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Quelle: imago/Gottfried Czepluch

Wie sinnvoll ist das deutsche Pfandsystem?

Wo ein Pfand ist, ist auch Einweg

20 Jahre ist es her, dass in Deutschland das sogenannte Pflichtpfand eingeführt wurde. Weniger Müll, mehr Mehrweg lautete damals das Ziel. Doch wie umwelt- und benutzerfreundlich ist das Pfandsystem wirklich? Von Karolin Krämer

Eine nach der anderen verschwinden die Flaschen im langen Schlund des Leergutautomaten. Wer das Gerät jetzt in Bedrängnis bringt, bekommt seine Gaben wieder ausgespuckt. Oder das Teil verabschiedet sich bedrohlich blinkend. Der Leergutautomat scheint die maschinengewordene Schwerfälligkeit deutscher Bürokratie zu sein. Müßig ist der Gang dorthin, müßig ist der Vorgang vor Ort. Aber es gibt einen kleinen Lichtblick am Ende des Automatenschlunds - und der heißt Pfand.

Freiwilliges vs. Pflichtpfand

Bereits 1903 erhob ein Berliner Bierhersteller 10 Pfennig Pfand auf seine Flaschen, um sie erneut befüllen zu können. Das Mehrwegpfand war geboren. Heute gibt es zwar nur 8 Cent für eine zurückgebrachte Bierflasche, das Prinzip ist aber das gleiche. Die zurückgebrachte Flasche wird gespült und wieder befüllt. 50 Mal kann dieser Vorgang bei Glas wiederholt werden. Bei hochwertigen PET-Mehrwegflaschen, die etwa für den Verkauf von Wasser genutzt werden, immerhin 25 Mal. Ob ein Getränkeabfüller Mehrwegpfand auf seine Mehrwegverpackung erhebt, ist ihm überlassen. Eine einheitliche Kennzeichnung für dieses "freiwillige" Pfand gibt es nicht. Allerdings muss auf der Flasche das Wort "Mehrweg" stehen, wenn nicht das Umweltzeichen "Blauer Engel" oder das Logo "Mehrweg – für die Umwelt" abgebildet ist.

Bierdosen und auch die doppelbauchige 1,5-Liter-Wasserflasche vom Discounter gehören hingegen zum Einwegpfandsystem. Sie sind mit 25 Cent bepfandet – übrigens unabhängig von der Füllmenge. Das heißt, auch 0,5-Liter-Einwegflaschen gehören dazu. Eingeführt wurde das sogenannte Pflichtpfand in Deutschland 2003 – zunächst für Verpackungen von Mineralwasser, Bier und kohlensäurehaltigen Erfrischungsgetränken, die nur ein Mal befüllt werden können. Erkennbar ist das Einwegpfand am Logo der Deutschen Pfandsystem GmbH. Ziel der Regierung war es, durch das gesetzliche Pfand Abfälle zu reduzieren und den Anteil der Getränke in Mehrwegverpackungen zu erhöhen. Dass das nicht funktioniert hat, zeigt sich 20 Jahre später. Laut einer Statistik des Umweltbundesamts wurden 2020 nur 43 Prozent aller pfandpflichtigen Getränke in Mehrwegflaschen abgefüllt.

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Mehr Pfand, weniger Material

Dem Pfandautomaten ist das egal. Mal schluckt er, mal spuckt er. Doch gerade wenn die Annahme einer Flasche oder Dose verweigert wird und sie dadurch im Müll landet, hat das maßgebliche Folgen für die Abfüller. Während der Discounter-Wasserabfüller 25 Cent Pfand erhält und nur durchschnittlich 2 Cent in den Materialeinkauf einer neuen PET-Flasche investieren muss, bleiben dem Mehrwegabfüller 8 oder 15 Cent für den Einkauf einer neuen Flasche. Das sei vor allem für Abfüller, die auf Mehrwegglas setzen, ein Problem ist, sagt Michéle Hengst von der Berliner Brauerei "Berliner Berg". "Der Flaschenpreis ist im Einkauf gerade so bei 20 Cent. Das heißt, bei jeder Flasche, die verloren geht, wird ein Minusgeschäft gemacht." Hinzu kommt, dass das Gewicht der PET-Einwegflaschen in den vergangenen Jahren immer geringer geworden ist. Heute wiegt eine 1,5-Liter-Wasserflasche durchschnittlich rund 29 Gramm. Vor zehn Jahren waren es noch 17 Prozent mehr.

