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Kosten für die Wasserversorgung in Brandenburg

Der Streit um die Altanschlüsse

Es ist eine der hartnäckigsten Auseinandersetzungen in Brandenburg seit der Wiedervereinigung: Abwasserzweckverbände, Kommunen und Grundstückseigentümer streiten darum, wer für Investitionen nach der Wende in die Wasserversorgung aufkommen muss. Die Lage ist unübersichtlich, weil Wasserversorgung Sache der Kommunen ist und es deshalb in Brandenburg große Unterschiede gibt.

Was genau sind Altanschließer?

Als Altanschließer gelten Eigentümer von Grundstücken, welche bereits vor der Wiedervereinigung an die Wasser- und Abwasserversorgung angeschlossen waren. Der Stichtag ist der Tag der Deutschen Einheit, der 3. Oktober 1990. Die bisherige Regelung: Auch Altanschließer müssen sich mit Beiträgen an Investitionskosten in die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, die seit der Wiedervereinigung entstanden sind, beteiligen - zum Beispiel für modernere Kläranlagen. Alle Anschließer können von den Kommunen und Wasser- und Abwasserzweckverbänden auch rückwirkend an diesen Kosten beteiligt werden. So haben zumindest das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg und das Landesverfassungsgericht in jüngerer Zeit entschieden.

Im März 2013 aber urteilte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, dass öffentliche Abgaben nur zeitlich begrenzt erhoben werden dürfen, es also eine Verjährung geben muss.

Inzwischen aber hat das Bundesverfassungsgericht in zwei weiteren Verfahren deutlich gemacht, dass Brandenburg Regelungsbedarf in Sachen Verjährung von Beitragsforderungen hat.

Die Altanschließer, alleine in Cottbus sind es rund 9.000 Haushalte, fordern, dass sie von Beiträgen für frühere Investitionen befreit werden. Zehntausende in ganz Brandenburg haben gegen ihre Zahlungsbescheide der Zweckverbände Widerspruch eingelegt, manche auch vor Gericht geklagt. Wer einmal an die Wasserversorgung oder die Abwasserentsorgung angeschlossen ist, argumentieren sie, darf nicht Jahrzehnte später mit Beiträgen dafür belastet werden. Sie fordern, die Finanzierung der Wasser- und Abwassersysteme überall auf ein reines Gebührenmodell umzustellen, bei dem jeder nur nach seinem Verbrauch zur Kasse gebeten wird.

Dieses Modell gibt es seit langem in zahlreichen Zweckverbänden und Stadtwerken, so beispielsweise in größeren Städten wie Potsdam oder Frankfurt (Oder). Aber auch kleinere Kommunen wie Rheinsberg oder Zehdenick haben sich für eine Umstellung auf das Gebührenmodell entschieden. Rheinsberg beispielsweise gab sechs Millionen Euro an Anschlussbeiträgen zurück und finanziert nun alle Investitionen ins Wassernetz nur noch über Gebühren.

Welche Rolle spielen die Kommunen?

Viele Wasser- und Abwasserzweckverbände in Brandenburg sind stark verschuldet, insgesamt mit 150 Millionen Euro. Das liegt auch daran, dass viele Kommunen die Einwohnerentwicklung und das Wirtschaftswachstum nach der Wende weit überschätzt haben – und damit auch den Wasserverbrauch und die Abwassermenge. Die Folge: Sie bauten heute überdimensionierte, teure Kläranlagen und Abwassersysteme. Seit 1991 wurden in Brandenburg 3,2 Milliarden Euro in die Wasserversorgung investiert, die Länge der Abwasserkanäle hat sich in dieser Zeit vervierfacht. Weil die Bevölkerung aber schrumpft, steigen die Unterhaltskosten pro Kopf - die bestehende Infrastruktur können sich künftig immer weniger Kommunen leisten. Die jetzigen Beitragserhebungen aber sollen die Kosten für die erstmalige Herstellung der Anlagen mit abdecken. Die zukünftige Finanzierung dieser Systeme ist ein ungelöstes Problem.

 

Schon heute gibt es große regionale Preisunterschiede beim Trinkwasser: 80 Kubikmeter Trinkwasser pro Jahr, in etwa der Verbrauch eines Zwei-Personen-Haushalts, kosten beispielsweise in der Nordwestuckermark mehr als 270 Euro. In Groß Kreutz an der Havel dagegen nur knapp 120 Euro. In dünner besiedelten Gebieten ist das Wasser teurer, weil die Wege weiter sind und die Anlagen wegen der niedrigeren Auslastung aufwändig instandgehalten werden müssen.

 

Ein weiteres Problem: Die Kommunen müssen alle fünf Jahre ihr Abwasserbeseitigungskonzept aktualisieren - und darin Entwicklungen bei der Bevölkerungszahl, der Wirtschaftslage und der Umweltauflagen berücksichtigen. Sie müssen beweisen, dass sie weiter in der Lage sind, Abwasser kostensparend und wirkungsvoll zu entsorgen. Für viele Kommunen trift das aber nicht zu - die meisten dieser Konzepte, sogenannte Satzungen, waren so löchrig, dass sie von Gerichten wieder einkassiert wurden. Dadurch wurde die Rechtslage völlig unübersichtlich - und der Streit eskalierte.  

