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Quelle: Audio: Inforadio/ Dörthe Nath Bild: dpa-Symbolbild/Christoph Hardt

Interview | Molekularbiologe zu Impf-Durchbrüchen

"Corona ist nach wie vor ein gefährliches Virus"

Trotz Impfung stecken sich viele Menschen mit der Omikron-Variante an, die Inzidenzen steigen. Molekularbiologe Emanuel Wyler erklärt, warum sich auch Geimpfte anstecken und wieso das Virus jetzt nicht unterschätzt werden sollte.

rbb|24: Herr Wyler, gefühlt sind Impf-Durchbrüche jetzt die Regel. Entspricht das auch der Studienlage?

Emanuel Wyla: Ja, das ist so. Das liegt daran, dass diese Variante, die wir zurzeit haben, viel besser darin ist, die vorhergehende Immunität durch Impfung oder vorherige Genesung zu umgehen. Das bedeutet Omikron ist viel besser in der Lage, auch Menschen zu infizieren, die schon geimpft sind oder sich schon mal mit dem Coronavirus infiziert hatten.

Zur Person

Was ist in dieser Situation dann noch der Nutzen der Impfung, insbesondere der Booster-Impfung?

Die Impfung ist immer noch sehr gut darin, schwere Krankheitsverläufe und natürlich auch Todeszahlen zu verringern. Das gilt auch noch mit Omikron. Das sieht man beispielsweise in Hongkong: Dort sind die Impfzahlen sehr niedrig, und nicht nur die Fallzahlen sind durch die Decke gegangen, sondern auch die Sterbezahlen durch Covid-19. Das bedeutet, die Impfung hilft nach wie vor und insbesondere auch die Booster-Impfung, die den Impfschutz noch deutlich verbessert.

Offenbar sind Menschen, die geimpft und genesen sind, auch besonders gut geschützt. Da spricht man von sogenannter hybrider Immunität. Warum ist das so?

Das liegt daran, dass wir in unserem Körper ein lokales Immunsystem in Hals und Nase haben. Das bedeutet, es gibt bestimmte Antikörper, die zirkulieren nicht nur im Rahmen vom Körper, sondern die sind wirklich ganz gezielt in den Schleimhäuten in der Nase. Und die sind natürlich besonders gut darin, das Virus sofort abzufangen, wenn es reinkommt.

Die Impfung an sich ist sehr effizient, aber die wird in den Muskel gespritzt. Von dort erreicht sie unser Immunsystem im Körper, im Blut, aber nicht so gut in den Schleimhäuten. Wenn man sich dann noch zusätzlich infiziert, kriegt man eben noch diese Schleimhaut-Immunität oben drauf. Das bedeutet natürlich nicht, dass man es anstreben soll, sich zu infizieren. Aber es erklärt, warum Geimpfte und Genesene noch einen zusätzlichen Schub haben.

Von den Menschen, die die Krankheit jetzt haben, hört man, dass sie oft auch wirklich krank sind. Sie haben Fieber, Husten, Kopfschmerzen, liegen im Bett und haben auch manchmal noch Wochen nach der Infektion damit zu tun und sind schnell aus der Puste. Ist also tatsächlich alles so mild?

Mild sagt man deswegen, weil man das ganze klinische Spektrum anguckt: Auf der schlimmsten Seite stehen Todesfälle. Dann ist natürlich eine Erkältung, auch wenn man zwei Wochen mit Fieber im Bett liegt, natürlich im Vergleich dazu mild. Das zeigt uns aber auch, dass Covid trotz der Impfung nach wie vor ein gefährliches Virus ist und wir das weiterhin sehr genau beobachten müssen. Und es weiterhin auch angezeigt ist, vorsichtig zu sein, gerade jetzt weiterhin Masken zu tragen, denn es geht darum sich selbst und andere zu schützen.

Wie ist das mit den Langzeitfolgen? Treten die bei Geimpften genauso auf? Oder sind die auch dagegen besser geschützt?

Dieses sogenannte Long-Covid ist natürlich ein wichtiges Forschungsthema. Leider sind wir da nicht ganz so weit, um das klar sagen zu können. Es gibt schon zahlreiche Hinweise mittlerweile, dass die Impfung auch gegen Langzeitfolgen gut schützt, aber keinen hundertprozentigen Schutz bedeutet. Es bedeutet nur, dass es weniger wahrscheinlich ist. Das fügt sich in das Bild, dass Sars-Cov-2 weiterhin ein gefährliches Virus ist und man da nicht alle Schutzmaßnahmen sein lassen kann von jetzt auf gleich.

Das heißt die Lockerung kommen ein bisschen zur Unzeit. Oder was höre ich da bei Ihnen heraus?

Die Lockerungen sind natürlich jetzt schon recht früh gekommen, weil wir nach wie vor hohe Fallzahlen haben. Es ist natürlich aber auch so, dass die sich nicht beliebig lange aufrechterhalten würden. Ich hätte es jetzt persönlich gerne gesehen, wenn man noch einige Wochen durchgehalten hätte. Wir wissen ja, dass dieses Sars-Cov-2 ein deutliches Winter-Virus ist. Wir hatten bisher immer vor allem im Winter hohe Fallzahlen und im April gingen sie dann runter. Ich würde daher einfach sagen, wir setzen jetzt auf Eigenverantwortung. Das bedeutet auch: Obwohl man keine Maske tragen muss, kann man das trotzdem tun, insbesondere, wenn viele Menschen zusammenkommen, in Geschäften oder so.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Wyler!

Das Gespräch führte Dörthe Nath. Bei diesem Text handelt es sich um eine gekürzte und redigierte Fassung.

Sendung: Inforadio, 22.03.2022, 8:24 Uhr

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