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Audio: Antenne Brandenburg | 13.08.2022 | O-Ton Björn Oesingmann vom Landesverband ImPuls | Quelle: dpa/C. Hardt

Interview | Finanzierung von Festivals

"Wenn die Politik nicht bald hilft, wird es wirklich ruhig werden in Brandenburg"

Nach zwei Jahren Pandemie starten die Festivals in Brandenburg alle wieder so richtig durch - könnte man meinen. Doch der Gründer des Wurzelfestivals zeichnet ein anderes Bild: explodierende Kosten und ausgebliebene Landeshilfen machten vielen extrem zu schaffen.

rbb|24: Herr Oesingmann, Sie sind ja Festival-Gründer. Mit Festivals soll ja so leicht so viel Geld gemacht werden können, heißt es immer wieder. Erreichen wir Sie jetzt auf Ihrer Luxusjacht?

Björn Oesingmann: Ja genau, Sie erreichen mich auf meiner großen Luxusjacht auf dem Weg zu den Malediven. Nein, das war nur ein Scherz. Das ist ein Trugschluss. Mit Festivals reich zu werden kann zwar klappen, muss aber nicht. Aber eigentlich funktioniert das heutzutage nicht mehr, weil der Markt das nicht mehr hergibt. Die wilden Gründerjahre, wenn man sich da an den Beginn der Techno-Bewegung und die Loveparade und so weiter erinnert, sind vorbei. Damals war noch viel Geld zu machen. Inzwischen ist der Markt hart umkämpft.

Zur Person

Björn Oesingmann

Aber für Festival-Tickets müssen die Besucher im Zweifelsfall doch richtig viel Geld hinlegen.

So ein Ticket ist tatsächlich unheimlich teuer. Aber man darf nicht vergessen, dass die Festival-Veranstalter das ganze Jahr über an dem Produkt arbeiten. Und zwar nicht allein, sondern mit möglicherweise mehreren Angestellten, mit einer Büro-Miete und so weiter. Diese Kosten müssen getragen werden. Zusätzlich sind die Kosten durch Inflation, Ukraine-Krieg und Corona massiv explodiert. Aber das kennt ja jetzt jeder. Wer tankt, demnächst seine Gas-Abrechnung bekommt oder Lebensmittel einkauft, weiß das. Und das betrifft auch uns Veranstalter.

Was genau ist denn für Sie besonders teuer geworden - das Bier?

Bier geht. Das ist nur 20 Prozent teurer geworden. Dienstleistungen und Personalkosten sind, zu Recht, immens viel teurer geworden. Es ist ja oft debattiert worden, dass in der Event-Branche viele nur prekär beschäftigt waren. Das heißt, dass viele Dienstleister Solo-Selbständige waren oder insgesamt einfach relativ schlecht bezahlt waren. Denen wurden in der Pandemie die Augen geöffnet. Viele haben die Branche dann verlassen. Und die, die dageblieben sind, die verlangen jetzt natürlich eine faire Entlohnung.

Um welche Dienstleister geht es da?

Das sind zum Beispiel die Licht- und Soundtechniker. Oder auch das Sicherheits-Gewerbe. Für große Veranstaltungen brauchen sie Security. Und auch Sanitäter. Unter Umständen muss auch eine Feuerwehr vor Ort sein. Für diese Dienstleistungen sind die Kosten wirklich explodiert. Allein für die Security müssen wir jetzt im Schnitt zwischen 61 und 250 Prozent mehr zahlen.

Und ich möchte als Veranstalter gern erreichen, dass wir in der Branche unser Personal nicht nur pünktlich, sondern auch fair bezahlen. Und damit meine ich nicht nur, dass man den Mindestlohn zahlen sollte, sondern dass man das Personal am Erfolg beteiligt. Diese prekären Arbeitsverhältnisse müssen verschwinden aus unserer Branche. Denn diese Situation ist für niemanden zuträglich.

Wir vom Wurzelfestival haben immerhin trotz Corona-Pandemie unser komplettes Personal erhalten und es jetzt auch erweitert. Das war nicht einfach. Aber der Erfolg gibt uns Recht, denn wir haben unsere Leute jetzt nach der Krise noch. Da ist niemand abgehauen.

Interview | Festival "Wilde Möhre" in der Lausitz

"Unsere Besucherzahlen sind sogar besser als vor der Pandemie"

Mitten im Wald findet seit 2014 das Festival "Wilde Möhre" statt. Ursprünglich ein einzelnes Wochenende mit Bands, DJs, Kleinkunst und Workshops - doch mit Corona musste das Konzept geändert werden. Jetzt soll es so bleiben, sagt der Veranstalter.

Sie haben ja schon gesagt, dass man früher durchaus noch viel Geld mit Festivals verdienen konnte. Was hat sich denn, neben den gestiegenen Preisen, noch geändert?

Es gibt inzwischen viel mehr Festivals. Denn der Irrglaube, dass man damit gerade jetzt nach der Pandemie schnell und leicht viel Geld verdienen kann, herrscht tatsächlich vor. So sind viele neue Festivals entstanden, die sich am Markt versuchen. Viele werden das wahrscheinlich nicht überleben. Das kann man an den Eintrittspreisen ablesen. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass man so ein Festival nicht fair gestalten und keine fairen Löhne zahlen kann.

