Interview | Molekularbiologe zu Impf-Durchbrüchen - "Corona ist nach wie vor ein gefährliches Virus"

Di 22.03.22 | 14:45 Uhr
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Große Hinweisplakate weisen die Menschen über die geltenden Corona-Maßnahmen wie Maskenpflicht und Mindestabstand hin. (Quelle: Christoph Hardt)
Bild: Audio: Inforadio/ Dörthe Nath Bild: dpa-Symbolbild/Christoph Hardt

Trotz Impfung stecken sich viele Menschen mit der Omikron-Variante an, die Inzidenzen steigen. Molekularbiologe Emanuel Wyler erklärt, warum sich auch Geimpfte anstecken und wieso das Virus jetzt nicht unterschätzt werden sollte.

rbb|24: Herr Wyler, gefühlt sind Impf-Durchbrüche jetzt die Regel. Entspricht das auch der Studienlage?

Emanuel Wyla: Ja, das ist so. Das liegt daran, dass diese Variante, die wir zurzeit haben, viel besser darin ist, die vorhergehende Immunität durch Impfung oder vorherige Genesung zu umgehen. Das bedeutet Omikron ist viel besser in der Lage, auch Menschen zu infizieren, die schon geimpft sind oder sich schon mal mit dem Coronavirus infiziert hatten.

Zur Person

Emanuel Wyler ist Molekularbiologe am Max-Delbrück-Centrum und forscht dort zum Coronavirus und Immunität. Er rät, das Virus nicht zu unterschätzen und auch nach den Lockerungen noch die Maske etwa in Geschäften zu tragen.

Was ist in dieser Situation dann noch der Nutzen der Impfung, insbesondere der Booster-Impfung?

Die Impfung ist immer noch sehr gut darin, schwere Krankheitsverläufe und natürlich auch Todeszahlen zu verringern. Das gilt auch noch mit Omikron. Das sieht man beispielsweise in Hongkong: Dort sind die Impfzahlen sehr niedrig, und nicht nur die Fallzahlen sind durch die Decke gegangen, sondern auch die Sterbezahlen durch Covid-19. Das bedeutet, die Impfung hilft nach wie vor und insbesondere auch die Booster-Impfung, die den Impfschutz noch deutlich verbessert.

Offenbar sind Menschen, die geimpft und genesen sind, auch besonders gut geschützt. Da spricht man von sogenannter hybrider Immunität. Warum ist das so?

Das liegt daran, dass wir in unserem Körper ein lokales Immunsystem in Hals und Nase haben. Das bedeutet, es gibt bestimmte Antikörper, die zirkulieren nicht nur im Rahmen vom Körper, sondern die sind wirklich ganz gezielt in den Schleimhäuten in der Nase. Und die sind natürlich besonders gut darin, das Virus sofort abzufangen, wenn es reinkommt.

Die Impfung an sich ist sehr effizient, aber die wird in den Muskel gespritzt. Von dort erreicht sie unser Immunsystem im Körper, im Blut, aber nicht so gut in den Schleimhäuten. Wenn man sich dann noch zusätzlich infiziert, kriegt man eben noch diese Schleimhaut-Immunität oben drauf. Das bedeutet natürlich nicht, dass man es anstreben soll, sich zu infizieren. Aber es erklärt, warum Geimpfte und Genesene noch einen zusätzlichen Schub haben.

In Hongkong beispielweise sind die Impfzahlen sehr niedrig, und nicht nur die Fallzahlen sind durch die Decke gegangen, sondern auch die Sterbezahlen durch Covid-19. Das bedeutet, die Impfung hilft nach wie vor.

Emanuel Wyler, Molekularbiologe

Von den Menschen, die die Krankheit jetzt haben, hört man, dass sie oft auch wirklich krank sind. Sie haben Fieber, Husten, Kopfschmerzen, liegen im Bett und haben auch manchmal noch Wochen nach der Infektion damit zu tun und sind schnell aus der Puste. Ist also tatsächlich alles so mild?

Mild sagt man deswegen, weil man das ganze klinische Spektrum anguckt: Auf der schlimmsten Seite stehen Todesfälle. Dann ist natürlich eine Erkältung, auch wenn man zwei Wochen mit Fieber im Bett liegt, natürlich im Vergleich dazu mild. Das zeigt uns aber auch, dass Covid trotz der Impfung nach wie vor ein gefährliches Virus ist und wir das weiterhin sehr genau beobachten müssen. Und es weiterhin auch angezeigt ist, vorsichtig zu sein, gerade jetzt weiterhin Masken zu tragen, denn es geht darum sich selbst und andere zu schützen.

