genau was rechtfertigen ?

    Ich frage mich, ähnlich eines Vorposters, was die Motive einiger - hier vehement die asozialen Praktiken der Vonovia verteidigenden - Kommentatoren ist.

  2. 17.

    Sehr geehrter Herr Thomasius,
    in diesem Artikel geht es nicht um kleine Vermieter sondern um einen Konzern. Warum fühlen Sie sich angegriffen? Niemand will Ihnen etwas wegnehmen.
    Oder sind Sie etwa neidisch, weil ich wegen meiner Krankheit nicht arbeiten kann und deshalb Unterstützung vom Staat bekomme? Ich schenke Ihnen gerne meine Schmerzen und gehe arbeiten. Ihre Wohnungen können Sie behalten, die will ich gar nicht haben.

  3. 16.

    Warum soll Rentner A aus Wedding auf seine Verzinsung verzichten?

    Nur damit Mieter B in Kreuzberg weniger Miete zahlt?

  4. 15.

    „Was wiederum auch verständlich ist, da Verzicht keine menschliche Stärke ist.“

    Zustimmung, links ist da nicht ausgenommen.

  5. 14.

    Ihre Geschichte kann man glauben, muss man aber nicht.

    Vielleicht ziehen ja auch Mieter durch falsche Müllablagerungen „Riesenratten“ an oder sind für den Schimmel selbst verantwortlich, kann auch sein.

    Bei vielen Mietern wundert mich nichts.

    Die Mängel selbst haben übrigens mit dem Mieterhöhungsverlangen nichts zu tun, es sind zwei verschiedene Anspruchsgrundlagen.

  6. 13.

    Die Lösung des Problems ist, diese Mieter verzichten auf die Verzinsung ihrer Lebensversicherung und zahlen eine geringe Miete.

  7. 12.

    Kann sicher vorkommen und zeigt, dass dieses System für die Mehrheit der Menschen keinen Vorteil bringt. Um das nicht zu hinterfragen, muss man wohl zur verbleibenden Mindeheit gehören. Was wiederum auch verständlich ist, da Verzicht keine menschliche Stärke ist.

  8. 11.

    Wenn es keine Vermieter mehr gibt, gibt es auch keine Mietwohnung mehr.
    Bitte nicht vergessen, dass viele Lebensversicherungen die Gelder in Immobilien oder Anteile von Immobilienunternehmen angelegt haben. Diese Anteilseigner verlangen natürlich für ihre Kunden eine ordentliche Rendite, denn die Versicherung muß zwischen 2 und 4% Zinsen zahlen. Nun kann es vorkommen, dass Mieter eine Lebensversicherung haben, die das Geld bei ihrem Vermieter anlegt.

  9. 10.

    Die Vonovia, zwingt viele Mieter vor Gericht( z.B .in Hannover,Mühlenberg)die wegen extremen Wohnungsmängeln, nur bedingt einer Mieterhöhung zu stimmen. Sie werden vor Gericht genötigt und gezwungen, voll zu zu stimmen. Obwohl das Dach seit Jahren undicht ist und der Schimmel immer wieder durch kommt . Dann überall im Hausflur Ameisen immer wieder im Sommer durchkommen. Riesenratten überall . Aber Miete erhöhen, das können sie immer wieder super. Richter und Anwälte machen auch alle mit.

  10. 9.

    Da Vonovia bisher offenbar nicht begründet, warum Inflationsrate und Miete direkt zusammenhängen bei gleichzeitig weiterhin hohen und steigenden Gewinnen ... wie soll man derart Substanzloses näher kommentieren?

  11. 8.

    Na Wohnungen zu bauen hat Vonovia dem Interview zufolge schonmal abgekündigt. Und damit mal der Glaubwürdigkeit der privaten Wohnungswirtschaft in Punkto "Bauen, bauen, bauen" geschadet. (Bei wem auch immer die noch vorhanden ist)

  12. 7.

    Natürlich sorgt die Inflation irgendwann dafür, dass auch Mieten steigen müssen.

    Ein Mietobjekt verursacht laufende Kosten und nicht alle können über die Nebenkosten auf die Mieter umgelegt werden. Also muss man letztendlich irgendwann die Miete erhöhen, wenn durch die Inflation die Preise steigen.

  13. 6.