Gerade Festivals wie unser Wurzelfestival, das wir ja als Kulturfestival bezeichnen, sind aufwändig angelegt. Wir haben nicht nur eine Bühne, auf der die Band ein paar Stunden spielt. Das reicht den Leuten auch nicht mehr. Die Menschen, die zu uns kommen, die wollen in den vier Tagen eine Art Urlaubserlebnis haben, die wollen in eine andere Welt abtauchen. Wir haben ein umfängliches Workshop-Programm von 50 bis 70 Workshops. Das fängt mit Yoga an, geht über Lesungen, eine eigene Kunstgalerie bis hin zum Improvisions-Theater. Da gibt es ein Rundum-Wohlfühl-Paket für die Gäste.

Gerade in Brandenburg gibt es ja seit einigen Jahren ganz besonders viele Festivals, mit denen sich das Land auch gern schmückt. Wie lief das während der Pandemie für die Festival-Macher. Haben Sie Corona-Hilfen vom Land bekommen?

Für die Brandenburger Festival-Unternehmer - und ich sage bewusst Unternehmer, weil es für die gemeinnützigen Festivalbetreiber sicherlich Hilfen gab – gab es nichts. Wir mussten mit den Bundeshilfen klarkommen. Darauf hat Brandenburg auch immer sehr deutlich hingewiesen und war der Meinung, die reichten aus. Aber die haben überhaupt nicht gereicht. Besonders unangenehm war, dass es nur ein paar Kilometer weiter in Berlin der dortige Kultur-Senator Lederer geschafft hat, während und jetzt nach der Pandemie Hilfsprogramme für Kulturprogramme auf den Weg zu bringen. Die haben die Bundeshilfen ergänzt. Das ist für Brandenburger Kultur-Unternehmer ein Schlag ins Gesicht, der mitunter fünf Kilometer weiter Hilfen bekommen würde.

Aber Brandenburg bezeichnet sich selbst gern als Festivalland. Aber ganz ehrlich: ohne die private Initiative und die Selbstausbeutung vieler Kulturschaffenden wäre es in Brandenburg dahingehend zappenduster.

Waren nicht einige Festivals, wie auch Ihr Wurzelfestival, sogar Corona-Modellprojekt für 2021?

Ja, wir waren Modellprojekt. Weil wir einen Weg finden wollten, in der Pandemie zu veranstalten. Da war das Modellprojekt eine Art sehr erfolgreicher Probelauf – auch um zu wissen, wie man in künftigen Pandemien agieren könnte. Es gab danach auch ein wissenschaftliches Ergebnis dazu, dass aussagt, dass man sicher feiern kann auch während einer Pandemie. Das funktioniert wirklich. Allerdings haben wir auch die Kosten für das Modellprojekt selbst tragen müssen. Auch hier gab es teilweise Bundesmittel. Aber das Land Brandenburg hat sich nicht beteiligt. Unsere Mehrkosten dafür waren 500.000 bis 600.000 Euro.

In diesem Sommer ist Ihr Festival ja schon gelaufen. Ohne Modellprojekt-Status. Wie war es? So, wie vor der Pandemie?

Ich muss vorausschicken, dass das Festival im Modellprojekt und auch im Jahr zuvor nicht ansatzweise unserem und dem Anspruch der Gäste genügt hat. Das waren keine typischen Wurzelfestivals, man konnte sich nicht frei ausleben. In diesem Jahr haben wir es geschafft, unseren Ruf wieder herzustellen. Wir haben wieder entspannt und befreit mit unseren Gästen gefeiert. Wir hatten auch zum Glück keinen Rücklauf bei den Tickets.

Gab es das anderswo?

Ja. Einige Branchen-Kollegen haben in diesem Jahr aus verschiedenen Gründen schwer mit den Ticket-Verkäufen zu kämpfen. Und das betrifft nicht nur den elektronischen Musikbereich. Wir sehen auch, dass große Events ihre Tourneen verschieben, ihre Hallen verkleinern und ganz offen sagen, dass das am mangelnden Ticketverkauf liegt.

Die Veranstalter sind davon ausgegangen, dass die Gäste jetzt nach der Pandemie ausgehungert sind und die Events stürmen werden. Dem ist leider nicht so. Denn die Menschen lesen ja die vielen negativen Nachrichten zu Corona, dem Ukraine-Krieg und den steigenden Preisen. Natürlich haben die potenziellen Gäste Zukunftsängste und halten ihr Geld zusammen.

Da erwarte ich von der Politik und zwar von der aus Brandenburg, dass sie Gästen und Veranstaltern Sicherheit gibt. Dass sie sagt, dass die Festivals stattfinden und sie den Veranstaltern mal ein bisschen unter die Arme greifen. Wenn die Politik nicht bald hilft, wird es wirklich ruhig werden in Brandenburg. In Berlin geht das ja auch. Warum werden wir nicht unterstützt? Da kommt nix.

Manche meiner Kollegen haben ein extrem mieses Betriebsergebnis. Sogar das große Fusion-Festival hat es verkündet: sie haben in diesem Jahr 1,5 bis 2 Millionen Euro Minus gemacht. Das ist für kleinere Festivals nicht zu verkraften – die sind dann weg vom Fenster.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Sabine Prieß, rbb|24

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 12.08.2022, 19:30 Uhr

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