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Video: Abendschau | 27.11.2017 | Norbert Siegmund | Quelle: rbb

Weitere schwere Ermittlungspanne bei Amri

Fotos zeigen den späteren Attentäter mit Waffen

Eine Pistole, ein Messer, eine Machete: Die Polizei hat Fotos übersehen, die den späteren Attentäter vom Berliner Weihnachtsmarkt, Anis Amri, mit Waffen zeigen. Diese Bilder, die von Amris Handy stammen, waren von Ermittlern in Berlin und NRW nicht ausgewertet worden.

Im Fall des Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri hat es nach rbb-Recherchen eine weitere Ermittlungspanne gegeben.

Im Landeskriminalamt von Nordrhein-Westfalen wurden auf einem Mobiltelefon Fotos übersehen, die Amri mit verschiedenen Waffen zeigen. Diese Handy-Fotos mit Schuss-, Hieb- und Stichwaffen wurden nach Beschlagnahme seines Handys am 18. Februar 2016 in Berlin entgegen den Absprachen offenbar nicht ausreichend von den Landeskriminalämtern Nordrhein-Westfalen und Berlin ausgewertet. Welche Rolle die Berliner Behörde dabei spielte, ist noch nicht geklärt, denn nach rbb-Recherchen hatte das Berliner LKA offenbar eine Kopie der Handydaten.

Dem rbb liegen mehrere der besagten Fotos von Anis Amri mit einer Pistole exklusiv vor, wobei das Bundeskriminalamt nicht ausschließt, dass es sich bei der Waffe um die spätere Tatwaffe handeln könnte, mit der Amri am 19. Dezember den polnischen LKW-Fahrer Lukasz U. tötete, bevor er den LKW kaperte.

Quelle: rbb

Berlins Polizeipräsident ist "nicht überrascht"

Andere Fotos zeigen Amri nach rbb-Angaben mit einer Machete sowie mit einem Messer posierend in der Berliner Fussilet-Moschee. Während NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) das Versagen einräumte, sagte Polizeipräsident Klaus Kandt gegenüber dem rbb und der "Berliner Morgenpost", ihn könnten solche Fotos nicht "überraschen", denn "solche Menschen" setzten sich "gern mit Waffen in Pose". Kandt verwies darauf, dass Amri ohnehin zu diesem Zeitpunkt  unter enger Beobachtung der Behörden gestanden habe.

Der Berliner Opferanwalt Andreas Schulz kritisierte gegenüber dem rbb diese Situation als einen "der entscheidendsten Fehler". Denn man hätte schon damals aufgrund der Fotos Amri kontrollieren und womöglich wegen unerlaubten Waffenbesitzes in Untersuchungshaft nehmen können.

Quelle: rbb

Ein Datenfilter soll schuld sein

Die Bilder seien bei der Auswertung seines Handys wegen eines Datenfilters übersehen worden, räumte Reul am Montag ein.

Seinen Angaben nach hat die Berliner Polizei das Handy im Februar vergangenen Jahres  bei Amri entdeckt. Das Telefon mit über 12.000 Bilddateien wurde zur Auswertung an das Landeskriminalamt in Düsseldorf geschickt. Dort sollen die Bilder lediglich automatisch ausgewertet worden sein. Dadurch fielen die  Fotos offenbar nicht auf.

Reul sprach von einem Fehler, der nicht hätte passieren dürfen. Ob dies zu einer anderen Einschätzung Amris geführt hätte, könne er nicht sagen. Für einen Haftbefehl hätten die Fotos jedenfalls nicht gereicht. Die Daten hätten allerdings nicht nur dem nordrhein-westfälischen Landeskriminalamt (LKA), sondern auch dem Berliner LKA und dem BKA vorgelegen.

Reul hofft auf intelligentere Software in Zukunft

Angesichts der übersehenen Fotos kündigte Reul an, die Standards zur Auswertung großer Datenmengen beim LKA auf den Prüfstand zu stellen. Es dürfe nicht sein, dass Bilder von minderer Qualität wegen entsprechender Filtereinstellungen unentdeckt bleiben und deshalb nicht ausgewertet werden.

"Für mich ist klar, dass Datenauswertung gerade in Terror-Verfahren bedeutet: Alle vorhandenen Daten werden ausgewertet", betonte der Landesinnenminister. Es gehe aber nicht nur darum, Fehler der Vergangenheit klar zu benennen. "Wenn es neuere, intelligentere Software gibt, die dabei helfen kann, solche Fehler in Zukunft zu vermeiden, dann her damit", erklärte Reul.

Das Attentat ist ein Jahr her

Bereits zuvor waren mehrere Pannen beim Umgang der deutschen Behörden mit dem als islamistischem Gefährder eingestuften Amri bekannt geworden. Der Tunesier hatte am 19. Dezember 2016 einen Lastwagen gekapert und war damit auf den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz gefahren. Bei dem Attentat starben zwölf Menschen, 67 wurden verletzt. Auf der Flucht wurde Amri von der Polizei in Italien erschossen.

Mit Informationen von Sascha Adamek und Susanne Katharina Opalka

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