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Video: rbb24 Abenschau | 24.10.2022 | Holger Trzeczak | Quelle: dpa/J. Woitas

Gekündigte Gasverträge

Gesetzeslücke zwingt Berliner Mieter in teuersten Gas-Tarif

Wegen der Krise auf dem Gasmarkt kündigen Lieferanten derzeit zahlreiche Verträge. Mieterinnen und Mieter, die in einem Haus mit zentraler Gastherme wohnen, könnten daher im kommenden Jahr eine besonders hohe Gasrechnung bekommen.

Allein in Berlin sind Hunderttausende Mieterinnen und Mieter von einer eklatanten Gesetzeslücke bedroht, die extrem teuer werden kann, wenn die Gasrechnung kommt. Betroffen sind Menschen, in deren Wohnhäusern eine energiesparende zentrale Gastherme eingebaut wurde. In solchen Fällen ist der Vermieter alleiniger Vertragspartner für Gaslieferanten – und gilt als Gewerbekunde, nicht als Privatkunde.

Ein dem rbb vorliegender Fall macht das Problem deutlich: Der bisherige Lieferant für ein Mehrfamilienhaus in Berlin-Pankow hat wegen der Krise auf dem Gasmarkt den Vertrag gekündigt. Der Vermieter muss nun bei der Gasag die Energie für die Wärmeversorgung der Bewohner beziehen. Er kauft das Gas für alle Bewohner ein und gilt deshalb nicht als normaler "Haushaltskunde", sondern als Gewerbekunde. Somit hat er keinen Anspruch auf den Wechsel in die Grundversorgung, sondern nur auf die sogenannte Ersatzversorgung.

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Notversorgung mit stark schwankenden Preisen

Der folgenschwere Unterschied beider Tarifarten: Die Grundversorgung ist eine Regelversorgung mit geringen Preisschwankungen. Die Versorger schließen ihre Verträge am Terminmarkt langfristig ab. Deshalb basiert die Grundversorgung derzeit noch auf Preisen vom letzten Jahr.

Die Ersatzversorgung dagegen gilt als eine Art Notversorgung mit stark schwankenden Preisen. Die Versorger kaufen kurzfristig am sogenannten Spotmarkt ein. In der Folge müssen alle Mieter ab Dezember mit dem fünffachen Preis fürs Gas rechnen. Ihr Pech ist, dass der Vermieter des Hauses vor mehreren Jahren im Keller eine zentrale Gastherme eingebaut hat.

Die moderne Sammelanlage verbraucht weniger Energie. Hätten alle Mieter Einzelverträge, könnten sie in die Grundversorgung der Gasag wechseln. Im Vergleich beider Tarifarten zeigt sich ein deutlicher Unterschied in den Preisen. Die Grundversorgung hat sich seit Dezember 2021 nur um rund 2 Cent pro Kilowattstunde verteuert. Die Ersatzversorgung hingegen um über 16 Cent.

Gasag sieht keinen Handlungsspielraum

Hausbesitzer Knut Muhsik wandte sich verzweifelt an das Verbrauchermagazin Super.Markt. "Es wurde uns jahrelang eingeimpft, Leute baut moderne Heizungen ein", so Muhsik: "Jetzt bedeutet es, dass meine Mieter nicht mehr in die Grundversorgung kommen, weil sie keine eigenen Zähler mehr haben, sondern es nur noch einen zentralen Zähler gibt, und dadurch werde ich als Gewerbekunde behandelt, und der Weg in die Grundversorgung ist gesperrt."

Der Grund dafür: Im Sommer änderte die Bundesregierung wegen der Gaskrise das Energiewirtschaftsgesetz. Um die Gasversorger zu schützen, definierte sie nun Haushaltskunden wie folgt: Diese seien "Letztverbraucher, die Energie überwiegend für den Eigenverbrauch im Haushalt oder für einen Jahresverbrauch von (nicht mehr als) 10.000 Kilowattstunden kaufen." Deswegen sieht die Gasag keinen Handlungsspielraum.

Gasag-Sprecherin Ursula Luchner rechtfertigt die Einstufung in die Ersatzversorgung gegenüber der Sendung Super.Markt damit, dass sie es mit einem einzelnen Vertragspartner zu tun habe: "Das können wir ja nicht abschätzen, wer da hinter diesem Vertragspartner steht, wir haben ja einen Namen, die Menge, und auf dieser Basis entscheiden wir dann nach den gesetzlichen Vorgaben, und danach ist er dann eben ein sonstiger Letztverbraucher und kein Haushaltskunde."

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Verbraucherzentrale fordert schnelle Reaktion

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Allein in Berlin werden laut einer Studie des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft aus dem Jahr 2019 [bdew.de | pdf] rund 21 Prozent aller Wohnungen in Berlin über Gas-Sammelheizungen versorgt. Bei 1,7 Millionen Berliner-Wohnungen insgesamt wären 350.000 Haushalte betroffen, wenn bestehende Verträge gekündigt und neue Lieferanten gefunden werden müssen.

Die Regierung habe einen Fehler im Gesetz gemacht, der nur die Versorger begünstigt. Thomas Engelke von der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert deshalb, "dass das Energiewirtschaftsgesetz so geändert wird, dass die Mieterinnen und Mieter auch in die Grundversorgung rutschen können. Das bedeutet, entweder muss die Grenze von 10.000 kWh Gas angehoben werden oder das Wort Eigenverbrauch muss geändert werden, weil es ja nicht der Vermieter ist, der das Gas verbraucht, sondern der reicht das ja nur durch an seine Mieterinnen und Mieter."

Sendung: Super.Markt, 24.10.2022, 20:15 Uhr

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