Sonderermittler zu Amri-Überwachung - "Ein wacheres Auge wäre angebracht gewesen"

Fr 10.11.17 | 17:53 Uhr
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Bruno Jost im Untersuchungsausschuss (Quelle: dpa/Britta Pedersen)
Video: Abendschau | 10.11.2017 | Norbert Siegmund | Bild: dpa/Britta Pedersen

Falsche Entscheidungen und mangelhafte Koordination: Laut Sonderermittler Bruno Jost ist im Vorfeld des Berliner Anschlages vieles bei der Polizei schief gelaufen. Der frühere Staatssekretär Bernd Krömern dagegen bestreitet strukturelle Probleme.

Bei der Überwachung des Terroristen Anis Amri im Sommer 2016 wusste bei der Berliner Polizei nach Einschätzung von Sonderermittler Bruno Jost die rechte Hand nicht, was die linke macht. Observation und Telefonüberwachung seien nicht abgestimmt gewesen, sagte Jost am Freitag im Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses zum Terroranschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche. Zudem seien die Mitarbeiter, die ihn observiert hatten, nie Samstags oder Sonntags unterwegs gewesen. Amri habe sie zudem auch abgeschüttelt.

Drogenhandel hätte zu Festnahme führen können

Der frühere Bundesanwalt Jost (66) war vom Senat eingesetzt worden und hatte seinen Abschlussbericht bereits im Oktober öffentlich vorgestellt. Aus der Telefonüberwachung Amris in Berlin ergaben sich laut Jost immer mehr Hinweise auf gewerbsmäßigen Drogenhandel. Doch die bis Mitte Oktober 2016 mögliche Observierung - zunächst wegen eines anderen Verdachts - habe die Polizei schon am 15. Juni eingestellt. "Warum, ist mir nicht klar geworden", so Jost. Auch wer es anordnete, sei offen geblieben.

Es wäre nach Einschätzung von Jost möglich gewesen, den Verdacht des gewerbsmäßigen Drogenhandels zu untermauern. "Das hätte zu einer Festnahme führen können." Die Generalstaatsanwaltschaft trage eine Mitverantwortung. Sie sei zwar erst später über die eingestellte Observierung informiert worden, habe aber in dem Verfahren nicht bei der Polizei nachgefragt. "Ein wacheres Auge wäre angebracht gewesen", sagte Jost.

Staatsekretär Krömer: "Sehe keine strukturellen Probleme"

So kritisch Jost mit der Berliner Polizei auch ins Gericht ging - der frühere Innenstaatssekretär Bernd Krömer ließ sich davon nicht beeindrucken. Im LKA 5 habe es in den vergangenen Jahren "erhebliche Personalverstärkung gegeben", sagte Krömer. "Strukturelle Probleme sehe ich nicht." Im Herbst 2015 seien Menschen unkontrolliert ins Land geströmt und die Zahl der Gefährder seitdem sprunghaft angestiegen, sagte Krömer. "Man hätte vermutlich gar nicht so schnell Personal akquirieren können, dass es der Vielzahl an Gefährdern entsprochen hätte.

Die vorgezogene Einstellung von Amris Observierung bezeichnete Krömer als "schwierig". Er selbst habe aber vor dem Attentat vom 19. Dezember nie von Amri gehört.

Krömer war im September schon einmal vor den Untersuchungsausschuss geladen gewesen, hatte sich aber krank gemeldet. Für Diskussionen hatte gesorgt, dass er zwei Tage später beim Berlin-Marathon mitgelaufen war.

Anschlag jährt sich am 19. Dezember

Der islamistische Attentäter war am 19. Dezember 2016 mit einem gekaperten Laster auf den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz gerast. Zwölf Menschen starben. Amri war der Polizei lange zuvor als Drogenhändler und potenzieller Islamist bekannt und auch mehrfach festgenommen worden. Durch eine Reihe von Behördenpannen in mehreren Bundesländern wurde Amin weder in U-Haft genommen noch ausgewiesen.

Sendung: Inforadio, 10.11.2017, 12.00 Uhr

5 Kommentare

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  1. 5.

    ja - Mitschuld tragen die Behörden - vom Ordnungsdienst , über Senat bis zur Bundesregierung - spätestens nach den Attentaten in Nizza und Paris , etc - hätte es klar sein müssen - das sich potentielle Terroristen auch unter unter den Flüchtlingen befinden- und es wurden genügend , öffentlich gewarnt - Weihnachtsmärkte sind gefährdet -
    " in aller Ruhe konnte Amri , mit seinem großen schwarzen Sattelschlepper , den Weihnachtsmarkt umrunden - der Ihm schutzlos ausgeliefert war , wie banal kann man da noch glauben - die Berliner hätten das "cool " nebenbei weggesteckt - es besteht weiterhin Gefahr - - solange die Verantwortlichen sich rausreden können , es wird weiter nur gequatscht - und nichts vernünftig gesichert - wer sich da wohl fühlt , hat zu viel Glühwein getrunken .

  2. 4.

    Ich gebe hier nicht der Berliner Polizei die Schuld.Das Problem sind die fehlenden vernünftigen Rahmenbedingungen für Flüchtlinge gewesen,diese hätten aber durch die Politik schon vor dem größen Flüchtlingsstrom geschaffen werden müssen,für Gefärder und Terroristen wäre meiner Meinung der BND zuständig,damit die überhaupt mal Vernünftiges machen,die Verantwortung bei lokalen Behörden abladen geht nicht.

  3. 3.

    Das Leugnen von offensichtlich vorhandenen strukturellen Problemen durch Herrn Bernd Krömer ist schon fast pathologisch. Auf diese Weise kann man den Bremsklotz vor jede Initiative schieben. Ein solches Verhalten scheint die Ursache von einigen Berliner Problemen zu sein.

  4. 2.

    Und nun kann Herr Jost noch eben schnell die Berliner Kripo die Polizei und das Lageso überprüfen und mitteilen was sich ändern muss damit die Schlagzeilen auf Positiv umschlagen und das ohne Lüge und Unterdrückung wie auch hier.

  5. 1.

    Sätze im Konjunktiv II gehören für Politiker und Entscheidungsträger verboten (wäre...gewesen) Oder möchte Herr Jost seine Aussage als Entschuldigung gewertet wissen? Das kommt ja wohl zu spät.

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