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Quelle: Pacific Press/Madeleine Lenz

Offener Brief im "Spiegel"

Hinterbliebene des Breitscheidplatz-Anschlags kritisieren Merkel

Der Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt sei "auch eine tragische Folge der politischen Untätigkeit Ihrer Bundesregierung", schreiben Angehörige der Todesopfer der Bundeskanzlerin. Sie üben außerdem scharfe Kritik am Land Berlin, äußern aber auch Dank.

Hinterbliebene des Terroranschlags auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) laut "Spiegel Online" Versagen vorgeworfen. "Der Anschlag am Breitscheidplatz ist auch eine tragische Folge der politischen Untätigkeit Ihrer Bundesregierung", zitiert das Nachrichtenmagazin aus einem offenen Brief von Angehörigen der zwölf Todesopfer. Die Rede ist von "mangelhafter Anti-Terror-Arbeit", die alarmierend sei. In einer Zeit, in der die Bedrohung durch Islamisten zugenommen habe, sei versäumt worden, "die Reformierung der wirren behördlichen Strukturen" voranzutreiben.

Unter anderem auch durch die Arbeit des Sonderbeauftragten des Senats von Berlin, Bruno Jost, seien "mittlerweile Fehlleistungen der Anti-Terror-Arbeit in Deutschland ans Licht gekommen, die als alarmierend einzustufen sind".

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Ungenügende Unterstützung vom Staat

Die Angehörigen monierten auch, dass sie nach dem Anschlag am 19. Dezember 2016 nicht genügend vom Staat unterstützt worden seien. "Es ist unsere konkrete Erwartung an Sie, Frau Bundeskanzlerin, dass die Bundesrepublik unseren Familien unbürokratisch und umfassend hilft", hieß es. Der Umfang der staatlichen Unterstützung bleibe weit hinter den Erwartungen zurück.

Die Angehörigen werfen Merkel vor, sie habe auch fast ein Jahr nach dem Anschlag weder persönlich noch schriftlich kondoliert. "Es ist eine Frage des Respekts, des Anstands und eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass Sie als Regierungschefin im Namen der Bundesregierung unseren Familien gegenüber den Verlust eines Familienangehörigen durch einen terroristischen Akt anerkennen."

Berliner Opferbeauftragter positive Ausnahme

In dem Brief wird zudem eine mangelnde Kommunikation direkt nach dem Anschlag moniert. Anfangs habe "nur die allgemeine Meldestelle für Vermisste der Berliner Polizei zur Verfügung" gestanden. "Hier wurden keinerlei Auskünfte erteilt und Rückrufe versprochen, die aber nicht erfolgten." Wegen der 72-stündigen Informationssperre des Bundeskriminalamts hätten die nach massiven Beschwerden als persönliche Ansprechpartner zugeordneten Beamten des Berliner Landeskriminalamts keine Auskünfte geben können. Das Verhalten der Beamten sei sehr unterschiedlich gewesen: "Während einige Beamte sich nach Kräften um uns bemühten und zum Beispiel Notfallseelsorger vermittelten, ließen es andere an Empathie deutlich fehlen. Es kam sogar zu Zurechtweisungen."

Die Hinterbliebenen kritisieren, dass sich "in den schwierigen Monaten" nicht nur im Bund, sondern auch im Land Berlin "kaum jemand um die Verletzten und Hinterbliebenen kümmerte". Glücklicherweise sei aber etwa der ehrenamtliche Opferbeauftragte des Landes Berlin, Rechtsanwalt Roland Weber, in die Lücke gesprungen. Er habe vor allem in den ersten Wochen nach dem Anschlag beispielsweise benötigte Informationen zusammengestellt.

Regierung: Merkel besuchte Tatort und Gottesdienst

Ein Regierungssprecher verwies am Freitagabend darauf, dass Merkel bereits am Tag nach dem Anschlag den Tatort besucht und sich "umfassend über den Tathergang" informiert habe. Zudem habe sie vor gut einem Jahr an einem ökumenischen Gedenkgottesdienst teilgenommen. Es sei der gesamten Bundesregierung wichtig, dass die Opfer und deren Familien "in ihrer oftmals verzweifelten menschlichen Lage möglichst gut begleitet und beraten werden", sagte der Sprecher.

Nach seinen Angaben will sich Merkel am 18. Dezember mit Angehörigen der Todesopfer sowie Verletzten im Kanzleramt treffen. Das ist ein Tag vor dem Gedenken, das der Berliner Senat plant. Außerdem will die Bundeskanzlerin an der Einweihung eines Berliner Mahnmals für die Opfer am ersten Jahrestag des Anschlags teilnehmen und den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz besuchen.

Sendung: Abendschau, 01.12.2016, 19:30 Uhr

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