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Quelle: imago images/M. Evans

Corona-Pilotprojekt der Berliner Philharmoniker

"Die Sehnsucht nach Kultur und Musik ist riesengroß"

Es ist ein Pilotprojekt, das ein Modell für sie gesamte Konzert-Szene werden könnte: Die Berliner Philharmoniker spielen am Samstagabend vor frisch auf das Coronavirus getestetem Publikum. Besetzt ist im Saal nur jeder zweite Platz. Von Maria Ossowski

Tschaikowskis "Romeo und Julia" und Rachmaninoffs zweite Sinfonie - 1.000 Besucher und Besucherinnen werden frisch auf Corona getestet dabei sein, wenn Kirill Petrenko am Samstag in der Berliner Philharmonie den Taktstock hebt.

Die Intendantin der Philharmoniker, Andrea Zietzschmann, hatte sich zuvor gefragt, wer die Tests, die personalisierten Ticketbestellungen und die Wartezeiten überhaupt in Kauf nehmen würde. "Am Tag vorher habe ich mich wirklich noch gefragt, wie wird es sein, wenn der Vorverkauf losgeht um 9 Uhr. Um 9:03 Uhr bekam ich die fantastische Nachricht, dass wir ausverkauft sind. Hunderte von Leuten hingen noch in den Warteschleifen und wollten gerne Karten", sagt Zietzschmann. Daran sehe man, dass die Sehnsucht nach Kultur und Musik riesengroß sei.

Viele Probleme im Vorfeld gelöst

Andrea Zietzschmann und ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben logistisch kleine Wunder vollbracht. Das Ticketing musste neu programmiert, das Vertriebssystem geändert, EDV-Probleme gelöst werden.

Am Ende habe, wer sich eine Karte gekauft habe, einen Gutscheincode bekommen. "Damit konnte man sich einen Time-Slot buchen in der fünf dezentralen Testzentren oder hier bei uns im Haus", schildert Zietzschmann. Man habe bei diesem Pilotprojekt auch ausprobieren wollen, wie es mit einem eigenen Testzentrum zwischen 17 Uhr und 18:30 Uhr laufe. "Da möchten wir 480 Leute testen. Wir hoffen, dass das Ganze gut funktioniert". Wer sich nicht vor Ort testen lasse, habe in einem der weiteren Testzentren in verschiedenen Stadtteilen einen Testtermin gebucht.

Das Ganze funktioniert auch, weil sehr viele Gewerke ohne Entlohnung geholfen haben. "Der Senat hat die Tests zur Verfügung gestellt, für den Rest kommen wir jetzt auf. Das ist beim Pilotprojekt überschaubar, weil alle pro bono daran mitgearbeitet haben", sagt die Intendantin. Begleitet werde das Ganze auch von einem Team der Charité. "Das war mir wichtig", sagt Zietzschmann. Die Charité-Mitarbeiter seien vor Ort, schauten sich das an "und verifizieren, ob das gut gemacht ist."

Auch Anwälte und Leute aus dem EDV-Bereich hätten das Haus unterstützt. "Da haben alle an einem Strang gezogen. Es ist so toll, dass in unterschiedlichen Disziplinen das Interesse so groß ist, zu helfen, dass man wieder Veranstaltungen möglich macht", sagt Andrea Zietzschmann.

Perspektivisch will man noch mehr Publikum zulassen

Für den Musikgenuss brauchen die Klassik-Fans neben dem personalisierten Ticket also einen negativen Covid-Test, ihren Personalausweis, das Smartphone wegen des Testergebnisses und eine medizinische Maske, die in der Philharmonie nicht abgenommen werden darf. Es gibt keine Pause, keine Garderoben, aber jeder zweite Platz ist frei - dort können die Zuschauerinnen und Zuschauer ihre Mäntel ablegen.

Man werde nach dem Konzert schauen, was gut geklappt hat und was nicht, sagt Zietzschmann. "Wir werden nach dem Konzert auch analysieren, wie hoch der Aufwand wirklich ist und ob man das in den Regelbetrieb umsetzen kann".

Man wolle perspektivisch mehr Publikum zulassen, so die Intendantin weiter. Dazu würden die Hygienekonzepte vom Herbst jetzt wiederbelebt, also Abstandsregeln und Maske. "Wir wollen in pandemisch angespannten Zeiten das Haus nicht öffnen und dann wieder schließen müssen", sagt Zietschmann.

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Präludium von der Karajan-Akademie

Zwischen dem Test vor Ort oder in einem Testzentrum und dem Konzert können zwei Stunden liegen. Was passiert, wenn es in der Zeit hagelt? "Sollte es stürmen, schneien oder regnen, kann man keine Runde im Tiergarten drehen", räumt Zietzschmann ein.

Doch das sei kein Problem, sagt sie. Denn ab 17:30 Uhr würden Stipendiaten der Karajan-Akademie ein Vorprogramm präsentieren. "Ein philharmonisches Präludium. Kammermusik auf der großen Bühne, um die Wartezeit ein bisschen überbrücken zu können".

rbb Kultur überträgt die Veranstaltung am Samstag ab 20:05 Uhr live im Radio [rbb-online.de]. Im Fernsehen zeigt Arte sie am Ostersonntag um 17 Uhr.

Sendung: rbbKultur, 20.03.2021, 20:05 Uhr

Beitrag von Maria Ossowski

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