Wie ist das mit den Langzeitfolgen? Treten die bei Geimpften genauso auf? Oder sind die auch dagegen besser geschützt?

Dieses sogenannte Long-Covid ist natürlich ein wichtiges Forschungsthema. Leider sind wir da nicht ganz so weit, um das klar sagen zu können. Es gibt schon zahlreiche Hinweise mittlerweile, dass die Impfung auch gegen Langzeitfolgen gut schützt, aber keinen hundertprozentigen Schutz bedeutet. Es bedeutet nur, dass es weniger wahrscheinlich ist. Das fügt sich in das Bild, dass Sars-Cov-2 weiterhin ein gefährliches Virus ist und man da nicht alle Schutzmaßnahmen sein lassen kann von jetzt auf gleich.

Das heißt die Lockerung kommen ein bisschen zur Unzeit. Oder was höre ich da bei Ihnen heraus?

Die Lockerungen sind natürlich jetzt schon recht früh gekommen, weil wir nach wie vor hohe Fallzahlen haben. Es ist natürlich aber auch so, dass die sich nicht beliebig lange aufrechterhalten würden. Ich hätte es jetzt persönlich gerne gesehen, wenn man noch einige Wochen durchgehalten hätte. Wir wissen ja, dass dieses Sars-Cov-2 ein deutliches Winter-Virus ist. Wir hatten bisher immer vor allem im Winter hohe Fallzahlen und im April gingen sie dann runter. Ich würde daher einfach sagen, wir setzen jetzt auf Eigenverantwortung. Das bedeutet auch: Obwohl man keine Maske tragen muss, kann man das trotzdem tun, insbesondere, wenn viele Menschen zusammenkommen, in Geschäften oder so.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Wyler!

Das Gespräch führte Dörthe Nath. Bei diesem Text handelt es sich um eine gekürzte und redigierte Fassung.

Sendung: Inforadio, 22.03.2022, 8:24 Uhr

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19 Kommentare

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  1. 19.

    Die Impfquote spielt keine Rolle, denn das Virus weiß ja nicht ob der Träger auf den es überspringt, geimpft ist und wenn ja wie oft und wie lange die letzte Spritze her ist. Da diese Impfstoffe keine sterile Immunität erzeugen und weder einen zuverlässigen Schutz vor Ansteckung noch vor Übertragung bieten (sondern nur vor schwerem Verlauf, dessen Risiko dank Omikron aber ohnehin stark reduziert ist), spielt der Impfstatus für eine Ansteckung überhaupt keine Rolle. Lediglich die Viruslast beim Übertragen auf andere ist etwas geringer.

    Wo bleiben eigentlich die für März angekündigten Omikron-Impfstoffe?

  2. 17.

    Die Antwort ist denkbar einfach: Auch mein Gegenüber hat eine Eigenverantwortung, die sie wahrnehmen muss und es ist deutlich effektiver, dass jeder sich selbst bestmöglich schützt. Ein Fremdschutz ist erwiesenermaßen kaum mehr gegeben, so dass nicht ich die Verantwortung trage, jemanden infiziert zu haben sondern der Infizierte selbst. Das mag im Einzelfall durchaus schwierig sein, wenn es sich bei demjenigen zum Beispiel um eine zu pflegende Person handelt. Dann gibt es durchaus eine gewisse Pflicht für mich, bestmöglich Sorge zu tragen, dass ich nicht infektiös bin, zum Beispiel durch Tests (Impfen + Boostern reicht nicht!). Mehr kann man nicht tun, alles andere fällt unter höhere Gewalt. So gefährlich Corona ist, vor allem für die Risikogruppen, wir werden damit leben müssen.

  3. 16.

    Wenn sie meinen Beitrag einfach nur ins lächerliche ziehen wollen… wegen meiner.
    Falls sie ihn doch verstehen wollen lesen sie sich einfach den Post auf den ich geantwortet habe durch.
    Juckt mich aber eigentlich auch nicht.

  4. 15.

    Tatsache ?!
    Das Betreten aller innenräume ohne Masken Tests Impfungen ist trotzdem verboten…. teilweise gilt das auch noch draußen.
    Und es gehört für mich ein wenig mehr zum Leben als sich draußen stundenlang auf eine Parkbank zu setzen.
    Ich habe einige Aktivitäten die aber weiterhin ohne Beschränkungen nicht möglich sind.

  5. 13.

    Klar ist Corona gefährlich!
    Genauso wie Krankenhauskeime, Influenza-Viren für ältere Ungeimpfte, Zucker- und Zigarettenkonsum, Übergewicht usw.
    Warum wird immer nur auf CORONA rumgeritten?
    Wir haben eine Impfung, die sich jeder abholen konnte.
    Und das sollte dann auch genügen.

