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Video: rbb|24 explainer | 07.09.2022 | Quelle: dpa/Leung Cho Pan

Bargeldloses Bezahlen auf dem Vormarsch

Zwei Münzen könnten bald verschwinden

Bargeld ist in Deutschland immer noch das beliebteste Zahlungsmittel. Doch bei jüngeren Berliner:innen ist das elektronische und digitale Zahlen beliebter. Wird das Bargeld überflüssig? Von Naomi Donath

Die Entwicklung ist eindeutig, in Deutschland wird immer weniger bar gezahlt. 2017 wurden noch 74 Prozent aller Zahlungen in Deutschland bar getätigt. 2021 waren es nur noch 58 Prozent. Das geht aus einer Studie der Deutschen Bundesbank [bundesbank.de] hervor. Vor allem seit Beginn der Pandemie zahlen Verbraucher:innen zunehmend auch kleine Geldbeträge kontaktlos.

42 Prozent aller Zahlungen werden demnach elektronisch und digital getätigt, davon 23 Prozent mit der Girocard und sechs Prozent mit der Kreditkarte. Daneben spielen PayPal und mobiles Zahlen mit Smartphones oder Smartwatches eine Rolle.

Eine durchgestrichene Geldkarte am Schaufenster des Restaurants "Eatalian" in Berlin-Kreuzberg. | Quelle: rbb/Naomi Donath

"Cash zahle ich nur, wenn ich muss"

Bei einer Umfrage unter Passant:innen am Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg sind sich die Befragten einig: Sie zahlen lieber mit Karte - oder gleich mit ihrem Smartphone. "Weil es praktischer ist. Ich muss nicht zum Geldautomaten gehen, um Geld abzuheben", erzählt Anne Haack.

"Mit Karte ist es einfach viel bequemer. Wenn ich Bargeld dabei habe, gebe ich es immer total schnell aus", sagt Dina Manolas. Philipp Reinstorf erzählt, dass er zu 90 Prozent Apple Pay nutze. "Ab und zu nutze ich meine Kreditkarte, wenn man nicht mit Apple Pay zahlen kann. Cash zahle ich nur, wenn ich muss."

Philipp Reinstorf im Gespräch mit rbb|24. | Quelle: rbb/Naomi Donath

Locations bieten nur bargeldloses Zahlen an

Es gibt bereits Locations und Festivals in Berlin, die nur "Cashless" anbieten, also ausschließlich bargeldloses Zahlen. Zum Beispiel im Funkhaus Berlin oder beim Lollapalooza in Berlin. Dort wird mit einem Chip am Festivalbändchen gezahlt. Das Festival schreibt auf der eigenen Webseite: "Damit sind lange Schlangen passé und wir beugen Diebstahl vor. [...] Ärgernisse, wie falsch rausgegebenes Rückgeld, Geld alle, Geldbeutel vergessen oder verloren … Gibt es nicht mehr.", behaupten die Veranstalter.

"Cash only" - Restaurant verliert Kund:innen

In der Stadt zeigt sich aber auch das gegenteilige Bild: Bars und Restaurants, in denen nur mit Bargeld bezahlt werden kann. So klebt im "Eatalian" in der Adalbertstraße in Berlin-Kreuzberg zum Beispiel eine durchgestrichene Geldkarte an der Scheibe.

Der Inhaber des Restaurants "Eatalian" in Berlin-Kreuzberg, Naser Sinanaj. | Quelle: rbb/Naomi Donath

Doch das Prinzip "Cash only" betreibt Inhaber Naser Sinanaj nicht freiwillig. Schon vor drei Monaten habe er ein Kartenlesegerät für das neu eröffnete Restaurant bestellt, angekommen sei es bis heute nicht. "Die Leute haben kein Bargeld dabei, die wollen mit Karte zahlen", sagt Sinanaj. "Und wir wollen das auch. Wir verlieren jeden Tag Kunden". An manchen Tagen seien das bis zu 50 Prozent der Kundschaft. Denn nicht alle möchten erstmal zu einem Automaten gehen und dort Bargeld abheben, falls sie keines dabei haben.

