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Audio: rbb24 Inforadio | 17.11.2022 | Quelle: dpa/Andreas Arnold

Urteil verkündet

Berliner im "NSU-2.0"-Prozess zu knapp sechs Jahren Haft verurteilt

Urteil im "NSU 2.0"-Prozess in Frankfurt am Main: Ein Berliner, der über 100 Drohschreiben an Personen des öffentlichen Lebens gerichtet hatte, muss für fast sechs Jahre ins Gefängnis. Der Angeklagte hatte alle Vorwürfe zurückgewiesen.

Im Prozess um die "NSU 2.0"-Drohschreiben ist der Angeklagte am Donnerstag zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt worden. Nach Auffassung der Richter am Landgericht Frankfurt am Main hatte der aus Berlin stammende Mann eine Serie hasserfüllter und rassistischer Drohschreiben an Personen des öffentlichen Lebens gerichtet.

Der 54-Jährige wurde für mehrere Vergehen schuldig gesprochen, darunter für öffentliches Auffordern zu Straftaten, Bedrohung, Beleidigung, Nötigung, Störung des öffentlichen Friedens und Volksverhetzung.

Der Verurteilte bestreitet Taten

Die Anklage beschuldigte den Mann, zwischen dem 2. August 2018 und dem 21. März 2021 insgesamt 116 Drohschreiben verfasst zu haben. Alle seien mit "Heil Hitler" unterzeichnet gewesen, sagte Oberstaatsanwalt Sinan Akdogan zu Beginn der Verhandlungen. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Haftstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten gefordert.

Der Angeklagte wies in einem letzten Vortrag im Prozess alle Vorwürfe zurück. Diese seien nicht belegt. Er sei lediglich Mitglied einer rechten Chatgruppe im Darknet gewesen, habe aber keine Straftaten begangen.

Drohschreiben an diverse in der Öffentlichkeit bekannte Personen

Die Schreiben waren den Staatsanwälten zufolge in behördlicher Form verfasst, dabei gespickt mit vulgären Schimpfwörtern sowie ausländerfeindlichen und rassistischen Beleidigungen. Eine ganze Reihe dieser Mails und Faxe bedrohten die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz. Adressaten waren unter anderen auch Politikerinnen der Linken wie die jetzige Bundesvorsitzende Janine Wissler und Journalistinnen wie die "Panorama"-Moderatorin Anja Reschke und die ZDF-Moderatorin Maybrit Illner.

Auch Behördenvertreter erhielten Drohungen wie die Frankfurter Oberstaatsanwältin Nadja Nießen, oder Personen des öffentlichen Lebens, wie die Berliner Kabarettistin Idil Baydar. Die Unterschrift "NSU 2.0" spielte auf die rechtsextremistische Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)" an, die von 2000 bis 2007 neun Migranten und eine Polizistin ermordete.

Der Verfasser der Drohschreiben nannte sich häufig "SS-Obersturmbannführer", manchmal auch "Uwe Böhnhardt" in Anspielung auf das NSU-Mitglied, oder er bezeichnete sich als Polizeibeamter.

Angeklagte wurde in Chatgruppen aufgespürt

Da sich herausstellte, dass vor einigen Drohschreiben persönliche Daten der Betroffenen ohne Anlass auf Polizeicomputern in Frankfurt, Wiesbaden, Hamburg und Berlin abgerufen worden waren, hatte das den Verdacht auf rechtsextremistische Täter in Polizeikreisen gelenkt.

Die Staatsanwaltschaft hält aber den über rechtsextremistische Chatgruppen aufgespürten Angeklagten für den alleinigen Täter. Der anfängliche Verdacht, Polizeibeamte könnten an der Datenabfrage beteiligt gewesen sein, habe sich nicht bestätigt. Der Angeklagte habe die Daten erlangt, indem er vorgegeben habe, Bediensteter einer Behörde zu sein. Er ist laut Staatsanwaltschaft wegen Körperverletzung vorbestraft und schon einmal rechtskräftig verurteilt worden, weil er sich fälschlich als Kriminalbeamter ausgegeben hatte.

Sendung: Fritz, 17.11.2022, 12:58 Uhr

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