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Video: Abendschau | 30.08.2018 | Joachim Goll | Quelle: dpa/Michael Kappeler

Amri-Skandal erreicht BfV-Präsident Maaßen

Verfassungsschutz wollte offenbar V-Mann verheimlichen

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte einen V-Mann im Umfeld des Attentäters vom Breitscheidplatz platziert. Und das sollte offenbar nicht an die Öffentlichkeit gelangen, wie aus einem Dokument aus der Behörde hervorgeht. Von Jo Goll und Susanne Katharina Opalka

Im Fall des Attentäters vom Breitscheidplatz, Anis Amri, hat das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) offenbar versucht, seine Rolle nicht öffentlich werden zu lassen. Das zeigen Recherchen des ARD-Politikmagazins "Kontraste", des Rundfunks Berlin Brandenburg und der "Berliner Morgenpost".

So traf sich BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen am 24. März 2017 zu einem Gespräch mit Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) und dessen Staatssekretär Torsten Akmann. Dabei ging es offenbar darum, die Tatsache, dass das BfV einen V-Mann im Umfeld der von Amri häufig besuchten Fussilet Moschee platziert hatte, nicht öffentlich werden zu lassen. Dies geht aus einem für den Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen von seiner Behörde verfassten Sprechzettel zur Vorbereitung des Gesprächs hervor, den Kontraste, der rbb und die "Berliner Morgenpost" einsehen konnten. 

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In dem Dokument heißt es über den Einsatz des V-Mannes "ein Öffentlichwerden des Quelleneinsatzes gilt es schon aus Quellenschutzgründen zu vermeiden" und "ein weiteres Hochkochen der Thematik muss unterbunden werden". Unter der Überschrift "Gesprächsführungsvorschlag" vermerken die Verfassungsschützer auf dem Sprechzettel für Maaßen: "Ein Fehlverhalten des BfV oder der Quelle ist nicht zu erkennen" und das Thema sei "eigentlich wenig brisant". Dies schätzte das Berliner Landeskriminalamt offenbar anders ein, denn die Polizisten sahen in dem Einsatz des V-Mannes im Umfeld der Moschee laut Sprechzettel "eine besondere politische Tragweite".

Wie das Gespräch zwischen Maaßen und Geisel tatsächlich ablief, bleibt indes unklar. Auf Anfrage von Kontraste, dem rbb und der "Morgenpost" erklärte der Sprecher des Berliner Innensenators, man könne zum Inhalt des Gesprächs keine Auskunft geben. Da der Termin jedoch so kurz nach dem Anschlag stattgefunden habe, "wäre es verwunderlich, wenn man nicht über den Anschlag gesprochen hätte". Das Bundesamt für Verfassungsschutz teilte lediglich mit, "dass wir zu einzelnen Terminen der Amtsleitung keine Auskunft erteilen".

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Amri war nicht nur ein Fall der Polizei

Die Bundesregierung hatte im Januar 2017 in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage erklärt: "Im Umfeld des Amri wurden keine V-Leute des BfV eingesetzt." Der Sprechzettel für das Treffen könnte den wegen seiner AfD-Kontakte ohnehin schon unter Druck stehenden Verfassungsschutzpräsidenten Maaßen nun weiter in Bedrängnis bringen. Das Dokument offenbart, dass es sehr wohl einen V-Mann des BfV im Umfeld der Moschee, in der Amri sogar zeitweilig als Vorbeter tätig war, und damit mittelbar auch in Amris Umfeld gab und dass das BfV diesen Sachverhalt der Öffentlichkeit vorenthalten wollte.

"Damit bricht die These, Anis Amri sei lediglich ein Polizeifall gewesen, wie ein Kartenhaus in sich zusammen", so der FDP-Bundestagsabgeordnete Benjamin Strasser zu den Recherchen. Strasser kündigte an, den V-Mann-Führer im Amri-Untersuchungsausschuss befragen zu wollen. "Sollte die Bundesregierung hier weiter mauern und ihre schützende Hand über den BfV-Präsidenten Hans-Georg Maaßen halten, dann werden wir unser Recht vor Gericht einklagen", so Strasser. "Bis zum heutigen Tag hat das BfV versucht, sich im Fall Amri als nahezu unbeteiligt darzustellen und seine Rolle dementsprechend kleingeredet", kommentiert die Bundestagsabgeordnete Martina Renner von der Linken die neuen Recherchen. Sie sieht ihre grundlegenden Zweifel am Verfassungsschutz und seinem Präsidenten bestätigt.

Verfassungsschutz hatte V-Mann im Sommer vor dem Anschlag befragt

Über die Brisanz des V-Mann-Einsatzes an der Fussilet Moschee hatte auch die Tageszeitung "Die Welt" am Dienstag bereits berichtet. Die Zeitung verwies insbesondere darauf, dass das BfV seinen V-Mann offenbar nur im Juni 2016 zu Amri befragt hatte - damals jedoch jedoch ohne Erkenntnisgewinn - und dann erst wieder nach dem Anschlag.

Dabei besuchte Amri die Moschee ab Oktober 2016 wieder häufiger, was auch der V-Mann mitbekommen hatte, wie er wenige Tage nach dem Anschlag dem BfV erklärte. Amri hatte sich zuletzt nur einige Stunden vor dem Anschlag in der Moschee aufgehalten.

CDU will Geisel im U-Ausschuss befragen

Der Fraktionsvorsitzende der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus, Burkard Dregger, hat Innensenator Andreas Geisel (SPD) dazu aufgefordert, im Berliner Untersuchungsausschuss zum Terroranschlag am Breitscheidplatz auszusagen.

Die Vorgänge müssten nun seriös untersucht werden, sagte Dregger am Donnerstagabend dem rbb. Geisel wird vorgeworfen, von einem V-Mann des Bundesverfassungsschutzes im Umfeld des Attentäters Anis Amri gewusst und dies nicht öffentlich gemacht zu haben.

Im Untersuchungsausschuss bestehe die Wahrheitspflicht, betonte Dregger. Hier könne in einer nicht öffentlichen Sitzung unter Wahrung des Quellenschutzes auch die Frage nach einem möglichen V-Mann beantwortet werden.

Sendung: Abendschau, 30.08.2018, 19.30 Uhr

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