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Video: rbb24 | 04.07.2022 | Laurence Thio, Arndt Breitfeld | Quelle: dpa/T. Frey

Gestörte Lieferketten und Nachzahlungen

So schwierig ist der Weg aus der Gaskrise

Der Winter kommt - und mit ihm die Auswirkungen der Energiekrise. Unabhängiger vom Gas werden, ist da der erste Gedanke. Aber selbst wer das Geld für eine alternative Heizanlage hat, kann das Vorhaben derzeit kaum realisieren. Von Hasan Gökkaya

Der Sommer ist da, doch wegen der Unsicherheiten um die Energiekrise richtet sich der Blick längst auf den Winter. Experten prognostizieren steigende Kosten, weil auch für die Versorger der Einkauf von Strom und Gas teurer wird. Angesichts des Ukraine-Kriegs und der gedrosselten Gaslieferungen aus Russland ist es gut möglich, dass die Menschen in Brandenburg und Berlin bereits im kommenden Winter die ersten Auswirkungen spüren werden.

Konkret ist mit Nachzahlungen zu rechnen, schon zu Beginn der Heizperiode möglicherweise mit einer etwas niedrigeren Raumtemperatur in Wohnungen. Hinzukommt: Selbst wer vorhat, in eine kostengünstigere Zukunft zu investieren, etwa durch technische Maßnahmen, wird aufgrund von gestörten Lieferketten nicht belohnt.

Es gibt "schwarze Schafe" unter Versorgern

Die Verbraucherzentralen in Berlin und Brandenburg geben auf Nachfrage von rbb|24 an, dass sie eine zunehmende Unsicherheit unter den Menschen in der Region feststellen. Vor allem erreichen sie Anfragen von Verbrauchern, ob die Gasversorger die Preise erhöhen dürfen und ob es klug ist, jetzt die Abschläge vorsorglich zu erhöhen.

Fakt ist: Die Gasversorger dürfen die Preise erhöhen. Denn die Beschaffungskosten sind für sie ja ebenfalls gestiegen. Hasibe Dündar von der Verbraucherzentrale Berlin warnt aber vor "schwarzen Schafen" unter den Versorgern. Ihr seien zwei Fälle bekannt, in denen Gasversorger unverhältnismäßige Preissteigerungen vorgenommen hätten, sagt sie im Gespräch mit rbb|24. "Außerdem waren die Preiserhöhungsmitteilungen an die Kunden nicht transparent genug. So eine Mitteilung muss klar formuliert sein, und sie muss mindestens vier Wochen vorher zugestellt werden, damit Kundinnen und Kunden genug Zeit haben, um von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch zu machen.

Was die Abschläge angeht, hat die Energieberaterin eine klare Meinung: Leben weiterhin gleich viele Personen im Haushalt, hat sie sich der Verbrauch nicht erhöht und ist keine Preiserhöhungsmitteilung eingegangen, "dann sehe ich keine Vorteile für eine freiwillige Abschlagserhöhung. Eher gibt es das Risiko, etwa auf insolvente Versorger zu treffen. Das zu viel gezahlte Geld wäre dann zunächst einmal weg." Dündar denkt: lieber sparen und privat Geld zur Seite legen. Für eine vierköpfige Familie empfiehlt sie 1.000 bis 2.000 Euro.

Preissteigerung um 220 Prozent

Nicht jeden erreichen die Nachzahlungen aber erst nächstes Jahr. Einige Kundinnen und Kunden haben bereits eine Erhöhung der Abschläge vom Versorger erhalten. Darauf weist auch der "Spandauer Mieterverein" in Berlin hin. Demnach hat ein mittelständisches Gasversorgungsunternehmen aus Cottbus einer Verbraucherin bereits im Juni mitgeteilt, dass sich die Preise für sie deutlich erhöhen werden. Die Frau bekam später ein Schreiben, demnach soll sie künftig 224 Euro statt 70 Euro wie bisher zahlen - also mehr als das Dreifache.

Energie sparende Technik gefragt

Aufgrund der Energiekrise haben vor allem Eigentümer von Immobilien ein zunehmendes Interesse daran, künftig in energiesparende Technik zu investieren. Der Favorit: eine Wärmepumpe. Solche Anlagen wandeln vorhandene Wärme in der Natur in Hitze um und speisen sie in die Wohnungsheizungen. Die Geräte werden als besonders Ressourcen sparend von der Industrie angepriesen, sie ebneten auch den Weg weg vom Gas.

