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Video: Abendschau | 29.06.2021 | Quelle: rbb

Masken und Kontaktbeschränkungen

Berliner Pflegeheimbewohner trotz hoher Impfquote immer noch isoliert

Bewohner von Pflegeheimen gehörten zu den ersten, die gegen Corona geimpft wurden. Doch noch immer herrschen in den Berliner Heimen strenge Vorsichtsregeln. Das erschwert die Arbeit der Pflegekräfte. Die Bewohner sind weiterhin isoliert. Von Sylvia Tiegs

Mit einem lauten "Hallo, ich bin’s, die Erika!" betritt Altenpflegerin Erika Prinz das Zimmer einer bettlägerigen Bewohnerin. Wir sind im Franz-Jordan-Stift, einem Seniorenheim in Berlin-Reinickendorf. Hier gilt, was in allen Berliner Pflegeheimen aktuell gilt: die Mitarbeiter*innen müssen FFP2-Masken tragen, wenn sie körpernah pflegen oder aus anderen Gründen den Abstand von 1,5 Metern nicht einhalten können. Eine vollständige Impfung schützt davor nicht.

Pflegerin Erika Prinz am Bett einer Bewohnerin | Quelle: rbb

Die Freude an der Arbeit schwindet

Pflegefachkraft Erika Prinz kann diese Regelung nicht nachvollziehen. Sie ist zweifach geimpft, genauso wie 90 Prozent ihrer Kolleginnen und Bewohner. Sie versucht unter der FFP2-Maske wenigstens "mit den Augen" zu lächeln. Trotz der Anstrengung, stundenlang damit zu arbeiten: "Es ist sehr schwer, Luft zu holen. Und mein Gesicht ist bei dieser Hitze schon nach fünf Minuten nass unter der Maske."

Wenn sie hinaus auf den Flur tritt und Abstand halten kann, darf sie laut aktueller Berliner Corona-Verordnung die leichtere OP-Maske aufsetzen. Das sei nett gemeint, meint Erika Prinz, aber vollkommen lebensfremd. Stundenlang die Masken wechseln, im Minutentakt – "da fliegt mir nur die Brille runter".

Sie liebe ihren Beruf über alles, sagt die Altenpflegerin. Seit 35 Jahren übt sie ihn aus. Aber das Masketragen nehme ihr die Freude, lächelnd zur Arbeit zu kommen, denn "mein Lächeln sieht sowieso keiner". Die Mimik aber sei wichtig und gebe Sicherheit, die sie und die Bewohner so dringend bräuchten.

Kontaktbeschränkungen trotz Impfung

Die Bewohner im Franz-Jordan-Stift bräuchten tatsächlich jedes lachende Gesicht, das sie sehen können. Ihnen geht es wie so vielen Heimbewohnern in Berlin: Eineinhalb Jahre Isolation stecken ihnen in den Knochen - Kontaktbeschränkungen, die einfach nicht enden wollen. Die 91-jährige Gerda Kutz ist noch vor der Pandemie in das Franz-Jordan-Stift gezogen. Sie hat in dieser Zeit Freundschaften geschlossen. Aber kultivieren kann sie diese Kontakte nicht mehr: "Wir waren früher im Speisesaal ein Tisch mit vier Leuten. Das war schön, da konnten wir uns unterhalten." Jetzt ist dieses gemeinsame Essen für Gerda Kutz und ihre Mitbewohner nicht möglich, obwohl alle geimpft sind. "Das fehlt", sagt die alte Dame traurig.

Zwar kommt ihre Tochter Christine regelmäßig zu Besuch, und sie darf inzwischen auch wieder zu ihrer Mutter aufs Zimmer. Weil die zweite Impfung bei ihr derzeit aber noch zu frisch ist, ist Körperkontakt nicht gestattet. Auch wenn die Tochter zuvor – wie bei jedem Besuch – einen negativen Corona-Test vorlegt. Gerda Kutz und ihre Tochter vermissen die Umarmungen, sagen beide. Wenigstens muss Tochter Christine bei ihren Besuchen künftig keine Maske mehr tragen, wenn ihr Impfschutz vollständig ist.

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Die Pflegeheime hinken bei Lockerungen hinterher

Die Leiterin des Franz-Jordan-Stifts, Stefanie Becker, gönnt Besucher*innen wie der Tochter von Gerda Kutz durchaus, dass sie bald ohne Maske zu ihrer Mutter kann. Die Heimleiterin versteht nur nicht, warum die Maskenfreiheit dann nicht auch für das geimpfte Personal gilt – und warum auch die sozialen Kontakte der geimpften Bewohner untereinander weiter eingeschränkt sind: "Ich finde das schwierig, weil man natürlich auch mitbekommt, wie viele Lockerungen außerhalb des Heimes passieren", sagt sie.

Diese Lockerungen, meint Stefanie Becker, bräuchten die Pflegeheime auch. "Wir hängen immer hinterher. Aber unsere Bewohner haben nicht die Zeit, die wir alle vielleicht haben." Umso mehr wünscht sich die Leiterin des Franz-Jordan-Stifts mehr Möglichkeiten, bei einer Impfquote von 90 Prozent in ihrem Haus auch mehr zuzulassen. Bislang aber stehen die Berliner Corona-Regeln für Pflegeheime dagegen. Wenn das so weitergehe, flüchteten noch mehr Pflegekräfte aus dem Beruf, als ohnehin schon, fürchtet Stefanie Becker. Und die Tochter von Gerda Kurtz antwortet auf die Frage, ob ihre Mutter unter den Corona-Einschränkungen gelitten habe, wie aus der Pistole geschossen mit: "Ja!"

Sendung: Inforadio, Der Morgen, 29.06.2021

Beitrag von Sylvia Tiegs

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