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Quelle: rbb/Mühlberger

Der Absacker

Das Schlechteste erwarten, das Beste hoffen

Politik und Fußball, Sex, Crime und dann auch noch Wetter: Der Nachrichtentag hatte einiges zu bieten. Sarah Mühlberger macht sich derweil Gedanken über eine Zeit, die niedrige Erwartungen lehrt. Und kämpft mit Papierbergen.

Bei uns im Haus wird seit einigen Wochen der Papiercontainer nicht geleert. Wir hatten das in diesem Jahr schon ein paar Mal, niemand weiß warum. Es gibt Gerüchte über Autos, die die Hoftür zuparken, und eine alternative Theorie, nach der die Müllabfuhr derart überfüllte Container extra stehen lässt. Anfangs wurde der Papier-und Pappe-Turm noch weiter nach oben gebaut, inzwischen stapeln die meisten Nachbarn in ihren Wohnungen und davor. Wir öffnen unsere Tür nur noch ganz vorsichtig, damit nicht alles zusammenbricht.

Ich halte mich für recht optimistisch, aber eigentlich rechne ich nicht mehr damit, dass der Container jemals wieder geleert wird. Und das bringt die derzeitige Corona-Stimmung ganz gut auf den Punkt, zumindest in meinem Bekanntenkreis recht verbreitet: Man geht erst mal von der schlechtesten Variante aus. Wenn man eines gelernt hat in diesen seltsamen Zeiten, dann niedrige Erwartungen zu haben.

Die gebuchte Reise? Mal sehen, was daraus wird. Der Schulstart nächste Woche? Wird sicher holprig. Was bringt der Herbst? Vermutlich Probleme.

Der Vorteil dieser gar nicht so Berlin-untypischen Herangehensweise: Wenn es wider Erwarten doch besser läuft, ist die Freude umso größer. Sie kennen das Gefühl sicher, falls Sie in dieser Stadt mal unkompliziert Behördengänge erledigen oder gar eine neue Wohnung finden konnten.

An den gefühlt fünf Tagen, an denen unser Papiercontainer in diesem Jahr leer war, haben wir in den Nachbar-Whatsapp-Gruppen zügellos Jubel-Emojis verschickt, eilten mit Tränen in den Augen zur leeren Tonne, die bald nicht mehr leer war, und freuten uns über das Wunder namens Müllabfuhr.

Mögen die nächsten Wochen voll solcher Momente sein, in denen es besser läuft, als wir es jetzt gerade erwarten...

1. Was vom Tag bleibt

...zum Beispiel, wenn am Montag in Berlin und Brandenburg die Schule wieder losgeht. Wie der geplante Regelbetrieb in Berlin aussehen soll und was der Plan B ist, erläuterte heute Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD). "Grundsätzlich gilt die Schulpflicht", betonte Scheeres, es gebe aber Ausnahmen. Eine Schul-Maskenpflicht soll es nicht nur in der Hauptstadt, sondern auch in Brandenburg geben.

Dafür werden die Corona-Regeln in anderen Bereichen gelockert: Ab Samstag sind in Berlin wieder sexuelle Dienstleistungen erlaubt, allerdings vorerst ohne Geschlechtsverkehr, der ist erst ab September wieder möglich.

Dann wird voraussichtlich auch wieder Fußball gespielt, in den Bundesliga-Stadien soll jedoch einiges nicht erlaubt sein, zum Beispiel Alkohol, Stehplätze oder Gästefans.

Und sonst war heute noch das los:

➡️ In Berlin-Wilmersdorf haben Unbekannte versucht, eine Bank zu überfallen - und dabei einen Sicherheitsmann angeschossen.

➡️ Andreas Kalbitz, ehemaliger Brandenburger AfD-Landeschef, lässt nach seinem Rauswurf aus der Partei nun sein Amt als Fraktionschef im Landtag zunächst ruhen, bis die Situation juristisch geklärt ist.

➡️ Und nach dem Recherchen des rbb fragwürdige Rindertransporte in "Hochrisikostaaten" mit ungenügendem Tierschutz aufgedeckt hatten, sind nun in vier Bundesländern Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.

➡️ Kleiner Vorausblick auf die kommenden Tage und Nächte: Es wird heiß. Sehr, sehr heiß.

2. Abschalten.

Wie wird nach den Ferien der Normalbetrieb an den Schulen laufen? Das hängt auch davon ab, wie gut alle mitziehen werden. Und das wiederum, auch das lehrte Corona, liegt maßgeblich an der Kommunikation. Statt Schülerinnen und Schülern mit strengem Ton und Schachtelsätzen zu erklären, an welche Corona-Hygieneregeln sie sich halten müssen, kann man es auch natürlich so machen wie dieser Schuldirektor aus den USA (Ton an!):

Hintergründe zu dem Youtube-Hit können Sie bei den Kollegen vom "Spiegel" nachlesen. Deutsche Versionen eines solches Songs möchte ich mir allerdings lieber nicht wünschen - die Vorstellung, dass mein ehemaliger Schuldirektor ein solches Video aufnimmt... ist jedenfalls gru-se-lig.

Wer ich bin

Mit elf Jahren hat sie das erste und einzige Interview ihres Lebens gegeben: Sarah Mühlberger ist im Berliner Südwesten Tür an Tür mit Kaufhauserpresser "Dagobert" aufgewachsen. Damals hat sie beschlossen, Fragen lieber selbst zu stellen. Seit ihrer Rückkehr von einem mehrjährigen Bayern-Aufenthalt sind die Antworten ihrer Interviewpartner für sie auch wieder leichter zu verstehen.

3. Und, wie geht's?

Schreiben Sie uns doch mal wieder. Wie optimistisch oder pessimistisch blicken Sie denn dem Herbst entgegen? Haben Sie auch niedrige Erwartungen als sonst? Wir freuen uns jedenfalls über Post: absacker@rbb-online.de.

(Und falls Sie Näheres über die große Altpapier-Nichtabholungs-Verschwörung wissen, schreiben Sie mir auch gern.)

4. Ein weites Feld...

An dieser Stelle einfach mal mein herzliches Mitleid an alle Supermarktmitarbeiter, Sicherheitsleute, Bademeisterinnen sowie alle anderen, deren - ohnehin oft viel zu schlecht bezahlter - Job in diesen Tagen zu großen Teilen daraus besteht, an seit Monaten geltende, sehr einfache Corona-Regeln zu erinnern. Und dafür dann auch noch angeschnauzt werden. Dankeschön für Ihre Arbeit und Ihre Geduld.

Bis bald

Sarah Mühlberger

Beitrag von Sarah Mühlberger

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