Pfand ist nicht gleich Pfand | Quelle: rbb

Für Mehrwegflaschen ist diese enorme Gewichtsreduktion nicht denkbar, da sie stabil genug bleiben muss, um wiederbefüllt werden zu können. Aus Umweltsicht ist allerdings auch bei Mehrweg PET das Material der Wahl. "Ökobilanziell schneidet die PET-Mehrwegflasche besser ab als die Glas-Mehrwegflasche", bestätigt Katharina Istel, Referentin für Kreislaufwirtschaft beim NABU. Denn Glasflaschen wiegen um ein Vielfaches mehr, was sich wiederum auf den CO2-Abdruck des Transports negativ auswirkt. Auch die Länge des Transportweges spielt für Katharina Istel eine entscheidende Rolle. "Es ist immer gut, wenn ein Getränkt möglichst nicht weit transportiert wurde." Ähnlich wie beim Mehrweg-Logo muss man hier allerdings oft genau hinschauen, um den Abfüllstandort herauszufinden.

Annahmepflicht für Einwegpfand

Genau hinschauen sollten Verbraucherinnen und Verbraucher auch bei der Rückgabe ihres Pfands. Denn Mehrwegpfand muss nur dort zurückgenommen werden, wo es auch gekauft wurde. Nimmt ein Leergutautomat oder ein Markt hingegen pflichtbepfandete Flaschen oder Dosen nicht an, können sich Betroffene an die Verbraucherzentrale wenden – sofern das Geschäft mehr als 200 Quadratmeter Verkaufsfläche bietet. Denn dann ist es dazu verpflichtet, das bepfandete Einweg-Leergut anzunehmen.

Wie viele Einweggetränkeverpackungen wirklich zurückgebracht werden, dazu gibt es unterschiedliche Schätzungen. Laut Umweltbundesamt liegt die Rücklaufquote zwischen 95 und 99 Prozent. Der Bund Getränkeverpackungen der Zukunft und die Deutsche Pfandsystem GmbH (DPG) hingegen gehen von 98 bis 99 Prozent aus. Und der NABU errechnete 2015, dass die Einwegabfüller durch schätzungsweise jedes 30. nicht zurückgebrachte Pflichtpfand zusätzliche Einnahmen in Höhe von 180 Millionen Euro hatten.

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Abfüller-, aber nicht benutzerfreundlich

Für Einwegabfüller war die Einführung des 25-Cent-Pfands offenbar ein voller Erfolg. Für Mehrwegabfüller hingegen hat sich seit 2003 eine starke Konkurrenz zum freiwilligen Pfand entwickelt. Um den Markt besser zu regulieren hat die EU-Kommission jedoch Ende letzten Jahres vorgeschlagen, dass Abfüller und Händler bis 2030 zehn Prozent aller Getränke in Mehrwegverpackungen anbieten müssen. Und auch für Pfandautomatengeplagte ist Besserung in Sicht. In einigen deutschen Märkten wird derzeit ein enorm schluckfreudiges Gerät aus Norwegen getestet. Bis zu 100 Plastikflaschen und Dosen kann der Automat auf einmal verarbeiten – in fünffacher Geschwindigkeit. Wenn das mal keine Backpfeife für seinen sperrigen deutschen Bruder ist.

Sendung: rbb|24 explainer, 08.02.2023, 16:00 Uhr

Beitrag von Karolin Krämer

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