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Sendung: Antenne Brandenburg, 15.8., 11:04 Uhr | Quelle: Rainer Weisflog/www.imago-images.de

Kohleausstieg und Klimakrise bringen Fluss in Gefahr

Trockene Spree wird zum Dauerproblem

Experten nennen die Spree schon heute sarkastisch einen "Flussdarsteller". Das meint: Sie sieht aus wie ein Fluss, aber weil sie häufig nicht fließt, gleicht sie einem See. Von Wolfgang Albus

Man sieht der Spree auf den ersten Blick nicht an, wie sehr sie unter der Trockenheit leidet. Der Fluss ist durch Talsperren und Schleusen oberhalb von Berlin stark reguliert. Trotzdem sprechen Experten von einer dramatischen Situation.

Wer die Probleme der Spree verstehen will, muss ins Lausitzer Kohlerevier reisen. Mehrere Millionen Kubikmeter Grundwasser werden in den Tagebauen jedes Jahr abgepumpt, um an die Kohle zu kommen. Eine Wassermenge größer als der Inhalt des Bodensees wurde in 120 Jahren Bergbau abgepumpt.

Seit der Wende sind die meisten Tagebaue aus DDR-Zeiten nicht mehr in Betrieb. Damit fehlt der Spree das Wasser. Und nun steht auch noch der Kohleausstieg bevor, und es wird immer trockener im Einzugsgebiet des Flusses in der Lausitz.

Brandenburgs Innenminister Stübgen

"Schlimmste Dürre in der Geschichte des Landes"

Bereits 400 Waldbrände in diesem Jahr, darunter fünf Großschadenslagen, die Feuerwehr am Limit: Brandenburgs Innenminister Stübgen hat ein dramatisches Bild der Situation infolge der anhaltenden Trockenheit gezeichnet.

Dauerhaft Niedrigwasser

Es gibt noch ein drittes Problem. Wenn die Tagebaue aufgegeben werden, dann müssen sie mit Spreewasser gefüllt werden. Ein Beispiel dafür ist der Cottbuser Ostsee. Ein ehemaliger Tagebau, der mit Hilfe von Spreewasser zum größten künstlichen See Deutschlands werden soll. René Schuster von der Grünen Liga warnt davor seit Jahren: "Über den Tagebauseen verdunstet mehr Wasser in der Landschaft als vor dem Bergbau. Das ist eine Ewigkeitslast letzten Endes." Er fordert, dass die Verdunstung auf das absolut notwendige Minimum reduziert werde. Das geht beispielsweise durch die Vermeidung von Flachwasserbereichen. Je tiefer eine geflutete Grube ist, desto geringer wird auch die Wasserfläche.

Ingolf Arnold vom Wassercluster Lausitz rechnet damit, dass die Verdunstungsmengen in bisherigen Projektionen überschätzt werden, aber auch er sieht die Spree vor dramatischen Veränderungen. "Die Spree wird sich ihr natürliches Kleid wieder anziehen, und das wird enger sein. Das heißt, es wird dauerhaft weniger Wasser fließen." Um die riesigen Grundwassermengen aus dem Bergbau abfließen zu lassen, wurde die Spree im vergangenen Jahrhundert stark ausgebaut. Dieser Trend müsse nun umgedreht werden. Das bedeutet, das Flussbett wieder enger zu fassen und gestautes Wasser möglichst lange in der Landschaft zu halten.

Cottbuser Stadtgebiet

Spree kann wegen Niedrigwasser nicht mehr so viel abgeben

Besonders schwierig wird die Situation im Spreewald. Zurzeit sind einige Schleusen geschlossen, der Abfluss am Pegel Leibsch im Spreewald ist alarmierend niedrig. Wenn künftig der aktive Bergbau nach dem Kohleausstieg kein Wasser mehr liefert und über den gefluteten Gruben mehr verdunstet, dann dürfte sich die aktuelle Niedrigwasser-Situation immer häufiger wiederholen. Besonders angespannt ist die Lage in Berlin, das auf frisches Spreewasser dringend angewiesen ist, vor allem im Trinkwasserbereich.

Immer weniger Frischwasser in Berlin

"Die Kläranlagen leiten auch innerhalb von Berlin ihr gereinigtes Wasser wieder in die Spree. Und wenn zu wenig Frischwasser kommt, steigt der Anteil des geklärten Abwassers in der Spree gegenüber dem Frischwasser", sagt Experte Ingolf Arnold. Er schätzt, dass der Anteil des geklärten Abwassers in Berlin an der Mühlendammschleuse aktuell zwischen 50 und 75 Prozent liegt. Auch hier werde sich die Situation noch verschärfen, wenn weniger Wasser aus Brandenburg kommt.

Im geklärten Wasser lassen sich Arzneimittelrückstände, Röntgenkontrastmittel und sogar Spuren von Drogen nachweisen. Für Menschen gelten die geringen Mengen zwar als unbedenklich, aber insbesondere Hormone aus Verhütungsmitteln im Wasser beeinträchtigen die Gesundheit von Fischen. Die Berliner Wasserbetriebe wollen daher in den nächsten Jahren ihre Kläranlagen mit einer weiteren Reinigungsstufe nachrüsten. Dabei setzt man auf Ozon, das die meisten Stoffe im Wasser unschädlich machen kann.

Quelle: dpa/Patrick Pleul

Trinkwasser aus Fernleitungen

Wasserexperte Ingolf Arnold fordert einen umfassenden Bewirtschaftungsplan für die Spree. Er hält es für möglich, dass Berlin sein Trinkwasser nicht mehr vollständig aus den eigenen Brunnen decken kann. Dann wären Fernleitungen eine mögliche Lösung. Auch ist vorstellbar, dass Wasser aus der Neiße in die Lausitzer Tagebaue und damit ins Einzugsgebiet der Spree gepumpt wird.

Das Neißewasser ist allerdings nur in den Wintermonaten ausreichend vorhanden. Es müsste also in den gefluteten Gruben zwischengespeichert werden. Die dadurch erzeugten Änderungen des Wasserspiegels lösen allerdings bei den Anrainern keine Begeisterung aus, weil die Seen touristisch genutzt werden sollen. Außerdem ist das Genehmigungsverfahren absehbar langwierig, und auch Polen muss einbezogen werden.

Angesichts der Wasserknappheit fordert René Schuster von der Grünen Liga einen Stopp der Braunkohleverstromung in der Lausitz. Vor allem im Kraftwerk Jänschwalde nahe Cottbus wird Spreewasser zur Kühlung eingesetzt. Ein erheblicher Teil verdampft. In der Energiekrise laufen die Kraftwerke derzeit auf Hochtouren. Es wird auch diskutiert, dass bereits abgeschaltete Blöcke wieder ans Netz gehen.

Beitrag von Wolfgang Albus

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