So denkt auch Jörg Seiler. Er führt einen Meisterbetrieb für Heizungsanlagen in Werder (Havel) und hätte ein Profiteur der angespannten Lage werden können. Denn der Andrang von Kunden voller Sorgen ist riesig, entsprechend wollen sie umrüsten. "Aber leider schaffen wir es nicht, alle Aufträge abzuarbeiten. Das liegt vor allem an der Materialknappheit", sagt Seiler dem rbb. "Wenn ich eine Wärmepumpe bestelle, um diese im Haus eines Kunden einzubauen, kriege ich als Liefertermin vom Hersteller den Dezember genannt - und ob das realisierbar ist, ist völlig unklar. Es ist frustrierend."

Ein Upgrade hält er aber zum Sparen für nötig. "Die meisten Gasanlagen zum Heizen, die in Brandenburg in Häusern vorzufinden sind, sind 20 Jahre alt oder noch älter. Zum Sparen sind die nicht tauglich. Wer sparen will, muss auf eine moderne Anlage umsteigen, dann sind gut 15 Prozent an Einsparung möglich", sagt Seiler.

Kleine Bauteile, große Auswirkungen

Nicht besser ist die Stimmung bei Dirk Jänichen, 30 Kilometer entfernt in Berlin-Lichterfelde. Das Lager des Heizungsinstallateurs ist eigentlich gut gefüllt, sogar ein paar Wärmepumpen hat er vorrätig. Nur: Auch in der Welt der Haustechnik kommt es auf die kleinen Dinge an.

Jänichen steht in seinem Lager und dreht an einem kleinen Regler eines elektronischen Bauteils, kaum größer als seine Hand. "Das ist hier zum Beispiel so ein Problemteil", sagt er. "Es ist klein, aber wichtig, um die Wärmepumpe korrekt zu verbauen. Wenn soche Teile fehlen, können die Geräte nicht in Betrieb genommen werden", sagt Jänich. Folglich scheitert die Montage. Der Fachmann kriegt nach eigenen Angaben derzeit zehn Anfragen pro Tag - einbauen kann er dieses Jahr aber nur noch insgesamt zehn Pumpen.

Ohnehin könnten Hundertausende Berliner aber nicht auf die Energie sparenden Geräte zurückgreifen. Mehr als jeder Dritte Einwohner der Hauptstadt wohnt zur Miete, wo die Wohnung mit Gas beheizt wird. Der Weg aus der Gaskrise kann für viele also nur sparen bedeuten.

Heizanlagen in Gebäuden oft noch zu hoch eingestellt

Eine Wartung und bessere Einstellung der Gastherme könnte viel ausmachen, sagt Andreas Koch-Martin von der Innung Sanitär Heizung Klempner Klima Berlin mit Blick auf die Verantwortlichen. "Wir können nicht alle Wohnungen auf Wärmepumpen umstellen, das ist nicht realistisch. Deshalb müssen wir jetzt sparen, 15 bis 20 Prozent halte ich für nötig", sagt er. In Berlin gibt es etwa 250.000 Gasthermen, die als Gasetagenheizung installiert sind. Dort müsste angesetzt werden, da die Anlagen oft noch zu hoch eingestellt seien.

Und wie kalt wird dieser Winter? Grundsätzlich seien Privathaushalte geschützt - mit einem Ausfall der Heizungen müsse niemand rechnen, sagt Koch-Martin. Er hakt aber ein: Sollte die Bundesregierung die Gaswarnstufe 3 ausrufen, könne es zumindest passieren, "dass wir nicht mehr auf 23 Grad im Wohnzimmer kommen werden."

Ähnlich sieht das der Berliner Senat, der nun mit einem Maßnahmenplan auf den drohenden Gasmangel durch ausbleibende Lieferungen aus Russland reagieren will. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey kündigte am Dienstag eine Arbeitsgruppe an - im August soll ein entsprechender Maßnahmenplan fertig sein. Als mögliches Ziel nannte sie Einsparungen beim Verbrauch von 10 Prozent. Änderungen bei der Raumtemperatur seien ebenfalls denkbar.

Sendung: Brandenburg aktuell, 05.07.2022, 19:30 Uhr

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Beitrag von Hasan Gökkaya

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