Berechnungen von Experten - Gasverbrauch liegt deutlich unter Vorjahresniveau - aber noch nicht tief genug

Do 20.10.22 | 20:55 Uhr
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Auf einem Gasherd brennen blaue Flammen, Archivbild (Quelle: Robin Utrecht)
Audio: rbb24 Brandenburg aktuell | 20.10.2022 | Ludger Smolka | Bild: Robin Utrecht

Seit Russland den Gashahn zugedreht hat, kauft Deutschland im großen Stil am Weltmarkt ein. Mit Erfolg, die Speicher sind voll. Der Gasverbrauch muss dennoch dringend runter. Ein Forscherteam mahnt verstärkte Anstrengungen an.

 

Die Menschen und die Industrie in Deutschland haben bereits ordentlich an Gas eingespart, nach Ansicht von Wissenschaftlern muss der Verbrauch aber stärker runter als bisher angepeilt. Die Bundesnetzagentur veröffentlichte am Donnerstag in Bonn Daten, denen zufolge der Gasverbrauch in der vergangenen Woche im Vergleich zu den gleichen Kalenderwochen der Jahre 2018 bis 2021 um 27 Prozent gesunken ist - auf 1.759 Gigawattstunden pro Tag.

Dieser Wert bezieht sich auf den kompletten Gasverbrauch, also inklusive der Industriekonzerne. Blickt man nur auf den Verbrauch der Haushalte und kleineren Firmen, so liegt das Minus sogar bei 31 Prozent auf 608 Gigawattstunden pro Tag. Die Bundesnetzagentur hat als Ziel ausgegeben, 20 Prozent zu sparen. Eine Forschergruppe des Ariadne-Projekts ist allerdings der Ansicht, dass das nicht ausreicht - ein Minus von 30 Prozent sei nötig für die Versorgungssicherheit und für den Klimaschutz.

Geringerer Gasverbrauch wegen mildem Wetter

In der aktuellen Gaskrise, die eine Folge von Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine ist, sind die jüngsten Zahlen der Netzagentur eine gute Nachricht, zumal es schon eine Woche zuvor ein ähnlich hohes Verbrauchsminus gegeben hatte. Netzagentur-Chef Klaus Müller sprach von "ersten Einsparungen beim Gasverbrauch", die man sehe. "Das ist ermutigend, so müssen wir weiter machen."

Das "Weitermachen" ist ihm wichtig: Müller will tunlichst vermeiden, dass sich Verbraucher angesichts solcher Zahlen beruhigt zurücklehnen und in ihren Sparanstrengungen nachlassen. Denn klar ist: Die richtig kalte Jahreszeit kommt erst noch.

Außerdem ist die positive Entwicklung nur teilweise auf Sparanstrengungen von Firmen und Verbrauchern zurückzuführen. Denn das warme Wetter spielte eine große Rolle. 11,1 Grad war die Durchschnittstemperatur in der 41. Kalenderwoche in den Jahren 2018 bis 2021. In der vergangenen Woche waren es 12,1 Grad. Je wärmer, desto besser: Dann fällt es den Menschen leichter, die Heizung aus zu lassen.

Forscher mahnen zu stärkeren Sparanstrengungen

Die Gefahr einer "Gasmangellage" ist weiterhin gegeben: Wie aus einem Prognosepapier der Bundesnetzagentur hervorgeht, könnten die Speicher nach einem Kälteeinbruch Ende Februar so leer sein, dass die Mangellage ausgerufen werden muss. Dann bekäme die Wirtschaft weniger Gas zugeteilt und nicht mehr so viel wie sie möchte. Das wäre ein herber Rückschlag für den Wirtschaftsstandort Deutschland, Jobs wären dann noch stärker in Gefahr, als sie es ohnehin schon sind.

Aus dem Papier der Netzagentur war aber auch leichter Optimismus herauszulesen. Denn die Fachleute hatten insgesamt vier Szenarien durchgerechnet, in drei von ihnen war das Ergebnis: Deutschland kommt gut durch den Winter. Nur im vierten Szenario - wenn es also richtig schlecht läuft - würden die Speicher nicht ausreichen.

Bei ihren Kalkulationen gingen die Bonner Beamten davon aus, dass Deutschland den Gasverbrauch um 20 Prozent reduziert. Eine ebenfalls am Donnerstag publizierte Studie von 30 Forschern des Kopernikus-Projekts Ariadne kommt aber zu dem Schluss, dass viel mehr gespart werden muss. Im Vergleich zu Vorkrisenzeiten müsse der Verbrauch 30 Prozent runter, sagte der Vize-Leiter des Projekts, Gunnar Luderer, vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

Wettereffekt könnte bald verpuffen

Dann könne man eine Gasmangellage mit Lieferunterbrechungen vermeiden. "Wir können damit auch die Gaspreise und verbleibenden Importabhängigkeiten auf ein erträgliches Maß begrenzen", so Luderer. Kurzfristig sei dies der wichtigste Baustein, um Deutschlands Energiesouveränität und geopolitische Widerstandskraft wieder zu erhöhen.