    Warum werden ÖPNV nutzende denn entlastet, obwohl deren Preise gar nicht gestiegen sind? Verteilung ist eine Art Diebstahl wenn es nicht freiwillig passiert und das tut es nicht. Ich komme aus einer Arbeiterfamilie ohne Mutter. Ich habe kein Aitur und kein Studium und es trotzdem geschafft 2 Wohnungen zur Altersvorsorge zu erarbeiten und jetzt kommen ständig Typen an die den Allerwertesten nicht hoch bekommen und verlangen dass ich zu teilen habe. Wozu soll man sich denn noch anstrengen, wenn einem alles erreichte für andere weggenommen wird. Wenn ich das hinbekommen habe, warum dann ihr nicht. Irgendetwas macht ihr falsch oder habt nicht die Muße, weil es im Mieterparadies D. so bequem ist, weil nämlich andere dafür haften müssen.
    Ich finde es sollte eine Baupflicht für Mieter geben. Gar keine Mietwohnungen mehr. Ihr könnt nur froh sein, dass Immobilien IM-mobil sind, sonst würden die meisten Berliner längst unter der Brücke schlafen.

  14. 5.

    Der Lobbyist vom Deutschen Mieterbund muss eigentlich wissen, dass es aktuell keinen qualifizierten Mietspiegel in Berlin gibt. Der Berliner Mietspiegel ist kein qualifizierter Mietspiegel, weil er rechtswidrig ist und gegen § 558 d Abs. 2 Satz 3 BGB verstößt. Ein qualifizierter Mietspiegel, der gem. § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB zwei Jahre gilt, darf gem. § 558 Abs. 2 Satz 2 BGB nur einmal fortgeschrieben werden. Nach vier Jahren ist ein qualifizierter Mietspiegel gem. § 558 Abs. 2 Satz 3 BGB neu zu erstellen, eine zweimalige Fortschreibung ist unzulässig.
    Ich kann mich also gar nicht am Mietspiegel in Berlin orientieren, weil es keinen qualifizierten Mietspiegel gibt!

  15. 4.

    Wir haben schwere wirtschaftliche Verhältnisse, besonders für Menschen mit geringem Einkommen. Dass die Nebenkosten steigen, wegen teurer Heizung und Energie ist das eine. Dass aber ein Großvermieter nun auch noch die Grundmiete, sprich die Kaltmiete, aus reiner Profitstreberei hochschrauben will, ist wirklich unverschämt. Solche Machenschaften werden dafür sorgen, dass die Gesellschaft immer weiter auseinander bricht. Wenn Menschen soweit finanziell ausgeplündert werden, dass sie trotz Arbeit ihr Leben nicht mehr bezahlen können, dann geht der soziale Zusammenhalt endgültig kaputt. Die Radikalen und Extremisten werden sich freuen - und wahrscheinlich versuchen, diese Seelen einzufangen. Da muss sich niemand mehr wundern. Für viele geht es inzwischen um die nackte Existenz. Wer da noch mehr Profit auspressen will, der tritt Leute, die finanziell am Boden liegen, nochmals kräftig mit den Füßen. Eine schlimme Entwicklung.

  16. 3.

    Natürlich werden aus Krisen immer wieder Neureiche hervortreten, manch einer verdient sich dumm und dämlich. Aktionäre hoffen auf hohe Dividenden. Was kümmert uns das Elend der Armen, alle selbst schuld. Ein Minister bekommt ein 300,00 Euro Energiegeld, warum eigentlich? Warum werden in dieser Krise tatsächlich Reiche entlastet und andere fallen durch das Netz? Das ist eine unsoziale Politik, eine Fehlverteilung, wie haben ein riesiges Verteilungproblem. Herr Merz verdient kräftig mit, Vonovia und Blackrock lassen grüßen.

  17. 2.

    Echt jetzt? Von einem Interview mit einem Lobbyisten vom Deutschen Mieterbund hätte ich mehr erwartet als Vermutungen & Glaube - Verschwörungstheorien sind ja aktuell in Mode, aber wie wäre es, wenn man hier sich mal Fakten besorgt statt einen Interessensvertreter zu interviewen. Objektiver Journalismus wäre ja auch mal ganz schön.

  18. 1.

    Was macht "unsere Gesellschaft", wenn all die "bösen" Investoren ihr Geld anderweitig anlegen und keine Wohnungen mehr bauen?
    Die, die jetzt kein Geld für ein "eigenes Heim" haben, werden es auch in Zukunft nicht haben!

    Woher nimmt der Staat dann das Kapital, um Wohnungen zu errichten oder dauerhaft zu erhalten?
    Und das bei staatlicherseits immer höheren Anforderungen an energiesparendes, ökologisches, CO²-einsparendes Bauen bei gleichzeitig niedrig zu haltenden Mieten und gerechter Entlohnung der Handwerker?

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