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Audio: Inforadio | 03.04.2021 | Interview mit Lars Bekesi | Quelle: dpa/Dorothée Barth

Interview | Kita-Träger zum Notbetrieb

"Grausam für Kinderseelen und herzzerreißend für Eltern"

Ab nächster Woche müssen viele Berliner Eltern umdisponieren: Die Kitas sind wieder im Notbetrieb, die Betreuung der Kinder hängt wieder von der sogenannten Systemrelevanz ab. Lars Bekesi vom Verband der Kleinen und Mittleren Kita-Träger hält das für den falschen Weg.

rbb: Herr Bekesi, wie finden Sie, dass jetzt erneut geschlossen wird?

Lars Bekesi: Um es auf den Punkt zu bringen: Wir sehen das sehr kritisch und sind sehr erbost, weil wir denken, dass Wegsperren der Kinder die einzige Lösung ist, die der Senat kennt. Das ist ein bisschen wenig, weil jetzt sind wieder die Eltern im Home-Office und aus Kindersicht ist ja die Botschaft: Arbeiten ist wichtiger. Die Kinder bekommen das Gefühl: Meine Eltern haben keine Zeit für mich. Das ist einfach nur grausam für die Kinderseelen und das zerreißt auch die Herzen der Eltern.

Jetzt haben wir wieder diesen Notbetrieb und der hat direkt eine Krankheit: Es gibt keine Obergrenze, die vordefiniert ist. Jetzt ist also wieder alles auf Anfang, wir haben wieder die gleichen Probleme an der Kita-Tür. Weil unsere Fachkräfte jetzt wieder mit den Eltern diskutieren müssen, ob sie auf dieser elendlangen Liste stehen oder nicht. Ob sie einen pädagogisch zwingenden Bedarf haben oder sie einfach nur erschöpft sind. All das müssen wir mit unseren Fachkräften wieder abfangen. Das finde ich traurig.

Zur Person

Lars Bekesi ist Geschäftsführer des Verbandes der Kleinen und Mittleren Kita-Träger in Berlin (VKMK). Nach eigenen Angaben betreiben die Mitglieder des Verbandes an 186 Standorten in Berlin rund 9.200 Kitaplätze.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat aber auch gefordert, erneut zu schließen. Denken die denn nicht an das Kindeswohl?

Die denken natürlich daran, um Gottes Willen. Aber dort liegt ja der Hauptfokus auf ihren Fachkräften, also den Erzieherinnen und Erziehern. Und da muss man den Senat auch in Schutz nehmen. Es wurde erreicht, dass es ein vorgezogenes Impfangebot für Erzieherinnen gibt. Es gibt Schutzmaßnahmen wie etwa die umfangreichen Schnelltests für die Kita-Teams, die der Senat und auch wir als Träger zur Verfügung stellen. Und eben auch die Hygienemaßnahmen, die seit einem Jahr erprobt sind. Es gibt also einen riesengroßen Blumenstrauß an Schutzmöglichkeiten. Und da sollten wir doch einsehen: Ja, wir haben schon den größtmöglichen Schutz für die Erzieherinnen und Erzieher. Woanders gibt es diesen Schutz noch nicht.

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Lassen Sie uns mal auf die Corona-Impfungen schauen. Das Kita-Personal sollte ja auch mit Astrazeneca geimpft werden. Aber jetzt sollen die Unter-60-Jährigen das laut Gesundheitsverwaltung nicht mehr tun. Wie soll das da jetzt weitergehen?

Das ist unglücklich gelaufen, da würde ich dem Senat nicht die Verantwortung zuschieben. Es läuft weiterhin gut, es wird weiter geimpft. Die Erzieherinnen und Erzieher haben auch Impftermine für die anderen Impfstoffe. Ja, wir stellen fest, das manche ein bisschen länger warten müssen. Aber sie bekommen alle ein Impf-Angebot. Jeder, der sich impfen lassen will, bekommt dieses Angebot. Und sie nutzen es auch, das sehen wir bei unseren Mitgliedern, da machen wir regelmäßige Abfragen. So wird auch das Ziel, die frühkindliche Bildung so lange wie möglich aufrecht zu erhalten, durch das Impfen unterstützt.

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Können Sie denn sagen, wie hoch der Impfschutz bislang schon ist?

Zum Impfschutz kann ich das nicht direkt. Zum Impf-Angebot grob kann ich das sagen, aber das ist auch nur bedingt valide belastbar. Also wir sind im Moment bei rund 50 Prozent, die das Angebot schon in Anspruch genommen haben. Aber das steigt nach und nach. Wir gehen davon aus, dass Erzieher und Erzieherinnen, pädagogische Fachkräfte, also das gesamte Kita-Team, genau wie der normale Bevölkerungsdurchschnitt zu sehen ist. Es wird sich ein Großteil impfen lassen, aber wir werden nicht die 100 Prozent erreichen, da müssen wir ehrlich sein.

Sie haben auch die Probleme bei der Definition der systemrelevanten Berufe erwähnt. Zuletzt war die Liste dafür 28 Seiten lang. Wie ist es dieses Mal?

Wir sind jetzt bei 31 Seiten angelangt [berlin.de]. Was uns die Träger da oft sagen: Der Senat glaube offenbar, dass wir eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Verwaltungsaufgaben brauchen. Nein, brauchen wir nicht. Wir haben ganz viel selber zu tun. In dieser Liste kommt an keiner Stelle das Kindeswohl vor. Und wir kennen ja am besten die Kinder und die Eltern und wissen, ob ein Anspruch besteht oder nicht. Und ich sage Ihnen: Was soll das für eine Generation werden - die Kinder haben echte Probleme, vor allem die Jüngsten. Die haben Herausforderungen, die sie womöglich langfristig als Paket tragen müssen. Und deshalb müssen wir unter allen verantwortbaren Möglichkeiten einen Rahmen schaffen, dass die Kinder in der Kita bleiben. Die 31-Seiten-Liste halte ich da nicht für den richtigen Weg.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Das Interview führte Anne-Katrin Mellmann, Inforadio. Es handelt sich um eine redigierte Fassung.

Sendung: Inforadio, 03.04.2021, 9:40 Uhr

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