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Quelle: dpa/Martin Schutt

Testmessung an ungeeichten Säulen

Bei E-Ladesäulen wird nicht immer korrekt abgerechnet

Bei E-Ladesäulen ist oft schwer zu erkennen, wie viel Energie wirklich im Akku ankommt und ob der Preis so stimmt. Verbraucher müssen in eine korrekte Abrechung vertrauen. Ein Problem, denn nur ein Teil der Ladesäulen ist geeicht. Von Jesco Göbel

Wer sein Elektroauto an einer Ladesäule anschließt, kann in der Regel selbst nicht nachvollziehen, wieviel Energie tatsächlich im Akku ankommt. Für Verbraucher ist daher wichtig, dass die Säulen geeicht sind und sie sich auf eine korrekte Abrechnung verlassen können. Doch das ist gerade bei Schnellladesäulen oft nicht der Fall.

In Berlin gibt es rund 1.950 E-Ladesäulen, elf Prozent davon sind sogenannte Schnellladepunkte. In Brandenburg sind es in etwa 1.370 E-Ladesäulen und davon 20 Prozent Schnellladepunkte. Wie viele davon geeicht sind, weiß niemand - nicht einmal das Eichamt.

Schnellladesäulen seien recht komfortabel, erklärt rbb-Mobilitätsexperte Andreas Keßler. Schon in 30, 45 Minuten könne man auf einen Akkustand von 80 Prozent kommen. "Allerdings ist die Abrechnung der Prozedur immer ein bisschen intransparent. Man weiß nie so genau, was kostet es denn jetzt und wie viel habe ich gekriegt?" Und vor allem: "Ist auch das, was auf der Rechnung steht, tatsächlich auch in meinem Akku?"

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Messungen bisher technisch nicht möglich

Gemeinsam mit Vertretern des Landesamtes für Mess- und Eichwesen Berlin-Brandenburg und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) hat Keßler daher sechs Schnellladesäulen abgefahren und prüfen lassen. Nur die Experten von PTB und Landesamt können und dürfen Messungen an E-Ladesäulen durchführen - und haben dafür sogar ein bisher einmaliges Gerät gebaut.

Schnellladesäulen gibt es zwar seit 2012. Bisher war eine genaue Messung an Schnellladesäulen technisch gar nicht möglich.

"Ich habe eine Messadapterbox entwickelt, die zwischen eine Ladeeinrichtung und ein Elektroauto geschaltet wird", erklärt Jannes Langemann von der PTB. "So können wir unser hochgenaues Messgerät anschließen und damit vergleichen, welche Energie wirklich zu dem Elektroauto geflossen ist und welche Energie die Ladeeinrichtung letztendlich abgerechnet hat."

Zu der Motivation für das Messgerät Marke Eigenbau sagt Christoph Leicht von der PTB, es sei einfach irgendwann der Moment gekommen, in dem man realisiert habe: "Wir müssen ja auch noch Aspekte des Verbraucherschutzes hier mit einberechnen." Und Verbraucherschutz bedeute, sicherzustellen, dass das Mess- und Eichgesetz korrekt angewandt wird.

Zu viel berechnet

Dass dies bei einer Säule auf einem Supermarkt-Parkplatz in der Berliner Innenstadt nicht der Fall ist, offenbart das Kontrollgerät bei einer 15-minütigen Test-Ladung. "Die Anzeige hat gezeigt, dass tatsächlich etwa knappe fünf Prozent mehr verrechnet werden, als in das Auto tatsächlich reingeflossen sind", sagt Leicht. In diesem Fall seien es 1,30 Euro, die man mehr bezahlen müsse, als man eigentlich bekommen habe. "Hätten wir jetzt ein großes Auto mit einem großen Speicher von etwa 100 Kilowattstunden, würde es 2,60 Euro zu viel bedeuten." Der spanische Hersteller der Ladesäule auf dem Supermarkt-Parkplatz antwortete auf rbb-Anfrage dazu nicht.