Mit Blick auf das erste Halbjahr 2022 stellten die Wissenschaftler den Verbraucherinnen und Verbrauchern kein gutes Zeugnis aus. Den Wettereffekt rausgerechnet, kommen die Wissenschaftler nur auf eine Einsparung von drei Prozent. Allerdings: Die aktuelleren Daten der Bundesnetzagentur geben Anlass zur Hoffnung, dass der tatsächliche Spareffekt inzwischen deutlich größer geworden ist.

Und was genau sollte getan werden, um kräftig Gas zu sparen? Christoph Kost vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE sprach sich für das Absenken der Raumtemperatur um ein oder zwei Grad, die Nutzung der Heizung nach Bedarf statt im Dauerbetrieb und intelligente Heizungsregler aus. "Zusammen mit einem beschleunigten Hochlauf von Wärmepumpen, dem Anschluss an Fern- und Nahwärmenetze und einer stärkeren energetischen Sanierung des Gebäudebestands ließen sich im Gebäudesektor kurzfristig gut 30 Prozent des Gasbedarfs einsparen." Das bringe den Sektor auch auf den Weg zur Klimaneutralität.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 20.10.2022, 19.30 Uhr

43 Kommentare

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  1. 43.

    Sehr guter Kommentar 9! Richten Sie ihre Forderungen zuallererst an diese Regierung!!! Warum brauchen wir so einen großen Regierungssitz??? Hauptsache, der kleine Bürger spart. Und diese Sache mit dem Energie " sparen ", hat gut geklappt. Da haben uns die Grünen voll vera.....! Die meisten fallen darauf ein..... Mal sehen, ob mein Kommentar veröffentlicht wird!?

  2. 42.

    Das Blutin mit den Flüchtlingen aus Syrien nichts zu tun hat glauben wohl nur Sie.
    Das war lange vorbereitet und tut das jetzt mit der Ukraine.
    Für Sie ist dieser Massenmörder wohl nur ohne Holocaust kein Nazi, für mich schon.

  3. 41.

    Wow, Sie reagieren genau wie unsere Regierung, wie ein trotziges Kind. Wirkliche Argumente sind das nicht. Ist Ihnen schon aufgefallen, dass Syrische und andere Flüchtlinge ausziehen müssen, damit Ukrainische einziehen können. Das für ukrainische Flüchtlinge leichtere Zugangsmöglichkeiten zu Studium, Schule etc vorhanden sind, als für andere Flüchtlinge. Wir machen Unterschiede entsprechend der Herkunft eines Menschen und Sie vergleichen die Russen mit den Nazis....

  4. 40.

    >"...die Fenster noch immer auf Kipp haben statt Stoß zu lüften..."
    Schwarze Schafe gibt es immer und überall. Die sind aber auch nicht die Mehrheit. Glücklicher Weise...
    >"Ich hab auch schon Mietverträge gesehen wo 24 Grad Minimaltemperatur dem Mieter vorgeschrieben werden."
    Was? gibt es sowas? Aber: Wer will das überwachen? Der Vermieter darf solche Lebensumfeld-Überwachungen gar nicht istallieren.
    >"Man sieht auch jeden Menge Gebäude ohne Dämmung und mit gammligen Fenstern. "Schon immer gespart" sieht echt anders aus."
    Das sind dann nicht die von mir erwähnten Otto Normal, sondern nachlässige Hauseigentümer. Die gibts leider immer noch, wenn auch wenige.

  5. 39.

    Nur das ca. 50m Rohr der NS1-Pipeline rausgesprengt wurden. Anhand des Schadensbildes zweifelt auch niemand mehr an einer massiven Sabotage. Damit ist zumindest NS1 auch technisch definitiv Geschichte.

    Im Prinzip keine neuen Informationen, der Verdacht einer großen Sabotage hat sich nur erhärtet.

  6. 38.

    Tja, die ganze Nacht das Fenster auf zu lassen ist halt schlecht für den Energieverbrauch. Wenn Sie durchgehend frische Luft wollen empfehle ich eine automatische Belüftung mit Wärmerückgewinnung. Die sind gar nicht so teuer und haben massive Vorteile gegenüber offenen oder undichten Fenstern.

  7. 37.

    Letztens ein Bericht über die Verhandlungen von Hr Habeck mit Katar und Israel über Gaslieferungen. Diese Länder waren bereit uns Gas zu liefern, aber haben auf langfristige Verträge bestanden . Hr Habeck war aber der Meinung das er diesen Ländern die Bedingungen diktiert und wollte eher kurze Verträge weil er in kürzester Zeit Deutschland komplett auf erneuerbare Energien umstellen möchte. Da haben diese Länder natürlich dankend abgelehnt. Frankreich hat mit Katar eine Liefervertrag über 20 Jahre abgeschlossen und investiert gleichzeitig in die Förderung von Gas. Wir kaufen dann doch lieber das überteuerte LNG Gas von den USA. In solch einer Lage wie sich Deutschland befindet sind solche Verhandlungen nun mal kein Wunschkonzert, vielleicht täte uns unter Umständen ein Wirtschaftsminister gut der mehr Ahnung vom Fach hat. Ein ganzes Land im Bereich der Energieversorgung um zustellen bedarf etwas mehr Kompetenz als nur das Parteibuch. Hoffen wir mal das der Winter es gut mit uns meint.

