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Audio: Antenne Brandenburg | 30.11.2022 | Mischa Frinke | Quelle: dpa/B. Settnik

Anhörung im Innenausschuss

Kritik am geplanten Extremismus-Check für Beamte in Brandenburg hält an

Die Koalition in Brandenburg will, dass Beamte vor ihrer Berufung vom Verfassungsschutz überprüft werden. Der Gesetzentwurf ist umstritten. Trotz Änderungen stößt er weiter auf Kritik, wie im Innenausschuss deutlich wurde. Von Michael Schon

Für den CDU-Abgeordneten André Schaller aus Woltersdorf ist die Sache eigentlich klar: Die Verfassung muss vor Verfassungsfeinden geschützt werden. Deshalb fragt er auch nur rhetorisch, "ob wir Menschen in den Beamtenstatus lassen dürfen, obwohl wir eigentlich wissen könnten, dass sie da definitiv nicht hingehören?" Die Antwort lautet also Nein.

Und ja: Er hat offenbar große Sympathien für den von Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) vorgeschlagenen Extremismus-Check: Der Verfassungsschutz soll prüfen, ob gegen angehende Beamtinnen und Beamte Informationen vorliegen, die an deren Verfassungstreue zweifeln lassen. Damit soll zum Beispiel vermieden werden, dass Rechtsextremisten Polizisten werden können.

Berliner Verwaltungsgericht

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Im Ausschuss hören Schaller und seine Abgeordnetenkollegen aus Koalition und Opposition allerdings eine ganze Reihe von Argumenten, warum die so genannte Regelanfrage beim Verfassungsschutz in der geplanten Fassung womöglich doch keine gute Idee sein könnte. Die Spannbreite reicht dabei von grundsätzlichen Bedenken bis zu Kritik an Details.

DGB vermisst Augenmaß

So ist aus Sicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) beim Gesetzentwurf jegliches Augenmaß verloren gegangen. "Aufwand und Nutzen stehen nicht im Verhältnis", sagt Matthias Schlenzka, Experte für Beamtenpolitik beim DGB. Die weit überwiegende Zahl der Beamtinnen und Beamten sei verfassungstreu.

Wenn es Probleme gebe, dann weniger mit Berufsanfängern - sondern mit Personen, die sich im Laufe ihres Berufslebens radikalisierten. Eine Schärfung des Disziplinarrechts sei da im Zweifel besser als eine Beurteilung durch eine Organisation wie den Verfassungsschutz, der in der Vergangenheit selbst "nicht immer eine Visitenkarte der Demokratie" gewesen sei.

Erinnerungen an den Radikalenerlass

Auch Jerzy Montag kritisiert den Gesetzentwurf, wenn auch nicht so scharf. Der Rechtsanwalt und Richter am Bayerischen Verfassungsgerichtshof, früher Bundestagsabgeordneter von Bündnis'90/Die Grünen, hält es für falsch, dass sich die Regelanfrage nicht auf angehende Polizistinnen und Polizisten beschränkt, sondern zum Beispiel auch Lehrerinnen, Kommunalbeamte oder Richter einschließt.

Er erinnere an den so genannten Radikalenerlass, bei dem bis in die 1980er Jahre in Westdeutschland vor allem Lehrerinnen und Lehrer ins Visier der Behörden geraten waren. Anders als Polizistinnen und Polizisten trügen aber Lehrerinnen und Lehrer oder Kommunalbeamte nicht das staatliche Gewaltmonopol. Daher rechtfertige die Gefahr, die von ihnen für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ausgehe, nicht einen so massiven Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Rechtswissenschaftler sieht Abschreckungswirkung

Dass eine allgemeine Abfrage für alle Beamtinnen und Beamten eine Abschreckungswirkung haben könnte, bemängelt der Rechtswissenschaftler Benjamin Rusteberg von der Ruhr-Universität Bochum. Wer Beamter werden wolle, äußere seine Meinung womöglich nicht mehr unbefangen öffentlich - aus Angst, damit beim Verfassungsschutz aufzufallen. Oder er bewerbe sich erst gar nicht, weil er den Verfassungstreue-Check fürchte.

Und: Wenn man die Verfassungsschutz-Abfrage schon einführe, dürfe man sie nicht wie geplant auf Informationen beschränken, die nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln gewonnen wurden - also zum Beispiel auf Zeitungsartikel oder Posts in öffentlichen Internetforen. Gerade im Bereich Rechtsextremismus gebe es "praktisch keine Erkenntnisse, die nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln erlangt worden sind", urteilt auch Jerzy Montag.

Überprüfung von angehenden Richterinnen und Richtern unverhältnismäßig?

Unverhältnismäßig sei es, dass angehende Richterinnen und Richter unter die neue Regelung fallen sollen, findet Jörn Hökendorf, Vorstandsmitglied im Deutschen Richterbund Brandenburg. Die Justiz brauche streitbare Richterinnen und Richter, so Hökendorf. Deshalb sei die Regelanfrage "das falsche Signal". Außerdem gebe es im Vorbereitungsdienst für Richterinnen und Richter geeignetere Möglichkeiten, die Verfassungstreue zu beurteilen.

Dem widerspricht Ralf Roggenbuck, Landesvorsitzender von dbb Beamtenbund und Tarifunion: "Wenn es eine Überprüfung gibt, dann für alle." Auch für die Angestellten im öffentlichen Dienst. Dennoch stellt sich auch für ihn die Frage, ob es sich bei dem Vorhaben angesichts der wenigen Fälle von Extremisten in Brandenburgs Staatsdienst nicht eher "um ein Schaufenstergesetz" handele.

Keine Einwände von Brandenburgs Kommunen

Weniger kritisch blickt Monika Gordes vom Städte- und Gemeindebund auf das geplante Gesetz. Die Entscheidung über eine Ernennung zum Beamten solle am Ende der Dienstherr treffen und nicht der Verfassungsschutz. Daher sieht sie keinen Änderungsbedarf am vorgelegten Gesetzestext.

Auch die Kritik von Brandenburgs Datenschutzbeauftragter Dagmar Hartge hält sich in Grenzen. Weil der Verfassungsschutz erst dann eingeschaltet werde, wenn die Entscheidung für eine bestimmte Anwärterin oder einen bestimmten Anwärter bereits gefallen sei, sieht sie keine Parallelen zum Radiakalenerlass der alten BRD.

Brandenburgs Innenminister Stübgen wird sich diese Argumente von seinem Staatssekretär Uwe Schüler berichten lassen müssen: Er war während der Anhörung bereits auf dem Weg zur Konferenz der Innenministerinnen und Innenminister in München.

Sendung: Antenne Brandenburg, 30.11.22, 19:00 Uhr

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