Weitere schwere Ermittlungspanne bei Amri - Fotos zeigen den späteren Attentäter mit Waffen

Mo 27.11.17 | 16:42 Uhr
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Ermittlungsakten Bundeskriminalamt (Quelle: rbb)
Video: Abendschau | 27.11.2017 | Norbert Siegmund | Bild: rbb

Eine Pistole, ein Messer, eine Machete: Die Polizei hat Fotos übersehen, die den späteren Attentäter vom Berliner Weihnachtsmarkt, Anis Amri, mit Waffen zeigen. Diese Bilder, die von Amris Handy stammen, waren von Ermittlern in Berlin und NRW nicht ausgewertet worden.

Im Fall des Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri hat es nach rbb-Recherchen eine weitere Ermittlungspanne gegeben.

Im Landeskriminalamt von Nordrhein-Westfalen wurden auf einem Mobiltelefon Fotos übersehen, die Amri mit verschiedenen Waffen zeigen. Diese Handy-Fotos mit Schuss-, Hieb- und Stichwaffen wurden nach Beschlagnahme seines Handys am 18. Februar 2016 in Berlin entgegen den Absprachen offenbar nicht ausreichend von den Landeskriminalämtern Nordrhein-Westfalen und Berlin ausgewertet. Welche Rolle die Berliner Behörde dabei spielte, ist noch nicht geklärt, denn nach rbb-Recherchen hatte das Berliner LKA offenbar eine Kopie der Handydaten.

Dem rbb liegen mehrere der besagten Fotos von Anis Amri mit einer Pistole exklusiv vor, wobei das Bundeskriminalamt nicht ausschließt, dass es sich bei der Waffe um die spätere Tatwaffe handeln könnte, mit der Amri am 19. Dezember den polnischen LKW-Fahrer Lukasz U. tötete, bevor er den LKW kaperte.

Ermittlungsakten Bundeskriminalamt (Quelle: rbb)
| Bild: rbb

Berlins Polizeipräsident ist "nicht überrascht"

Andere Fotos zeigen Amri nach rbb-Angaben mit einer Machete sowie mit einem Messer posierend in der Berliner Fussilet-Moschee. Während NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) das Versagen einräumte, sagte Polizeipräsident Klaus Kandt gegenüber dem rbb und der "Berliner Morgenpost", ihn könnten solche Fotos nicht "überraschen", denn "solche Menschen" setzten sich "gern mit Waffen in Pose". Kandt verwies darauf, dass Amri ohnehin zu diesem Zeitpunkt  unter enger Beobachtung der Behörden gestanden habe.

Der Berliner Opferanwalt Andreas Schulz kritisierte gegenüber dem rbb diese Situation als einen "der entscheidendsten Fehler". Denn man hätte schon damals aufgrund der Fotos Amri kontrollieren und womöglich wegen unerlaubten Waffenbesitzes in Untersuchungshaft nehmen können.

Ermittlungsakten Bundeskriminalamt (Quelle: rbb)
Bild: rbb

Ein Datenfilter soll schuld sein

Die Bilder seien bei der Auswertung seines Handys wegen eines Datenfilters übersehen worden, räumte Reul am Montag ein.

Seinen Angaben nach hat die Berliner Polizei das Handy im Februar vergangenen Jahres  bei Amri entdeckt. Das Telefon mit über 12.000 Bilddateien wurde zur Auswertung an das Landeskriminalamt in Düsseldorf geschickt. Dort sollen die Bilder lediglich automatisch ausgewertet worden sein. Dadurch fielen die  Fotos offenbar nicht auf.

Reul sprach von einem Fehler, der nicht hätte passieren dürfen. Ob dies zu einer anderen Einschätzung Amris geführt hätte, könne er nicht sagen. Für einen Haftbefehl hätten die Fotos jedenfalls nicht gereicht. Die Daten hätten allerdings nicht nur dem nordrhein-westfälischen Landeskriminalamt (LKA), sondern auch dem Berliner LKA und dem BKA vorgelegen.

Reul hofft auf intelligentere Software in Zukunft

Angesichts der übersehenen Fotos kündigte Reul an, die Standards zur Auswertung großer Datenmengen beim LKA auf den Prüfstand zu stellen. Es dürfe nicht sein, dass Bilder von minderer Qualität wegen entsprechender Filtereinstellungen unentdeckt bleiben und deshalb nicht ausgewertet werden.

