Ohne Ballon geht hier gar nichts. Brandenburg ist ein Weinland mit einem nur sehr spärlichen Anteil an Hanglagen. Die Chardonnay- oder Merlot-Trauben gedeihen hier nicht so. Dafür aber wird in Ballons der Saft aus Quitten oder Äpfeln verwinzert.
24 kleine Geschichten über die großen Errungenschaften und kleinen Niederlagen der Brandenburger und Berliner in Sachen "Essen und Trinken". Alle Türchen auf einen Blick finden Sie hier.
Große Teile von Brandenburgs Böden sind - vorsichtig ausgedrückt - leicht. Verwendet man Gutsherren- oder Bauern- oder Gärtnervokabular, dann sind die Böden karg. Noch ein bisschen einfacher gesagt ist das, was man in der der Hand hält, wenn man die Krume aufhebt und zwischen den Fingern zerreibt, vor allem eines: Sand. Mit diesem Sand hat der Brandenburger Bauer seine liebe Not (gar nicht zu reden vom Schrebergärtner). Für ein Produkt aber ist Brandenburgs Sand ganz exzellent geeignet: Apfel. Für den Apfel hat dieser Sand etwas Besonderes: Er wird zügiger als andere Böden warm und sorgt so für eine recht frühe Reife; Brandenburgs Äpfel bekommen dollere rote Bäckchen. Alles andere sollte besser ein Obstbauer oder ein Gärtner erzählen, in jedem Fall ist Brandenburg ein Apfelland.
Weil aber Havel, Spree und Dahme nur plätschern, haben sie keine Täler und Hanglagen in die Mark reißen können. Darum sieht es für die Weinreben dünn aus in Brandenburg: Sie finden in den Weiten der Mark keinen Schutz wie an den breiten recht tiefen Rhein-, oder Mosel- oder Unstruthängen. Der Brandenburger aber hat auch Durst und Lust auf 'was Fruchtiges mit Prozenten und nimmt darum ganz einfach den Apfel und nicht selten auch Knupperkirsche und Quitte für die Maische.
Zum Wohl! Auf die wunderschönen Blüten da hinten!
Fast wichtiger als der Apfel selbst ist die Apparatur. Wer einmal Apfel- oder andere Obstweinstände auf Brandenburgs Märkten oder beim Baumblütenfest in Werder gesehen hat, der denkt jetzt nicht unbedingt an Natur. Selbst wenn die Standinhaber ihre Auslagen noch schön mit Tüchern und Hölzchen und anderen Naturprodukten umlegen: Irgendwo steht immer noch ein Ballon, der ganz offiziell Gärballon heißt.
Je nachdem, in welchem Stadium der angesetzte Obstwein sich gerade befindet, ragt aus dem Ballon dann ein so genanntes Gärröhrchen. Kommt man zu Obstweinverkostungen oder gar Obstweinauszeichnungsveranstaltungen (andauernd wird irgendwo der beste Obstwein gewählt oder verkostet oder prämiert), dann sprechen kundige Mitbesucher über Hefen, Klärmittel und Aufsätze. Sie gehen dabei davon aus, dass jeder genau weiß, dass zur Obstweinproduktion auch noch diverse Schläuche, Eimer, Stopfen, Verschlüsse, Röhrchen, Pressen und Mittelchen gehören.
Falsch reagiert man dabei nicht, wenn man ganz einfach mal ein "Ja!" und ein "Hmmm!" rauspresst. Denn klar ist, dass am Ende aller Prozeduren mit diesen Apparaten ein geschmacklich wirklich nicht zu verachtender Tropfen herauskommt, der die Brandenburgerinnen und Brandenburger für den Heimweg mit Bus und Bahn verpflichtet. Hmmm.
Wein vom Apfel und zehn weiteren Obsten
Ist der Wein dann einmal abgezogen, oxidiert, besser aber dekantiert und wie auch immer belüftet, kommt die Berlinerin und der Berliner ins Spiel. Die Genießer. Sie schlürfen und zutschen, gurgeln und schaumieren inmündig, bis klar ist: Ja, dieser Tropfen hat sie wirklich verdient, die "Goldene" oder die "Silberne" oder die "Bronzene Obstweinkruke". Übertroffen werden die Apfelweine hier lediglich noch von den Weinen der Sauerkirsche, der Schwarzen Johannisbeere, von Himbeere und Erdbeere, Stachelbeere, Kirsche, Pfirsich und Quitte sowie Rhabarber und Aroniabeere. Zehn fruchtige Brandenburger Gründe, den Müller-Thurgau aus dem Badischen mit einem "Och, lass ma'!" abzustrafen.