Alse Bayolo beim Gespräch mit rbb|24. | Quelle: rbb/Naomi Donath

Bargeld schützt Privatsphäre

Laut einer Umfrage der Verbraucherzentrale [vzbv.de] wollen 75 Prozent der Verbraucher:innen die Wahl haben, ob sie bar oder bargeldlos zahlen.

Scheine und Münzen haben laut Dorothea Mohn, die beim Bundesverband der Verbraucherzentralen das Team Finanzmarkt leitet, auch Vorteile. "Bargeld ist für jeden nutzbar. Niemand wird ausgegrenzt. Es gibt ja Leute, die nicht in der Lage sind, digital zu bezahlen." Außerdem schütze Bargeld die Privatsphäre.

"Was ich bar bezahle, kann niemand nachvollziehen", sagt Mohn. Denn beim bargeldlosen Zahlen würden Verbraucher:innen nicht nur mit ihrem Geld zahlen: "In Teilen hinterlässt der Verbraucher interessante Datenspuren, die für bestimmte Wirtschaftskreise monetarisiert werden können."

"Ich möchte das Bargeld nicht missen"

Zwei Passant:innen in Kreuzberg sagen, es wäre für sie in Ordnung, wenn das Bargeld komplett abgeschafft werden würde. Andere erzählen, dass sie nicht aufs Bargeld verzichten möchten. "Kartenzahlung ist schon gut – aber man sollte lieber beides in der Tasche haben", sagt Alse Bayolo.

Anne Haack im Gespräch mit rbb|24. | Quelle: rbb/Naomi Donath

"Ich möchte das Bargeld nicht missen", sagt Anne Haack. "Ich finde es gut, dass es Geschäfte gibt, die immer noch sagen, sie wollen nur Cash haben – das macht es persönlicher." Und Dina Manolas erzählt: "Gar kein Bargeld fände ich schwierig, weil man über die Kontoauszüge das ganze Leben sehen kann. Man muss jetzt nicht sehen, dass man zum Beispiel in einem Sexshop war."

Teure Herstellungskosten bei 1- und 2-Cent-Münzen

Tatsächlich diskutiert wird immer wieder darüber, ob zumindest 1- und 2-Cent-Münzen abgeschafft werden sollen. Die EU-Kommission hat das 2020 vorgeschlagen [tagesschau.de]. Eine Entscheidung steht noch aus. Denn die Logistikkosten stehen wohl in keinem Verhältnis zum zugeschriebenen Geldwert der Münzen, die aus einem Stahlkern und einer dünnen Kupferauflage bestehen. Das Bundesministerium der Finanzen teilt rbb|24 auf Anfrage mit: "Die Herstellungskosten (Materialkosten, Prägekosten, Verpackung und Transport) liegen bei den 1-und 2-Cent-Münzen jeweils über dem Nennwert."

Dina Manolas beim Gespräch mit rbb|24. | Quelle: rbb/Naomi Donath

"Lästig im Portemonnaie"

Und auch für den Bargeldkreislauf spielen die 1- und 2-Cent-Münzen keine Rolle mehr, sagt Dorothea Mohn: "Sie werden als Wechselgeld rausgegeben. Es ist bekannt, dass dieses Geld ganz häufig nicht mehr in den Zahlungskreislauf zurückfließt, sondern teilweise gehortet wird und teilweise weggeschmissen wird. Verbraucher empfinden diese Münzen als lästig im Portemonnaie." Wenn Verbraucher:innen die 1- und 2-Cent-Münzen sammeln und bei einer Bank oder Sparkasse einzahlen wollen, entstehen dabei Gebühren.

Eine Lösung wäre, Preise auf 5-Cent-Beträge zu runden, wie es bereits in Belgien und in den Niederlanden gemacht wird [tagesschau.de]. Statt 2,99 Euro würde ein Produkt dann beispielsweise 2,95 Euro oder 3,00 Euro kosten. Allerdings, fordert die Verbraucherzentrale, müssten diese Preise dann auch fürs bargeldlose Zahlen gelten, damit es keine Wettbewerbsnachteile gibt.

Sendung: rbb|24 explainer | 07.09.2022

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