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Quelle: dpa/Ralph Kerpa

Der Absacker

Mehrere Anekdoten sind noch kein Beweis

Ist es wirklich so schlimm? Könnte dieses Mittel nicht helfen? Mit Maske passiert doch sicher nichts? Man möchte so gerne der Unsicherheit des Virus etwas entgegensetzen. Aber die einfachen Wahrheiten können nur scheitern. Von Haluka Maier-Borst 

Anekdoten sind einfach zu mächtig. Gestern kamen mir eine Freundin und ihr Freund entgegen und wollten mich umarmen. "Halt Moment, dürfen wir doch nicht!", sagte ich. Als Antwort kam darauf: "Wir hattens doch schon" und ein leichtes Grinsen der beiden.

Sie ist Lehrerin, er ist ihr Freund und nachdem ein Kind in der Schule das Virus hatte, hatten sich beide angesteckt. Beide haben es zum Glück problemlos überstanden. Sie hielten dann also nur aus Höflichkeit Abstand. Und vielleicht weil sie nicht wollten, dass sich die Hamburger, die sie in der Hand hielten, auf meiner Jacke als rot-weiße Farbcollage verewigten.

Nach dem kurzen Plausch fuhr ich weiter nach Hause und ertappte mich kurz bei dem Gedanken: "Hach, hätte ich es doch auch schon gehabt." Und das obwohl ich genügend Studien gelesen habe und als Wissenschaftsjournalist weiß, dass eine einzelne Anekdote doch nichts aussagt.

1. Was vom Tag bleibt

Genau solche Anekdoten und scheinbaren Gewissheiten sind ein Problem. Ich bin auch für eine erweiterte Maskenpflicht, so wie die Mehrheit der Berliner sie sich wünscht. Ich hoffe aber, dass allen klar ist, dasseben nicht die Maske das eine Gegenmittel ist. Abstand halten, Hände waschen, unnötiges Rumschlendern vermeiden – all das gehört weiterhin dazu, so schwer es uns fällt. 

Doch man muss sich nicht nur vor der eigenen falschen Gewissheit in Acht nehmen. Es gibt auch da draußen so manchen, der mal mehr oder weniger perfide die aktuelle Unsicherheit mit seiner Quacksalberei ausnutzt. Welche falschen Angebote zu Corona-Heilmitteln es derzeit gibt, können Sie hier nachlesen.

2. Abschalten.

Diese Kolumne heißt Absacker und sagen wir so, es hat mich schon in letzter Zeit dazu verleitet, den einen oder anderen Cocktail mehr als sonst zu trinken. Am Wochenende habe ich mich zum Beispiel an einem Canchanchara probiert, den ich einst auf Kuba zum ersten Mal getrunken habe. Wie Sie den mixen können, können Sie hier bei Mixology [mixology.eu] oder hier bei Instagram [instagram.com] nachlesen, wobei ich statt Limetten eine frische Grapefruit genommen hab.

Ansonsten können Sie sich natürlich auch drüben bei der Seite "Mit Vergnügen" umschauen und entweder etwas passend zur Jahreszeit mit Rhabarbersaft mischen [mitvergnuegen.de], oder sich bei den Grenzgängern von Vice [vice.com] von einem nach Blut schmeckenden Cocktail, dem "Nosferatini", inspirieren lassen.

Wer ich bin

Großstadtchaos statt Alpenpanorama, Brandenburger Seen statt britisches Meer. Haluka Maier-Borst war schon an ein paar Orten und hat immer die falsch-richtige Wahl getroffen. Für Berlin. Jetzt sitzt er im Wedding - und mehr oder weniger fest. Denn nach einer Reise in die Schweiz war er zunächst für zwei Wochen in Heimquarantäne. Und jetzt hält er sich natürlich auch an das Kontaktverbot. Jeden Tag gegen acht genehmigt er sich einen Absacker und eine kleine Pause von der Nachrichtenlage.

3. Und, wie geht's?

Heute schreibt unsere Kollegin Ute über den Spagat zwischen Sehnsucht nach mehr Sozialleben und Vorsicht.

Was mich gerade umtreibt, sind die vielen Grüppchen in den Parks, die ganz offensichtlich nicht in einer Hausgemeinschaft wohnen, sondern gemeinsam mit Freunden das schöne Wetter genießen wollen. Ich merke selbst, dass es mir immer schwerer fällt, eine Essenseinladung zu Freunden oder zum gemeinsamen Boule-Spielen (mehr als zwei Leute...) abzulehnen - oder diese Pläne meiner unmittelbaren Umgebung auszureden.

Gleichzeitig gibt es bei mir im Freundeskreis einen Vater, der dringend auf ein Spenderorgan wartet - und für den es wirklich, wirklich riskant wäre, sich jetzt zu Hause oder im Krankenhaus mit Corona anzustecken. Es ist hart, wie viel Ungewissheit er und seine Familie derzeit aushalten müssen. Und genau das möchte ich bisweilen den Grüppchen im Park an den Kopf werfen.

Morgen sind Sie wieder dran. Schreiben Sie uns also gerne, was Sie derzeit bewegt. Haben Sie auch Quacksalbereien angeboten bekommen? Wie versuchen Sie Abstand zu halten? Und wie schalten Sie gerade ab? Schreiben Sie bitte an: haluka.maier-borst@rbb-online.de

4. Ein weites Feld...

Weil wir es gerade von Cocktails hatten: Nein, diese Kolumne mag Ihnen nicht immer gefallen und könnte auch manchmal besser geschrieben sein. Aber Alkohol ist keiner geflossen, während ich sie schrieb. Ganz einfach weil ich als Halbjapaner, nun ja, schon beim Anschauen von Bier, Wein oder dergleichen leicht beschwipst werde. Wenn ich etwas trinke, dann muss das schon wirklich im Feierabend sein.

Morgen schreibt zum ersten Mal jemand anders den Absacker hier, nämlich meine Kollegin Laura. Die ist Halb-Britin und vielleicht kann Sie im Gegensatz zu mir mit einem Bier oder Wein intus schreiben. Oder ist dann sogar besonders inspiriert. Lassen Sie sich überraschen.

Bis morgen, bleiben Sie drinnen und Prost, sagt

Haluka Maier-Borst

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