Viele Fragen noch unbeantwortet - Brandenburg plant Verfassungstreue-Check für Beamte

Mi 31.08.22 | 18:24 Uhr
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Symbolbild: Eine Person wird in einem Saal vereidigt (Bild: dpa/Frank Rumpenhorst)
Audio: rbb24 Inforadio | 30.08.2022 | Torsten Sydow | Bild: dpa/Frank Rumpenhorst

Immer wieder tauchen Extremisten auch in den Reihen von Landesdienern auf. Die Brandenburger Landesregierung setzt nun als erstes Bundesland einen Check auf Verfassungstreue auf - und startet einen Pilotversuch mit einigen offenen Fragen.

Mit juristisch heiklen Projekten kennt sich der Brandenburger Innenminister Michael Stübgen (CDU) aus - und er ist bereit, in rechtlichen Grauzonen ins Risiko zu gehen. So ist es geschehen bei der umstrittenen Kennzeichenfahndung "Kesy" und so geschieht es nun auch beim sogenannten Verfassungs-Check, den Stübgen am Dienstag nach der Kabinettssitzung vorgestellt hat. Demnach sollen angehende Beamte in Brandenburg künftig vor ihrer Einstellung auf ihre Treue zur Verfassung überprüft werden.

Brandenburg betritt Neuland

Das Kabinett hatte Stübgens Gesetzentwurf den Segen gegeben, der in diesen Fällen eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz vorsieht. Brandenburg betritt damit als erstes Bundesland dieses Neuland. Der Innenminister hatte nach der Kabinettsentscheidung von einem "maßvollen und effektiven Weg" gesprochen, um die Beamtenschaft vor Extremisten zu schützen.

Vorgesehen ist, dass die Bewerber über die Anfrage beim und die Auskunft vom Verfassungsschutz informiert werden - auch, um dagegen Rechtsmittel einlegen zu können. Die Anfrage soll nur für diejenigen Bewerber erfolgen, die bereits für eine Einstellung ausgewählt wurden. Sie werde nicht vor der Anwärterausbildung durchgeführt, sondern erst, wenn die Verbeamtung auf Probe oder in Ausnahmefällen unmittelbar eine Berufung ins Lebenszeitverhältnis vorgesehen ist, hieß es.

Gewerkschaft der Polizei befürchtet Flickenteppich

Bei Beamten, die bereits im Staatsdienst sind, soll es nur bei Auffälligkeiten eine Anfrage beim Nachrichtendienst geben. Diejenigen, die es aber betreffen wird, haben noch eine Reihe offener Fragen. Die Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Brandenburg (GdP), Anita Kirsten, befürwortet zwar eine solche Überprüfung grundsätzlich, fragt sich aber, wie sie in der Praxis aussehen wird. Das gebe der Gesetzentwurf nicht vor. "Ich habe Fragezeichen, ob alle Behörden an einem Strang ziehen werden", so Kirsten gegenüber rbb|24. Sie fürchte, dass künftig jede einstellende Behörde das Gesetz unterschiedlich auslegen werde.

Verfassungsrechtler betont Notwendigkeit von Transparenz

Ulrich Battis, emeritierter Staats- und Verfassungsrechtler an der Humboldt-Universität Berlin, betont im Gespräch mit rbb|24 die Notwendigkeit eines durchsichtigen, rechtsstaatlichen Verfahrens. Grundsätzlich sei es legitim, dass der Staat prüfe, ob Beamte verfassungstreu seien. Staat und Beamte hätten eine gegenseitige Treuepflicht, die auch in der Verfassung und im Beamtenrecht verankert sei. Allerdings müssten im Rahmen einer Überprüfung vor allem von Beamten-Anwärtern die Ergebnisse zwingend transparent gehalten werden, so Battis weiter.

Er fordert, "dass im Falle einer Ablehnung eines Beamtenanwärters alles offengelegt wird, was der Verfassungsschutz vorgetragen hat, um es zu überprüfen". Es könne nicht genügen, dass der Verfassungsschutz irgendetwas schreibt und Behörden am Ende ohne die Nennung von Gründen eine Person nicht einstellen. Das wäre verfassungswidrig, so Battis.

Skepsis gegenüber Regelungen

Über das Gesetz muss noch der Landtag entscheiden. BVB/Freie Wähler signalisierten bereits Zustimmung. Die mitregierenden Grünen hatten sich dagegen bislang skeptisch gegenüber einer grundsätzlichen Überprüfung aller Beamten-Anwärter gezeigt. AfD und Linke lehnen die Pläne Stübgens ab. Die AfD steht selbst unter Beobachtung des Verfassungsschutzes.

Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Dennis Hohloch, wehrt sich dabei gegen die Einmischung des Verfassungsschutzes in das Privatleben von Landesmitarbeitern. Der Linken-Fraktionsvorsitzende Sebastian Walter sagt, er misstraue dem Verfassungsschutz und halte den Check für zu bürokratisch und intransparent.

