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Quelle: dpa/Jens Kalaene

Kommentar | Corona-Krise

Demokratie ist, wenn Nicht-Geimpfte einen Schnelltest und die anderen ihren Impfpass vorzeigen

Gegen Corona Geimpfte werden in Berlin künftig so behandelt wie Menschen mit einem negativen Testergebnis: Sie dürfen zum Friseur, ins Museum oder shoppen, ganz ohne Test. Es ist der einzige demokratische Weg, kommentiert Birgit Raddatz.

Vergangene Woche veröffentlichte rbb|24 an dieser Stelle einen Kommentar. Wenn Geimpfte ohne Negativ-Test am öffentlichen, immer noch sehr stark eingeschränkten, öffentlichen Leben teilnehmen dürften, dann verabschiede man sich vom Prinzip der Solidarität, hieß es da. Nun kommt genau das in Berlin: Ab dem Wochenende dürfen Berlinerinnen und Berliner mit umfänglichem Impfschutz wieder gewisse Grundrechte (nein, es sind keine Privilegien!) wieder wahrnehmen. Und zwar die Grundrechte, die für alle anderen mit einem negativen Schnelltestergebnis ebenso möglich sind - und bald sowieso für alle wieder eingeschränkt werden, weil die Corona-Zahlen weiter hoch sind und der Bund nervös ist.

Demokratische Parteien wollen Grundrechte für Geimpfte

Im Klartext heißt das: Maximal sieben Prozent der Berlinerinnen und Berliner könnte das betreffen, so viele haben nach aktuellem Stand die zweite Dosis eines in der EU zugelassenen Impfstoffs erhalten.

Es gehe hier nicht um Emotionen, sondern um die Demokratie, sagte die Berliner Grünen-Co-Fraktionsvorsitzende Antje Kapek in dieser Woche. Unisono äußerten sich Vertreterinnen und Vertreter von Linken, SPD, CDU und FDP. Nur die AfD lehnte in einer Befragung der Deutschen Presse-Agentur ab, dass geimpfte Menschen "Sonderrechte" bekommen. Allerdings will die AfD den Lockdown sowieso ganz beenden, weil aus ihrer Sicht das alles nicht mehr im Verhältnis steht. Damit zeigt sich die AfD aber mitnichten solidarisch, sondern entlarvt sich einmal mehr als antipluralistische und antidemokratische Partei.

Kommentar | Umgang mit Geimpften 

Freiheiten für Geimpfte sind der Abschied vom Prinzip der Solidarität 

Für Geimpfte und Nicht-Geimpfte gelten weiterhin gleiche Regeln

Denn in einer Demokratie gilt der Schutz der Grundrechte. Diese wurden durch die Pandemie in den westlichen Staaten in einer bisher noch nie dagewesenen Weise beschränkt. Wir haben uns offenbar so sehr an die schlechte Lage gewöhnt, dass wir daran erinnert werden müssen, dass es nun genau darum geht: Demokratie ist, wenn Nicht-Geimpfte einen Schnelltest und die anderen ihren Impfpass vorzeigen.

Es geht dabei mitnichten nur um den öffentlichen Raum. So durften trotz Impfungen ältere Menschen in Seniorenheimen nicht zusammen essen. Es fällt schwer zu glauben, dass ihnen das andere Menschen wirklich verwehren wollen und dabei das Argument der Solidarität ins Feld führen.

Es ist auch mittlerweile unstrittig, dass auch Geimpfte sich nochmals mit dem Virus infizieren und es sogar weitergeben können. Aber deshalb gelten für sie ja auch die gleichen Pflichten: Auch sie müssen einen Mund-Nasen-Schutz überall da tragen, wo der Abstand nicht eingehalten werden kann, also auch beim Friseur. Auch sie werden nicht ab sofort wieder berauschende Partys feiern können, denn die Clubs sind weiterhin zu - für alle!

Impfnationalismus ist weder gerecht noch demokratisch

Wer anführt, dass die Schnelltests unangenehm sind, hat Recht. Niemand lässt sich gerne ein Stäbchen bis tief in die vordere Schädeldecke schieben, nur um mit dem Negativ-Ergebnis shoppen gehen zu können. Aber niemand nimmt auch freiwillig Impfreaktionen in Kauf, wenn nicht gerade Pandemie und die Impfung dringend notwendig ist. Die Geimpften sind sich ihres Glücks, schon an der Reihe gewesen zu sein, meist sehr bewusst. Sie wären aber auch die ersten gewesen, die an dem Virus mitunter schnell gestorben wären oder bleibende Schäden davongetragen hätten. Und mit Sicherheit ist auch bald der Rest der Menschheit geimpft.

Ach nein, Moment. Es werden nämlich in diesem Jahr maximal nur die Menschen ein Impfangebot bekommen, die in Staaten leben, die es wiederum fertiggebracht haben, genug Impfdosen für ihre Bevölkerung einzukaufen. Darunter fallen Staaten der EU, also auch Deutschland. Viele Staaten im sogenannten globalen Süden konnten das nicht, weil ihnen das Geld und die Lobby fehlen. Impfnationalismus nennt sich das. Und das ist weder gerecht noch demokratisch.

Die Kommentarfunktion wurde am 14.4.2021 um 15:25 Uhr geschlossen

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Sendung: Inforadio, 14.04.2021, 5:50 Uhr

Beitrag von Birgit Raddatz

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