  6. 12.

    Andreas, das Verweilverbot in den Parks ist ebenso wie die Maskenpflicht dort seit 2020 aufgehoben...

  7. 11.

    "... Schon das 2. Jahr hinter einander ist die Grippewelle ausgefallen. Vielleicht war Corona doch der Ersatz dafür!"

    Oder kann man dies evtl. der "fürchterlichen" FFP2-Maske zurechnen?

  8. 10.

    Eigenverantwortung heißt, dass ich die VERANTWORTUNG für die Folgen meiner Handlungen übernehme.

    Wie wollen Sie die Folgen für Ihre Handlungen übernehmen, wenn sich eine Person direkt oder indirekt durch Sie mit Corona infiziert und einen schwereren Verlauf hat? Auf Ihre Antwort bin ich gespannt. Letztlich bleibt Ihnen im Sinne von Eigenverantwortung nichts anderes übrig, als sich und andere durch entsprechende Maßnahmen zu schützen. Und wenn Sie das nicht von alleine schaffen (aktuell 4 Millionen Infizierte in Deutschland), dann bedarf es offenbar Maßnahmen, die man Ihnen vorschreibt.

  9. 9.

    Sachlich Fakten übermittelt, ungeschönt und ehrlich. Diese Art der Informationsübermittlung fehlte sehr oft in der Vergangenheit. Andreas kann den Beitrag leider nicht verstehen, hat ihn wahrscheinlich nicht gelesen oder nicht verstehen wollen. Fakten muss man eben aushalten können.

  10. 8.

    Zumal wenn man in der Pflege arbeitet, ist es vielleicht nicht verkehrt in Läden und der gleichen weiter eine Maske aufzusetzen. Es wird zwar täglich getestet, nur wenn es 3-5 Tage dauert bis nach einer Infektion Positiv angezeigt wird, ist ein Wohnbereich mit unzähligen Bewohnern schnell mit infiziert.

  11. 7.

    Lockerung sollte jedem selbst überlassen sein, man kommt sich vor wie in einem Kindergarten. 3x geimpft, 3x verar...t

  12. 6.

    Es ist ja hinreichend bekannt, wie wenig Sie vom Tragen einer Maske zum Infektionsschutz halten. Aber wo ist im Artikel von FFP2-Masken die Rede?

  13. 5.

    Es ist gut, dass DE endlich wieder zur Eigenverantwortung der Bürger zurückkehrt.

    Jeder kann, wann und an welchen Ort sich selbst entscheiden, ob er Maske und welche trägt.

    Jeder sollte auch selbst entscheiden, ob er sich impfen lässt, wie oft er sich impfen lässt oder auch nicht.

    Schon das 2. Jahr hinter einander ist die Grippewelle ausgefallen. Vielleicht war Corona doch der Ersatz dafür!

  14. 4.

    Der Lockdown ist übrigens vorbei. Sie dürfen also auch wieder raus und müssen nicht jeden Artikel als einer der ersten kommentieren ;-)

  15. 3.

    Wenn es so wichtig ist, daß auch zusätzlich die Nasenschleimhäute durch die Immunisierung erreicht werden, sollte man verstärkt in die Richtung eines Sprays als Formulierung für die Auffrischung forschen. Was läuft da auf Basis von in der EU zugelassenen Impfstoffen? Erste Versuche in die Richtung und auch Einsätz waren aus Rußland und China zu vernehmen, Präparate aus diesen Ländern sind aber hier nicht auf dem Markt vertreten.

  16. 2.

    Das Problem im Kopf ist bekannt äußert sich aber oft indem man hier auf eine ffp2 Maske besteht … nur hier.
    Auch Masken im Park zu tragen hat seinen Ursprung auch nicht im Gesundheitsschutz.
    Aber wer mag kann das natürlich gern weiter machen auch wenn es nicht hilft.

  17. 1.

    Gutes, pointiertes Interview, danke, Frau Nath, Herr Wyler! Ich hoffe, diese Informationen verbreiten sich auch irgendwie. Die Lockerungen mögen kommen, es wird aber keinem befohlen, die Maske abzusetzen - gerade in Läden ist das ein guter Schutz. Oder, was andere auch gerne machen: wenn man "was unternimmt", also essengehen, Kino, Theater, Veranstaltungen.
    Wenn eine Maske vor Lungenkrebs durch Asbest schützt und man sie dort selbstverständlich den ganzen Arbeitstag lang trägt, wird das für kurze Unternehmungen sicher nicht das Hauptproblem sein, das sitzt eher im Kopp..

    Corona ist halt eine "Kopfgrippe", wie man so schön sagt ;-)

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