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Video: rbb24 Abendschau | 02.10.22 | Christian Titze | Quelle: imago images/M. Müller

"Ring des Nibelungen" an der Staatsoper

Rheingold im Stresslabor-Triumph für Thielemann

Es sollte ein Geburtstagsgeschenk für Daniel Barenboim werden: Der Ring des Nibelungen an seinem Haus mit seiner Staatskapelle. Jetzt steht Christian Thielemann am Pult, Barenboim musste passen. Das Rheingold geriet zu einem Triumph. Von Maria Ossowski

Ein Ring ohne den Chef. Undenkbar vor einem Jahr. Daniel Barenboim hatte noch die Generalprobe des Rheingolds vor wenigen Tagen besucht, gestützt auf helfende Hände, es geht ihm gesundheitlich schlecht.

Zur Premiere kam er nicht. Sie geriet zu einem Triumph für seinen Wunsch-Ersatz, für Christian Thielemann. Das Publikum jubelte dem in Berlin aufgewachsenen und auf der ganzen Welt für seine Wagnerdirigate gefeierten Künstler zu. Thielemann ist spät eingesprungen, um in zwei Zyklen dieses aufwändigste und anstrengendste Werk des Musiktheaters zu dirigieren.

Wagners Ring, ein Mythos mit einer Nettospielzeit von 15 Stunden. Für jedes Opernhaus die größte Herausforderung, zumal mit vier Premieren in einer Woche. Berlin hat innerhalb eines Jahres zwei Ringinszenierungen gestemmt, die unterschiedlicher kaum sein können.

Kostenexplosion

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Grandioses Bühnenbild mit acht Räumen

Der russische Regisseur Dimitri Tscherniakow verlegt den Ring an der Staatsoper in ein Forschungsinstitut. Null Mythologie: Göttervater Wotan gibt den Chef, Riesen und Menschen sind Versuchsobjekte. Eine starke Idee, getragen zudem von grandiosen Bühnenbildern mit acht Räumen aus den 60er Jahren bis heute.

Ob Rheingoldklau oder Göttervergreisung, die Bühne dreht und hebt und senkt sich mit einem Stresslabor, einer Wartehalle, einem Hörsaal, einem Korridor, einem Zwischenstock mit echten Kaninchen in Käfigen. Wotan und Loge fahren in einem Fahrstuhl runter in eine Kellerwerkstatt für die armen Nibelungensklaven, und die Riesen verhandeln ihren Lohn im Konferenzraum.

Tscherniakows Ring stringenter als Herheims Inszenierung im vergangenen Jahr

Stefan Herheim hat vor einem Jahr an der Deutschen Oper eine sinnlich-bunte, oft bis an die Schmerzgrenze prall überfüllte Tetralogie inszeniert. Tscherniakows Ring an der Staatsoper ist stringenter, strenger, intellektueller. Große Momente faszinieren. Alberich ist ein armes Versuchskaninchen unter einer Elektrodenhaube, seine Geilheit steuern die Laborchefs.

Das überrascht, aber es fehlen oft die Bilder zu Wagners Erzählung. Wenn die Riesen ihren Lohn fordern und die Götter das Gold auftürmen müssen, geschieht auf der Bühne nichts dergleichen. Das zerdehnt die zweieinhalb Stunden, viele Blicke im Zuschauerraum gehen diskret auf die Uhren.

Buhrufe für Villazon als Feuergott Loge

Strahlend hingegen klingt die Staatskapelle unter Thielemanns Leitung: plastisch und tiefsinnig.

Hin und wieder und zum Glück selten nimmt Thielemann die Tempi etwas sehr langsam. Michael Volle als Wotan, Vida Mikneviciute als Freia oder Stephan Rügamer als Mime singen wie fast alle Solisten textverständlich und fein und großartig und wagnergemäß.

Mit einer Ausnahme: Rolando Villazon spielt einen hinreißenden Feuergott Loge, hintertrieben und mit viel Witz. Stimmlich jedoch hat er weder dem Publikum noch sich selbst mit dieser Rolle einen Gefallen getan. Buhs für Sängerinnen und Sänger sind immer ein No Go. Nichtklatschen wäre die feinere Variante gewesen. Allein, der Buhsturm war nicht zu überhören.

Sendung: rbb24 Abendschau, 02.10.22, 19:30 Uhr

Beitrag von Maria Ossowski

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