  8. 36.

    Gasverbrauch Null ist noch besser. Selbst mit Gaspreisdeckel wird es dauerhaft mehr als 3x mehr kosten als vor der Krise.
    Politiker sagen nicht die Wahrheit wie es um Deutschlands Finanzen aussieht. Der Ex Finanzminister Waigel hat gestern bei Lanz Klartext gesprochen. Wir werden uns noch alle umgucken wenn es nicht schnell gelingt die Wirtschaft Klimaneutral umzubauen.

  9. 35.

    Wo sind denn die Beiträge 12 und 13 geblieben? Nr. 12 hatte nach dem Stand der Ermittlungen bezüglich der Sprengung der Ostseepipelines gefragt.

  10. 34.

    Ihr Geschwurbel von wegen Putler hat NS2 angeboten nervt langsam.
    Mit einem Verbrecher der in der Ukraine wie die Nazis wütet wollen Sie Geschäfte machen?
    Der droht gerade damit einen Damm zu sprengen, AKW extrem gefährdet. Mordet und klaut Getreide.

  11. 33.

    Nee beim besten willen aber keine Leute die Eigentum haben(Haus oder Wohnung).
    Und die Leute die es machen werden es schon beim ablesen merken wie hoch der verbrauch war.
    Mag sein das man viele Fenster auf Kipp sieht, aber weiß man auch was das für Zimmer sind?
    Nein!
    Schlafzimmer Fenster zb ist auch bei mir die ganze Nacht offen.

  12. 32.

    Recherchieren reicht fürs erste aus. Da muss man weder vor die Straße gehen, noch einen Anwalt konsultieren.
    Die Daten der Umlagen müssen durch die ÜNBs transparent aufbereitet werden.
    Naheliegend das ganze dann unter www.netztransparenz.de der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.
    Typisch deutsch auf den Cent genau, wenn Sie die Muße haben. Bissel Verständnis vom Energiwirtschaftsrecht sollte man aber haben. Aber auch das ist ohne Jurastudium erlesbar.

  13. 31.

    Das ist ja wohl ein Trugschluss, unser Strom besteht aus erneuerbarer Energie, Kohle und der Rest aus Atomstrom. Von wegen Gas sparen.

  14. 30.

    Vielleicht sollten Wissenschaftler und Politiker mal zur Kenntnis, dass Deutschland in fast 10 Monaten über 1 Mill. Flpchtlinge aufgenommen hat. Macht also über 1 Mill. mehr Menschen, die bekommt werden, die duschen und mit Wärme versorgt werden. Wie soll unter diesen Umständen der Energieverbrauch drastisch gesenkt werden? Das vergessen alle Experten zu erwähnen.

  15. 28.

    Hart formuliert: Sie betreiben Realitätsverweigerung. Die fosilen Energieträger gehen uns aus, und zwar rapide. Da muss ihnen niemand etwas unterjubeln. Der Krieg in der Ukraine verschärft aktuell diese Situation, das ist aber auch alles.
    Falls es sie tröstet: Sie sind mit der Realitätsverweigerung nicht alleine.

  16. 27.

    Und was genau sollte getan werden, um kräftig Gas zu sparen? Gas sollte nicht mehr zur Stromerzeugung eingesetzt werden. Diese Maßnahme hätte ein extrem hohes Sparpotential.

  17. 26.

    Dem kann man sich eigentlich nur anschließen.
    Vielleicht sollte man erst einmal dafür demonstrieren , protestieren und Prozesstieren,wo dieses ganze Geld hingeflossen ist und in wessen Taschen.
    Bayern wollte es wohl nicht und hat hat es ja wohl auch nicht bekommen.Heute sind sie auf Atommeiler und Gasspeicher in Österreich angewiesen,aber der Rest ist ja auch nur kläglich.

  18. 25.

    Weder unsere Regierung noch meine Wenigkeit erwarten, dass Putin in diesem Konflikt weiterhin billiges Gas liefert. Putin verhält sich für einen Kriegsverbrecher völlig artgerecht.
    Naiv ist Herbert, der uns wie Sarah Wagenknecht und die AfD weismachen will, wir brauchen nur lieb mit Putin reden und dann wird es wieder mit billigem Gas schön warm.
    Putin will erreichen, dass wir die Unterstützung der Ukraine aufgeben und ihn gewähren lassen. Deshalb sollten wir diese Abhängigkeit von russischen Rohstoffen herunterfahren, auch wenn es jetzt teuer wird. Denn dieser schreckliche Krieg wird noch lange dauern.

  19. 24.

    Ich kenne genug "Normalbürger" die die Fenster noch immer auf Kipp haben statt Stoß zu lüften und deren Wohnungen im Winter 24 Grad haben. Ich hab auch schon Mietverträge gesehen wo 24 Grad Minimaltemperatur dem Mieter vorgeschrieben werden. Man sieht auch jeden Menge Gebäude ohne Dämmung und mit gammligen Fenstern. "Schon immer gespart" sieht echt anders aus.

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