Verfahren sei bereits eingeübt

Einen bürokratischen Mehraufwand kann Innenminister Stübgen indes nicht erkennen. Der Verfassungsschutz könne diese Aufgabe ohne zusätzliches Personal übernehmen. Das Vorgehen sei bereits mit der Überprüfung von Sicherheitspersonal und Beschäftigten an Flughäfen eingeübt. Nach Angaben von Staatssekretär Markus Grünewald geht es bei der Überprüfung um die Teilnahme an Versammlungen oder eine Mitgliedschaft in extremistischen Gruppierungen, das Tragen verfassungsfeindlicher Symbole oder Straftaten wie Volksverhetzung.

Kein zweiter "Radikalenerlass" geplant

Stübgen machte zur Bekräftigung seines Vorhabens deutlich, dass die Beamtenschaft insbesondere vor Rechtsextremisten geschützt werden müsse. "Eine extremistisch unterwanderte Partei sitzt derzeit in vielen Parlamenten", warnte er mit Blick auf die AfD.

Die Landesregierung bemüht sich nach eigenen Angaben, den Gesetzentwurf vom sogenannten "Radikalenerlass" von 1972 abzugrenzen. Nach einer Einigung zwischen Bund und Ländern wurden in der Bundesrepublik damals Bewerber und Beschäftigte des öffentlichen Dienstes jahrelang auf ihre Verfassungstreue überprüft. Im vorliegenden Gesetzentwurf seien umfangreiche Datenschutzregeln enthalten, hieß es. Die einstellende Behörde müsse etwa die in ihrem Besitz befindlichen Daten zu Kandidatinnen und Kandidaten vernichten, sobald sie diese nicht mehr benötige.

Sendung: rbb24 Inforadio, 30.08.2022, 18:50 Uhr

Mit Informationen von Hanno Christ und Katrin Neumann

39 Kommentare

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  1. 39.

    Um die Politiker braucht man sich keine Sorgen machen, sofern ein Verdacht besteht, werden sie vom Verfassungsschutz beobachtet.

  2. 38.

    User "toberg " hat erkannt und findet es wohl auch richtig, dass Poltiker, besonders in Führungspostionen, anscheinend nicht überprüft werden müssen oder sollen. Auch nicht auf Basis der von ihm eingeforderten Maßstäbe und Kriterien, wie simpler Ladendiebstal. Sein Argument : Die haben nicht den Status eines Landesbeamten ! So einfach ist das mit dem Verfassungstreue-Check. Ist das nicht schon Diskriminierung ? Entweder alle oder gar nicht ?

  3. 37.

    >"Die Verfassungsträue ist seltsam, aber kommt bei Ihnen öfter vor. Bitte ändern in Treue."
    Kommt bei mir in diesem Fall als Ableitung von Trauen... traue keinem... ;-))

  4. 36.

    Soweit mir bekannt, ist Innenminister Stübgen Mitglied der zweitstärksten Regierungspartei CDU, und die Grünen zeigen sich dem Check gegenüber skeptisch. Ihr Gefasel von links-grüner DDR1.0 Mentalität ist also Quatsch mit Soße.

  5. 35.

    Dann lesen Sie bitte meinen Beitrag noch einmal, ich sprach von einer grundsätzlichen Ablehnug, ergo ohne wenn und aber.
    Das mit dem Schmarn, das gebe ich deswegen zurück.

  6. 34.

    Das ist ja auch richtig so. Nachgewiesene Extremisten haben im Öffentlichen Dienst nichts verloren. Insofern ist es selbstverständlich richtig, konkrete Hinweise auf verfassungsfeindliche Bestrebungen konsequent zu überprüfen. Dazu gehören auch Hinweise des Verfassungsschutzes, aber eben nicht nur. Aber bei der vorherigen Prüfung gehen die Bestrebungen eben noch weiter. Bereits potentiellen Extremisten soll das Beamtentum verweigert werden, womit die Unschuldsvermutung aufgekündigt wird. Deshalb ist es unabdingbar, dass jeder abgelehnte Anwärter die Möglichkeit einer unabhängigen Überprüfung der Entscheidung erhält, um nicht einer politischen Willkür Tür und Tor zu öffnen. Beamte müssen nicht linientreu sein, sie sind nur der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet.

  7. 33.

    Das ist in dieser Form der Aussage natürlich Schmarrn. Wenn das Überprüfungsverfahren derart undurchsichtig und beliebig geregelt und unzureichend kontrolliert wird, ist es selbst verfassungswidrig und damit abzulehnen. Eine verfassungsfeindliche Einstellung muss immer zweifelsfrei, nachweisbar und gerichtlich überprüfbar sein. Niemand, egal welcher politischen, religiösen oder persönlichen Einstellung darf bevorzugt oder benachteiligt werden, solange kein nachweislicher Tatbestand dagegen vorliegt. Der weisungsgebundene Verfassungsschutz ist selbstverständlich als Hinweisgeber unabdingbar, darf jedoch niemals die Entscheidung faktisch alleine treffen und sei es nur durch ungeprüfte Übernahme der Vorwürfe. Jedem abgelehnten Bewerber muss die Möglichkeit gegeben sein, gegen die Entscheidung vorzugehen und diese überprüfen zu lassen und dafür müssen sämtliche Vorwürfe transparent sein. Gemäß Artikel ist das nicht sichergestellt und das Vorgehen zumindest derzeit daher abzulehnen.