"Für mich ist klar, dass Datenauswertung gerade in Terror-Verfahren bedeutet: Alle vorhandenen Daten werden ausgewertet", betonte der Landesinnenminister. Es gehe aber nicht nur darum, Fehler der Vergangenheit klar zu benennen. "Wenn es neuere, intelligentere Software gibt, die dabei helfen kann, solche Fehler in Zukunft zu vermeiden, dann her damit", erklärte Reul.

Das Attentat ist ein Jahr her

Bereits zuvor waren mehrere Pannen beim Umgang der deutschen Behörden mit dem als islamistischem Gefährder eingestuften Amri bekannt geworden. Der Tunesier hatte am 19. Dezember 2016 einen Lastwagen gekapert und war damit auf den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz gefahren. Bei dem Attentat starben zwölf Menschen, 67 wurden verletzt. Auf der Flucht wurde Amri von der Polizei in Italien erschossen.

Mit Informationen von Sascha Adamek und Susanne Katharina Opalka

15 Kommentare

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  1. 14.

    Wenn Herr Kant sagt Amri hätte schon lange unter Überwachung gestanden. Hätte das Handy doch erst recht schnell ausgewertet werden.
    Das Ganze ist, ein einziges Versagen der Behörden.
    Diese Opfer hätten nicht seien müssen.
    Um so mehr muss man sie und ihre Angehörigen bedauern.

  2. 13.

    12000 Bilder sind zwar nicht wenig, aber LOCKER an einem Tag manuell durchseh- und sortierbar.
    Dafür brauchts nichts weiter als einen "dressierten Affen", wie man so schön in der IT sagt.

    Das soll jetzt auch keine Verunglimpfung der Beamten sein!

    Die sind auch nur arm dran, weil sie die ihnen zur Verfügung gestellten Werkzeuge/Tools/Software nutzen müssen - und die wohl noch nicht ganz ausgereift ist.
    Man kann auch von LKA/BKA-Beamten nicht erwarten, dass das alles IT-Forensik-Spezialisten sind.

    Meiner Meinung nach liegt das Hauptproblem bei der Politik, die ihre Hand schützenserweise über wahnsinnige Islamisten hält und damit die eigentlich fast immer angebrachte U- bzw. Abschiebehaft zu verhindern versucht. Hätte Herr Jäger Anstand, wäre er direkt nach dem Anschlag aufgrund von Inkompetenz und Fehlentscheidungen zurückgetretenen.
    Nun gut - das ist er leider nicht, also musste der Wähler dafür sorgen.....

  3. 12.

    Ich glaube es nicht,in einer Moschee werden Fotos geschossen mit bewaffneten Männern? Ich dachte, der Islam ist friedlich und gehört zu Deutschland? Anscheinend habe ich meine Hausaufgaben nicht gemacht und stelle mich jetzt zum schämen fünf Minuten in die Ecke.

  4. 11.

    So etwas macht Ihnen eine gute software in einer halben Stunde. Da würde dann automatisch sortiert nach Orten oder nach den abgebildeten Gegenständen (das kann sogar mein Handy: das sortiert selbständig nach Orten, Personen, Selbstbildnissen, Tieren, usw. ) In einer gut funktionierenden Ermittlungsbehörde könnte man sicher auch sortieren lassen nach Bildern mit Messer und ohne, mit Pistole und ohne, mit IS-Fahne und ohne usw. usf. Wer sich Ermittler nennt, im Büro aber wahrscheinlich noch einen 486er PC mit Diskettenlaufwerk stehen hat, der sollte sich fragen ob das alles noch so richtig ist.

  5. 10.

    Alles halb so schlimm. Geisel hat in der Abendschau gesagt, das war eine Schreckschusspistole. Wie im Video zu sehen, ist das 100 % sicher eine Schreckschusspistole. Man muss sich halt nur die grobpixelige Auflösung wegdenken , 2-3 Flaschen Rotwein genehmigen und dazu einen gepflegten Joint aus dem Görli reinziehen; und schon sieht eine Barbiepuppe wie eine AK 47 aus. Phantasie und Unvermögen vorausgesetzt!

  6. 9.

    Mal ehrlich, wer sichtet selbst bei vielleicht vorhandenem Anfangsverdacht 12.000 (!) Bilddateien?!? Wohl niemand!!!
    Auf derartige Dinge wird man immer(!) erst aufmerksam, wenn etwas passiert ist. Und warum? Weil mehr Aufwand in 99,9% der Fälle gar keinen Sinn ergibt.
    Und mit dem letzten Bisschen an Restrisiko müssen wir nun mal leben, ob es einem nun gefällt oder nicht.
    Ich danke an dieser Stelle allen Behörde, Beamten und sonstigen Stellen und Personen, die sich jeden Tag nach besten Wissen und Gewissen bemühen, unseren Staat sicher und lebenswert zu machen. Auch ihr seit Menschen und niemanden kann alles vorhersehen!

