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Quelle: Audio: Inforadio | 13.07.2020 | Rebecca Barth

Neuer Ideenwettbewerb für Berlin

Wie die DDR Berlin wirken lassen wollte

In dieser Woche wird das Ergebnis eines Ideenwettbewerbs für städtebauliche Visionen in Berlin vorgestellt. Kühne Ideen gab es schon viele. So war es etwa der jungen DDR-Führung wichtig, ihre Idee des real existierenden Sozialismus sichtbar zu machen. Von Rebecca Barth

Im Abendlicht entfaltet die Berliner Karl-Marx-Allee ihre ganze raue Pracht: die erste sozialistische Straße auf deutschem Boden, gebaut in den 1950er Jahren. Wer von Friedrichshain zum Alexanderplatz läuft, kommt vorbei an ehemaligen Arbeiterpalästen, Plattenbauten, Springbrunnen und Turmbauten.

Geschichtsträchtige Gebäude voller Symbolik, Städtebau und Architektur sollten die Utopie einer neuen Gesellschaft in Beton gießen. Nichts sei dabei dem Zufall überlassen worden, sagt der wissenschaftliche Leiter des DDR-Museums, Stefan Wolle. "Das sollte eine Stadt auch für den neuen Menschen seien, für den neuen Werktätigen. Da sollte symbolisch alles Alte, Reaktionäre und Rückständige in diesen Städten überwunden sein. Und sie schufen in der Tat eine gewisse Gleichheit."

Straßenszene auf der Ostberliner Karl Marx Allee in den siebziger Jahren. | Quelle: dpa/Rauchwetter

Eine Allee als Zeichen der Weiträumigkeit

In den 1960er Jahren lebten hier Arbeiter, Künstler und Professoren nebeneinander. 90 Meter macht sich die Karl-Marx-Allee breit, sie ist perfekt für Aufmärsche und Paraden. Die Weiträumigkeit der sozialistischen Stadt sollte den Fortschritt symbolisieren und auch die vermeintliche Überlegenheit des Systems. Die politische Führung, so Stefan Wolle, legte damals großen Wert darauf zu zeigen, dass die DDR ein fortschrittlicher und weltoffener Staat sei. "Eine erfolgreiche neue Gesellschaft, die bald schon den Kapitalismus in den Schatten stellen wird."

Maßgeblich beteiligt an der Gestaltung dieser "Utopien" war das Kollektiv um den Architekten Hermann Henselmann. Neben der Gestaltung der Bauten am Strausberger Platz, Frankfurter Tor und Haus des Lehrers zeichnete Henselmann schon in den 1950er Jahren die ersten Entwürfe für den Berliner Fernsehturm in Kugelform.

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Wettbewerb

Ideen für Berlin

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Angekommen am Alexanderplatz zeigt ein Wandmosaik noch heute, wie sich die DDR-Führung die Idealgesellschaft vorstellte: Bauern in der Morgensonne, Arbeiter und Künstler im Austausch - Wissenschaftler, Ingenieure und Ärzte voller Tatendrang. Das harmonische Nebeneinander verschiedener Berufsgruppen symbolisiert eine klassenlose Gesellschaft. 54 Meter ragt das Haus des Lehrers in die Höhe. Das Mosaik "Unser Leben" windet sich schwungvoll um die karge Fassade. Zusammengesetzt aus rund 800.000 Einzelsteinen, erstreckt es sich über zwei Geschosse. Walter Womacka entwarf das Mosaik zwischen 1962 und 1964 in Zusammenarbeit mit anderen Künstlern.

Szene aus dem Wandfries von Walther Womacka am Haus des Lehrers. | Quelle: dpa/Schoening

Platz für ein repräsentatives Zentrum

Vom Haus des Lehrers sind es nur wenige Schritte auf den Alexanderplatz. Der ganze Platz wurde in den 1960er Jahren umgestaltet, 1971 war er fertig. Das architektonische Erbe, das nach den Zerstörungen des Krieges noch übrig war, musste weichen und Platz schaffen für den Fernsehturm, das Zentrum-Warenhaus - heute Galeria Kaufhof -, ein Hotel, das Haus des Reisens, der Statistik und der Elektroindustrie. Der Alexanderplatz wurde zum repräsentativen Zentrum der einstigen DDR-Hauptstadt. Und zu einem Paradebeispiel für Ostmoderne. Visionär wirkt der Platz heute nicht mehr, auch wenn sich die Menschen noch heute am Brunnen der Völkerfreundschaft treffen, einem Überbleibsel der sozialistischen Utopie.

Seit mehr als 25 Jahren gibt es Pläne, den Berliner Alexanderplatz mit Hochhäusern zu bebauen. Ende 2020 soll die neue Ära beginnen.

Sendung:Inforadio, 13.07.2020, 08:50 Uhr

Beitrag von Rebecca Barth

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