  8. 32.

    Die Verfassungsträue ist seltsam, aber kommt bei Ihnen öfter vor. Bitte ändern in Treue.

  9. 31.

    Herr Stübken will einfachste Auswahlkriterien in ein Gesetz schreiben? Warum? Eine selbstverständliche Abfrage beim Verfassungsschutz und ein polizeiliches Führungszeugnis reichen doch aus? Interessanter ist da die Frage, wie geht man damit um, wenn ein Sachbearbeiter etwas aufgeschrieben hat...

  10. 30.

    Wenn von Parteien eine Überprüfung der Verfassungstreue grundsätzlich abgelehnt wird, dann bedeutet es, diese Verfassung ist von maeginaler Bedeutung.

  11. 28.

    Unsinn! Haben Sie den Artikel überhaupt gelesen?

    "Die mitregierenden Grünen hatten sich dagegen bislang skeptisch gegenüber einer grundsätzlichen Überprüfung aller Beamten-Anwärter gezeigt. AfD und Linke lehnen die Pläne Stübgens ab"

    Komisch das die Grünen skeptisch sind und die Linken die Überprüfung komplett ablehnen. Was sagen SIE dazu?

  12. 27.

    Soweit der Verfassungsschutz (VS) Informationen erhält, dass ein Extremist im öffentlichen Dienst arbeitet (Beamter/TB...) so prüft er, ob eine Mitteilung an den Dienstherren bzgl. dieser Erkenntnisse erfolgen darf.
    Es werden immer wieder erkannte Extremisten aus dem öD entfernt, aufgrund der Hinweise des VS bzw. der Staatsschutzstellen der LKÄ etc.

  13. 26.

    Man beachte, dass die geforderte Transparenz bei negativen Entscheidungen ggü. dem Beamtenanwärter etc.
    Gleichwohl arbeitet besonders der Verfassungsschutz (VS) im geheimen und hat daher größtenteils als Verschlusssache eingestufte Erkenntnisse, die nicht in Gerichtsakten etc. einfließen können/dürfen (Quellenschutz).

    Wer in seinem Facebookprofil öffentlich Volksverhetzung betreibt, das kann der VS mitteilen - keine Frage.
    Wenn die Infos aber von einer (menschlichen) Quelle kommen, was den Beamtenanwärter betrifft, so geht das nicht, wenn eine Gefährdung der Offenbarung der Quelle möglich erscheint.

    Grds. halte ich den Weg für richtig - wie man ihn jedoch real rechtskonform und verfassungsgemäß ausgestaltet, bleibt für mich eine sehr spannende Frage, welche ggf. durch eine BVerfGE geklärt werden wird...

  14. 25.

    Ein check auf Verfassungstreue also, wo auch auf "Teilnahme an Versammlungen" geprüft werden soll. Wie kann durch die Ausübung der Verfassungsrechte nach Artikel 8 GG eine Verfassungsuntreue erkannt werden? Wer alles gilt dann als Extremist und "nicht verfassungstreu" , auch jene die "Applaus von der falschen Seite" bekommen oder denen etwas vorgeworfen wird oder nur rechtskräftig Verurteilte? Sind nur Straftaten oder auch Ordnungswidrigkeiten relevant oder zählen schon falsche Meinungen oder der Freundeskreis? Oder die Familie? Ich finde den Vorstoß bedenklich, weil unnötig erweitert wird und zu intransparent.

  15. 24.

    Ich befürchtetes mit Verfassungstreue-Check eher ein Regierungstreue-Check gemeint ist.

  16. 23.

    Brandenburg plant keine Verfassungstreueüberprüfung, sondern eine Überprüfung der Linientreue zum linksgrünen Politik-Establishment. So wie in der DDR 1.0. Das ist ein großer Unterschied.

  17. 22.

    Erstmal sollte der Stübgen überprüft werden ! Wer mit solchen Methoden anfängt hat bestimmt selber Dreck am Stecken und will nur von sich ablenken !

  18. 21.

    Warum nicht auch für Politiker? Das wäre doch viel wichtiger, denn die können Gesetze verändern und Einfluss nehmen, sogar auf Beamte die verfassungstreu sind.

  19. 20.

    Eben das meine ich ja! ;-)
    ... mit meiner Merkwürdigkeit, dass alle Ostdeutschen im ÖD und Beamtenanwärter schon immer in den Stasiunterlagen durchläuchtet wurden, aber noch nie vom Verfassungsschutz auf Verletzung unseres Grundgesetzes in anderen Fällen außer denen stammend aus DDR Zeiten?

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