Die Ursache für die Abweichungen an dieser Ladesäule ist für Michael Münn vom Landesamt für Mess- und Eichwesen Berlin-Brandenburg ganz klar: "Die Säule ist hier nicht eichrechtskonform." Da sei es eigentlich nicht überraschend, dass die solch eine große Abweichung habe. Bei den eichrechtskonformen Ladesäulen könne man sich hingegen wirklich sicher sein, dass "die wirklich die Grenzen einhalten und dass der Kunde auch das bekommt, was er bezahlt".

Aber warum darf man an Schnellladesäulen laden, die nicht dem Eichrecht nicht entsprechen? Schuld an dieser Situation ist laut Christoph Leicht die rasante Entwicklung der E-Ladesäulen: "Es wurden sehr, sehr viele Ladesäulen in Deutschland aufgebaut, die natürlich am Anfang noch kein Zertifikat von der PTB oder einer anderen Konformitätsbewertungsstelle hatten."

Dabei darf laut Mess- und Eichgesetz elektrischer Strom an öffentlichen Ladestationen in Deutschland seit April 2019 nur eichrechtskonform abgerechnet werden.

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Eichamt will jetzt den Druck erhöhen

Jetzt allerdings greift das Eichamt härter durch. "Wir beobachten und begleiten natürlich die Verwender dabei", so Michael Münn vom Landesamt für Mess- und Eichwesen Berlin-Brandenburg, "und wenn wir merken, dass die Umrüstung zu langsam vorangeht, dann ergreifen wir auch Maßnahmen und erhöhen den Druck."

Nicht eichrechtskonforme Schnellladesäulen müssen in den kommenden Monaten nachgerüstet, oder, wenn das nicht möglich ist, abgerissen werden. Um wie viele es sich dabei handelt, kann man derzeit auch beim Eichamt nicht sagen.

Die Kontrollmessung an einer weiteren nicht eichrechtskonformen Ladesäule in Prenzlauer Berg zeigt aber auch, dass es nicht immer zu großen Diskrepanzen kommen muss. Die Säule ist schon ein bisschen älter, etwa acht Jahre alt, hat aber alle Stecker-Normen, die im Moment im Verkehr sind. Und das Messergebnis zeigt: nur 0,25 Prozent Abweichung. "Die entspricht natürlich jetzt noch nicht den eichrechtlichen Vorschriften", sagt Michael Münn vom Eichamt. Der Wert von 0,25 Prozent sei aber "absolut in der Toleranz".

Test-Käufer Keßler stört sich trotzdem daran, was auf dem Display der Ladesäule zu sehen - oder besser nicht zu sehen ist: "Wie viel lade ich überhaupt unterm Strich und was kostet das? Steht alles nicht drauf. Da muss ich warten, was mir dann irgendwann auf dem Smartphone die App anzeigt." Dies sei am Ende zwar transparent - schöner wäre es aber, wenn wie bei einer Benzin-Säule ein Zählwerk laufe, meint Keßler.

Vor dem Laden das Typenschild suchen

Von insgesamt sechs gemessenen Schnellladesäulen gibt es am Ende der Prüfungen bei einer Säule starke Abweichungen. Hier wurde deutlich mehr bezahlt als man bekommen hat.

Doch vor solchen Ausreißern können sich Kundinnen und Kunden auch schützen: Ob eine Ladesäule eichrechtskonform ist, ist darauf vermerkt. Auf einem Typenschild seitlich an der Säule sollte die Buchstabenfolge "DE-M" stehen, hier findet sich auch eine Jahreszahl und die Kennnummer der Bewertungsstelle.

Wann die Ladesäulen mit Abrechnungsschwächen aus dem Verkehr gezogen sind, steht noch nicht endgültig fest. Neu aufgestellte Schnellladesäulen erfüllen aber in jedem Fall die eichrechtlichen Vorgaben.

Sendung: SUPER.MARKT, 16.01.23, 20:15 Uhr

Beitrag von Jesco Göbel

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