Warum verjähren in Brandenburg die Beitragsforderungen nicht?

2004 wurde das Brandenburger Kommunalabgabengesetz (KAG) geändert - demnach entsteht die Beitragspflicht für Eigentümer mit dem Inkrafttreten einer, so wird ausdrücklich betont, rechtlich "wirksamen" Beitragssatzung. Danach beträgt die Verjährungsfrist für Beitragsforderungen vier Jahre. Satzungen der Brandenburger Wasser- und Abwasserzweckverbände werden von den Verwaltungsgerichten seit der Wende aber laufend als fehlerhaft verworfen – sind also rechtlich unwirksam. Der jeweilige Zweckverband muss daraufhin eine neue Beitragssatzung beschließen, damit beginnt die Verjährungsfrist wieder von vorn. Wird die Satzung innerhalb von vier Jahren dann erneut von einem Gericht gekippt, geht wieder alles von vorne los. Genau diese Regelung sieht das Bundesverfassungsgericht kritisch.

Wogegen protestieren die Neuanschließer?

Sie fordern gleiche Zahlungspflicht für alle. Jeder Bürger profitiert von den Investitionen in die Wasserversorgung vor Ort, argumentieren sie, wieso sollen dann nur wir dafür aufkommen? Und: Jeder Eigentümer, dessen Haus oder Grundstück nach der Wiedervereinigung ans Wassernetz angeschlossen wurde, musste seinen Beitrag für den Aufbau und die Instandhaltung des Wassernetzes bereits zu Beginn zahlen.

 

Seit der Änderung des Brandenburger Kommunalabgabengesetzes (KAG) 2004 aber entsteht die Beitragspflicht für Eigentümer ab dem ersten Tag der Satzung eines jeweiligen Wasserzweckverbandes. Die Verjährung von Beiträgen lässt sich beliebig weit nach hinten schieben, falls sich die Satzungen eines Wasserzweckverbandes als rechtlich unwirksam erweist. In vielen Fällen ist genau das passiert – deshalb sollen die Grundstückseigentümer nochmals zahlen und sich an damaligen Investitionskosten beteiligen, teilweise in Höhe von mehreren tausend Euro. Sie fürchten deshalb, dass sie auch künftig mit jeder neuen Abwassersatzung erneut zur Kasse gebeten werden können.

Was machen Eigentümer, die die Beiträge nicht zahlen können?

 

Die Abgabenregelung belastet nicht nur Privathaushalte, sondern besonders Gewerbetreibende wie Handwerker oder Landwirte. Viele kündigten an, Investitionen in ihren Betrieb erst einmal zurückzustellen, weil sie zusätzliche Beiträge für die Wasserversorgung fürchten. Sie können aber bei den Kommunen bzw. Zweckverbänden eine Stundung der Beiträge beantragen. Vereinbart wird dabei eine Ratenzahlung, wobei auf die Beitragssumme dann jährlich sechs Prozent Zinsen gezahlt werden müssen. Viele Betroffene nutzen diese Möglichkeit bereits. Wer gar nicht zahlt und keine Stundungsvereinbarung trifft, muss Säumniszuschläge von zusätzlich zwölf Prozent des Jahresbeitrags zahlen.

Eine weitere Variante: Im Streit um die Belastung von Altanschließern in Lübbenau favorisiert die Stadtverwaltung das Modell, alle fünf Jahre Erneuerungsbeiträge für die Wasserversorgung zu kassieren - so sollen sich die Betroffenen besser auf die Zahlungen einstellen können als bei den bisherigen, viel höheren Einzelforderungen.

Müssen auch Mieter an den Kosten beteiligt werden?

Die Vermieter können Beitragsforderungen nicht auf die Mieter umlegen. Eine Ausnahme davon gibt es nur bei Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus. Aber die Mieter beteiligen sich seit langem an den Kosten für die Finanzierung der Wasser- und Abwassersysteme, indem sie Gebühren für jeden Kubikmeter Wasser und Abwasser zahlen. So ist es auch bei den Grundstückseigentümern, die ihre Häuser selber bewohnen. Sie aber sollen in einer Reihe von Kommunen und Zweckverbandsgebieten zusätzlich noch die Anschlussbeiträge zahlen.

Wahrscheinlich aber wird auch eine große Zahl von Mietern Belastungen aus den Altanschließerbeiträgen entgegensehen müssen. Denn brandenburgische Wohnungsunternehmen, die auch solche Beiträge zahlen sollen, haben angekündigt, nun jeden Spielraum für eine Mieterhöhung zu nutzen. Außerdem fehle durch die Belastungen Geld für geplante Modernisierungen.

Allerdings haben viele Mieter Angst, dass es bei einem Verzicht auf die Anschlussbeiträge zu wesentlich teureren Gebühren kommen könnte. In bisherigen Fällen, wie in der Gemeinde Zehdenick, stiegen die Gebühren bisher aber nur moderat: Um 47 Cent pro Kubikmeter Abwasser.

Trinkwasserpreise in Brandenburg: Enorme regionale Unterschiede (Karte)

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