  7. 8.

    Stellen sich mir 2 Fragen.

    1. Nach was wird denn bei der automatischen Bilderkennung gescannt?
    2. Warum wird das erst jetzt und durch die Medien bekannt?

  8. 7.

    Es sagt sich so leicht, dass dies ein Fehler oder Skandal sei, der nicht hätte passieren dürfen, aber wie, wenn nicht automatisiert soll man ein Handy mit über 12.000 Bilddateien denn auswerten, wenn das Personal von der Politik jedes Jahr weiter gekürzt wird? Die Polizei hängt dem digitalen Fortschritt um locker 10 Jahre hinterher und das ist alles eine Frage des Geldes. Die Bürger bekommen das Maß an Sicherheit, welches die Politik und Rechtsprechung für nötig, sinnvoll und finanzierbar halten. Da der Datenschutz wichtiger ist als die Sicherheit, tun sich in diesem Feld große Lücken auf. Außerdem sind Elbphilharmonie, Flugplatz Berlin und so weiter wichtiger, da wird dann gerne Geld aus dem Topf für innere Sicherheit gestrichen. Die Bürger und deren gewählte Volksvertreter müssen entscheiden, ob Sie mehr Sicherheit auf Kosten von Datenschutz und Finanzen wollen oder nicht. Sie sollten aber nicht meckern, wenn sie wie bisher auf Datenschutz und Sparmaßnahmen setzen.

  9. 6.

    Ich hätte ein Titel für den folgenden ARD Brennpunkt.

    Pleiten, Kandt und Pannen...

    Im Ernst, mal sehen was noch alles ans Tageslicht kommt.

  10. 5.

    Ganz weit unten gehts immer noch eine Stufe tiefer. Das schlimme ist, dass niemand irgendwann für diesen Skandal zur Rechenschaft gezogen werden wird.

  11. 4.

    Wie oft soll man noch hören, dass es "diese Panne" nicht hätte geben dürfen? Ich kann schon gar nicht mehr mitzählen, wieviele Pannen es gibt, die genau so kommentiert wurden.
    Das Ämterversagen ist so offensichtlich und dennoch übernimmt keiner mal die Verantwortung. Rückgrat-los ist das! Da hat jeder Verantwortliche Angst vor Konsequenzen, wenngleich nachweislich Dinge unterlassen wurden, fahrlässig, grob fahrlässig oder aus Ignoranz. Das führt leider in jedem Job zu Konsequenzen. Wenn die Polizei bestimmte Überwachungen unterlassen hat, wenn jetzt klar wird, dass vor fast 2 Jahren maßgebliche Fotos auf Amris Handy nicht entdeckt wurden - dann fasse ich zusammen: Das ist unterirdisch und macht Bekundungen über "hätte nicht passieren dürfen" völlig überflüssig. Das hatten wir schon. X-mal! Keiner der Hinterbliebenen braucht Bedauern, sondern einen einzigen Menschen der Verantwortlichen, der mal aufsteht und sagt: Ich habe etwas falsch gemacht.

  12. 3.

    Ich kann nur hoffen, dass Angehörige der Opfer niemals diesen Artikel sehen/lesen müssen. Das muss sich doch für die wie ein unglaublicher Schlag mitten in xxx rein anfühlen.

  13. 2.

    Man fragt sich, was das monatelange "beobachten" eigentlich nützt, wenn selbst Bilder in der Moschee mit Machete in der Hand und einer scharfen Waffe noch nicht auffallen? Ein vorheriges Ankündigen mit Ort, Zeit und Datum des Anschlages, samt Kopie des Passes, in deutscher Sprache übersetzt?

  14. 1.

    gibt es auch ein Bild von dem vermeintlichen Attentäter im LKW beim Attentat?
    Die Angaben dieses Tages widersprechen sich ja immer noch, einerseits ein toter Fahrer um 15h andrerseits ein Amri um 19h vor der Moschee und Personalpapiere und Waffe fand die Polizei erst Tage später im Führerhaus ??? Und fragen können wir ihn nicht mehr da in Italien auf der Flucht erschossen ???

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