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Corona-Pandemie

Stiko empfiehlt Impfung nur für Kinder mit Vorerkrankungen

Die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut hat keine generelle Corona-Impf-Empfehlung für Jugendliche ausgegeben. Doch Jugendliche mit Vorerkrankungen sollten sich impfen lassen, urteilen die Experten.

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt den Covid-19-Impfstoff von Biontech und Pfizer nur für Kinder und Jugendliche mit Vorerkrankungen.

Der Einsatz bei 12- bis 17-Jährigen ohne Vorerkrankungen werde derzeit nicht allgemein empfohlen, sei aber nach ärztlicher Aufklärung und bei individuellem Wunsch und Risikoakzeptanz möglich, teilt die beim Robert Koch-Institut angesiedelte Stiko am Donnerstag mit. Bereits begonnene Impfungen von 16- bis 17-Jährigen sollten aber abgeschlossen werden.

"Das finden wir gut, weil die Kinder und Jugendlichen in dieser Altersgruppe eigentlich gar nicht schwer erkranken. Zum Glück sind es wirklich Raritäten, dass das Coronavirus in diesem Alter eine schwere Erkrankung auslöst", sagte Jakob Maske, Sprecher des Berufsverbandes der Berliner Kinder- und Jugendärzte der rbb-Praxis.

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Die Stiko empfiehlt jedoch eine Impfung bei Jugendlichen mit Vorerkrankungen. Dazu zählen: starkes Übergewicht, Immunschwächekrankheiten, Diabetes, Trisomie 21, Tumorleiden sowie Herz-, Lungen- und Nierenerkrankungen.

Risiko größer als Nutzen

Auch eine Impfung von Kindern und Jugendlichen, in deren Umfeld sich Angehörige oder Kontaktpersonen befinden, die eine hohe Gefährdung für einen schweren Covid-19-Verlauf haben, aber selbst nicht geimpft werden können, wird empfohlen. Die beiden Impfungen sollen, wie auch bei Erwachsenen, im Abstand von drei bis sechs Wochen gegeben werden.

Die Stiko sieht von einer generellen Impfempfehlung ab, da bisher in Zulassungsstudien eine verhältnismäßig geringe Anzahl an Probanden geimpft worden sei. Demgegenüber stehen die bei Kindern üblicheren milden Verläufe einer Corona-Infektion. Mit anderen Worten: Der Nutzen der Impfung wiegt möglicherweise ihr Risiko nicht auf.

"Die Risiken von Nebenwirkungen sind noch nicht gut bekannt", sagte auch Jakob Maske vom Berufsverband der Berliner Kinder- und Jugendärzte. "Wahrscheinlich sind sie nicht sehr hoch, das zeigen die ersten Daten, die wir aus Amerika, Kanada, Israel haben. Aber die Daten reichen eben noch nicht aus, um darüber eine sichere Auskunft zu geben."

Rund 80 Kinder und Jugendliche wurden in der Pandemie bislang auf Intensivstationen in Deutschland behandelt, davon hatten knapp zwei Drittel Vorerkrankungen. Zum Vergleich: Für Erwachsene mit Covid-19 wurden bislang mehr als 112.000 abgeschlossene Intensiv-Behandlungen erfasst.

Kinder haben geringe Bedeutung für Herdenimmunität

Die Entscheidung war so bereits erwartet worden. Die Stiko hatte schon nach der Freigabe des Impfstoffs für 12- bis 15-Jährige in der EU erklärt, sie empfehle allenfalls bei Vorerkrankungen in dieser Altersgruppe die Impfung. Bei der Bewertung sei es neben der Frage nach dem Nutzen für die Kinder selbst auch um die weitere Pandemiebekämpfung gegangen. So sei die Bedeutung der Kinder für eine Herdenimmunität nicht so groß, wie das in den öffentlichen Äußerungen suggeriert worden sei, hatte es geheißen.

Die Europäische Arzneimittelbehörde (Ema) und die EU-Kommission hatten Ende Mai mit dem Präparat von Biontech und Pfizer dem ersten Covid-19-Impfstoff auch für 12- bis 15-Jährigen grünes Licht gegeben. Die Bundesregierung sagte zu, dass sich damit auch Jüngere nach Aufhebung der Priorisierung um einen Impftermin bemühen können.

Dass die Stiko ihre Impfempfehlung nun einschränkt, mag verwirrend klingen, liegt aber an den unterschiedlichen Zuständigkeitsbereichen der Ema und der Stiko. Die Ema ist für die Zuslassung auf dem europäischen Markt zuständig, die Stiko hingegen empfiehlt, wie der Impfstoff zum besten Nutzen der Bevölkerung in Deutschland verteilt werden kann.

Impfung auch für gesunde Kinder sinnvoll

Eine Erweiterung der Zulassung für Jugendliche strebt auch der US-Biotechkonzern Moderna an. Er hatte diese zu Wochenbeginn bei der Ema beantragt. Die EU-Behörde will ihre Entscheidung darüber im Juli bekanntgeben.

Denn auch für gesunde Kinder kann eine Impfung gegen das Corona-Virus sinnvoll sein. "Aus Elternperspektive wäre mein Kind geimpft. Klarer Fall. Dieses Risiko möchte ich nicht", sagte der Charité-Virologe Christian Drosten kürzlich dem Schweizer Online-Magazin "Republik". Er argumentiert mit Langzeitfolgen wie Geruchs- und Geschmacksverlust und Müdigkeit bei einem kleinen Teil der Betroffenen und dem Risiko des sogenannten Pädiatrischen Multisystem-Inflammationssyndroms. Dies ist eine schwere Erkrankung Wochen nach der Infektion, die bisher aber als selten und gut behandelbar gilt.

Von Langzeitfolgen (Long Covid/Post Covid) betroffen sind nach Schilderungen von Ärzten eher Jugendliche als kleine Kinder. Solche länger anhaltenden Einschränkungen kennen Mediziner auch von anderen Virusinfektionen wie dem Pfeifferschem Drüsenfieber.

Sendung: Inforadio, 10.06.2021, 16:40 Uhr

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