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Audio: rbb24 Inforadio | 01.10.2022 | Leonie Schwarzer | Quelle: dpa/Eibner-Pressefoto

Fragen und Antworten

Was es mit dem steigenden Mindestlohn auf sich hat

Ab dem 1. Oktober liegt der gesetzliche Mindestlohn bei 12 Euro. Wer davon profitiert, in welchen Branchen die Erhöhung eine Rolle spielt - und wie sie sich auf Vollzeit-, Teilzeitarbeitskräfte und Minijobber auswirkt. Von Andrea Everwien

Wer profitiert von der Mindestlohnerhöhung?

In Berlin haben nach Einschätzung des Amts für Statistik Berlin-Brandenburg 271.000 Beschäftigte ab Oktober Anspruch auf einen Stundenlohn von 12 Euro. Das bedeutet in Berlin für 16,3 Prozent aller abhängig Beschäftigten ein Plus in der Lohntüte.

In Brandenburg würden 244.000 Menschen von einem Mindestlohn von 12 Euro profitieren – das entspricht dort einem Anteil von 26 Prozent.

Und wer profitiert nicht davon?

Ausgenommen sind Beschäftigte in Branchen, in denen die Tarifparteien branchenspezifische Mindestlöhne unter dem gesetzlichen Mindestlohn ausgehandelt haben. Das gilt etwa für Fleischer, da bekommen Mitarbeiter vorläufig weiter nur den tariflich ausgehandelten Mindestlohn von 11 Euro, ab 1.12.220 dann 11,50 Euro.

Außerdem ausgenommen vom gesetzlichen Mindestlohn sind Auszubildende, Praktikanten und Minderjährige. Für sie gelten eigene Regeln.

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Wie stark ist der Sprung?

Zuletzt galt seit Juli 2022 der gesetzliche Mindestlohn von 10,45 Euro. Wenn jetzt auf 12 Euro erhöht wird, ist das ein ziemlich kräftiger "Schluck aus der Pulle": immerhin 15 Prozent kommen obendrauf.

In welchen Branchen spielt die Mindestlohnerhöhung eine besonders große Rolle?

Das ifo-Institut hat Mitte September 2022 das Ergebnis einer Umfrage unter 6.900 direkt betroffenen Unternehmen veröffentlicht. Demnach spielt die Erhöhung des Mindestlohns in ganz Deutschland bei über 30 Prozent aller Unternehmen eine Rolle. Im Bereich des verarbeitenden Gewerbes ist besonders das Textilgewerbe betroffen – hier haben über 71 Prozent der Unternehmen geantwortet, dass die Lohnerhöhung in ihrem Betrieb relevant ist.

Stark betroffen zeigte sich auch der Einzelhandel: hier müssen in 58 Prozent der Betriebe die Löhne erhöht werden. Bei den Dienstleistern spielt der Mindestlohn eine besondere Rolle in der Gastronomie (78 Prozent), im Beherbergungsgewerbe (65 Prozent) außerdem bei der Vermittlung von Arbeitskräften (etwa 64 Prozent).

Für Berlin und Brandenburg können nach Auskunft des Amts für Statistik noch keine regionalen Besonderheiten bei branchenspezifischen Schwerpunkten benannt werden.

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Wie wirkt sich die Erhöhung für Vollzeit-, Teilzeitkräfte und Minijobber aus?

In den vergangenen Jahren sorgte der erhöhte Stundenlohn bei Mindestlohnempfängern, die in Voll- oder Teilzeit arbeiteten, in der Regel auch für ein höheres Monatseinkommen.

Nicht so bei Minijobbern – immerhin im Schnitt ein Viertel aller Mindestlohnempfänger. Für Minijobber galt in der Vergangenheit: wer mehr als 450 Euro im Monat verdient, wurde sozialversicherungspflichtig. Das wollten viele nicht, weil das Einkommen aus einem Minijob nicht hoch ist. Darum wurden vielerorts die Stundenzahlen gekürzt – so dass das höhere Stundenentgelt kaum das Monatseinkommen erhöhte, fand das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung 2021 heraus.

Was sollten Minijobber jetzt beachten?

Ab Oktober gilt als neue Grenze der Sozialversicherungspflicht ein monatliches Einkommen von 520 Euro. Das heißt, auch Minijobber können mit dem neuen Mindestlohn monatlich mehr Geld nach Hause tragen.

Was sagen die Gewerkschaften?

Grundsätzlich begrüßen die Gewerkschaften die Erhöhung von Mindestlöhnen. Allerdings warnt etwa der DGB davor, sich gänzlich von der Versicherungspflicht befreien zu lassen. Minijobber müssen und mussten zwar keine Beiträge in die Kranken-, Pflege und Arbeitslosenversicherung zahlen, eigentlich aber schon in die Rentenkasse (3,6 Prozent vom Monatseinkommen). Bei 450 Euro waren das 16,20 Euro pro Monat. Allerdings konnte man sich schon immer - und kann sich auch in Zukunft - davon befreien lassen. Um den Preis wertvoller Beitragsjahre, die am Ende eines Arbeitslebens bei der Rentenanwartschaft fehlen können.

Gegenüber rbb|24 lehnt Sebastian Riedel von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) die Erhöhung der Sozialversicherungsgrenze auf 520 Euro grundsätzlich ab. Er befürchtet, dass dadurch weniger sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstehen und mehr Menschen in Minijobs getrieben werden.

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Es war das Wahlversprechen von Kanzler Olaf Scholz. Im Oktober soll das Versprechen nun eingelöst werden. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch den Mindestlohn in Höhe von 12 Euro auf den Weg gebracht. Aber hält er in einer Zeit von steigenden Preisen und angespannten Verhältnissen, was er verspricht? Das fragen sich Lisa Splanemann und Ann Kristin Schenten.

Und was ist die Position der Arbeitgeber?

Gut 18 Prozent der betroffenen Unternehmen, die vom Ifo Institut befragt wurden, wollen die durchschnittliche Arbeitszeit der Beschäftigten senken. Sie hoffen also darauf, bei höheren Stundenlöhnen durch weniger Arbeitszeit auf niedrigere Lohnkosten zu kommen.

21 Prozent der von der Mindestlohnanhebung betroffenen Unternehmen wollen bei Investitionen sparen, um so das Geld für die Lohnerhöhung wieder hereinzuholen: so jedenfalls das Ergebnis der ifo-Umfrage unter 6.900 Betrieben.

Die allergrößte Gruppe aber - mehr als 58 Prozent - geht davon aus, das Plus an Lohnkosten durch höhere Preise beim Kunden wieder hereinzuholen.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 30.09.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Andrea Everwien

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