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Quelle: dpa/Jörg Carstensen

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Vergabekammer erklärt Auftrag für landeseigene Teststellen in Berlin für unwirksam

Die Corona-Teststellen des Senats in Berlin werden seit Monaten von ein und derselben Firma betrieben. Der millionenschwere Deal wurde mehrfach kritisiert, trotzdem behielt die Firma den lukrativen Auftrag. Nun hat die Vergabekammer ein Machtwort gesprochen. Von Sebastian Schöbel

Am Betrieb der landeseigenen Berliner Corona-Teststellen gibt es erhebliche Zweifel. Nach rbb-Informationen hat die Vergabekammer Einspruch gegen die Auftragsvergabe an ein Münchner Unternehmen erhoben.

Betrieben werden die zwölf Corona-Teststellen durch die Firma 21DX. Die hatte den millionenschweren Auftrag im Frühjahr 2021 bekommen, allerdings gab es schon damals erhebliche Kritik am Verfahren.

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21DX hatte Vorteil gegenüber der Konkurrenz

Wie der rbb berichtet hatte, war die Firma direkt involviert bei der Erstellung von Dokumenten des Auftrags, genoss also einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Zuletzt hatte der "Tagesspiegel"-Newsletter Checkpoint über interne Dokumente berichtet, die eine große Nähe zwischen der zuständigen Abteilung bei der Gesundheitsverwaltung und 21DX vermuten lassen.

Direkt nach der Vergabe des Auftrags legte ein Unternehmen, das im Bieterverfahren unterlegen war, Widerspruch ein. Die Vergabekammer untersagte schließlich im Mai 2021 der damaligen Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD), den Auftrag wie geplant zu vergeben. Doch 21DX kam trotzdem zum Zuge, in Form von kurzfristigen Interimsverträgen. Die Prüfung der Beschwerden zieht sich derweil bis heute hin. Die Vergabekammer hat durch "monatelange Vakanzen in der 1. Beschlussabteilung nach Ausscheiden ihrer bisherigen Mitglieder" Personalengpässe und schiebt eine erhebliche Zahl von Anträgen vor sich her. Das geht aus Schreiben der Kammer hervor, die der rbb einsehen konnte. Die Frist für eine Entscheidung wurde mehrfach verschoben.

Fortführung des Auftrags seit 1. Januar untersagt

Der Interimsvertrag mit 21DX wurde zuletzt Ende November erneut verlängert, kurz vor dem Regierungswechsel. Auch gegen diese Entscheidung hatte es Beschwerden eines weiteren Testanbieters gegeben – und die Vergabekammer hat erneut Einspruch erhoben, das zeigen Dokumente, die dem rbb vorliegen. Demnach hat die die Kontrollbehörde die Auftragsvergabe für "unwirksam" erklärt und der Gesundheitsverwaltung die Fortführung des Auftrags ab 1. Januar 2022 "untersagt".

Dennoch betreibt weiterhin 21DX die landeseigenen Teststellen, denn die juristische Auseinandersetzung darüber läuft noch. Kommende Woche wird eine Gerichtsentscheidung in der Sache erwartet.

Zwickmühle für grüne Gesundheitssenatorin Gote

Eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Gesundheit sagte dem rbb, die Vergabe für den Betrieb der durch den vorherigen Senat beauftragten Corona-Testzentren werde derzeit in der Gesundheitsverwaltung geprüft. "Transparenz ist uns wichtig. Unabhängig davon muss wegen der Omikronwelle das Testen für die Berlinerinnen und Berliner bis auf weiteres gewährleistet werden", hieß es. "Deshalb haben wir gegen die Entscheidung der Vergabekammer Rechtsmittel eingelegt. Wir warten die Entscheidung des Gerichts ab."

Für Berlins neue Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) ist der Vorgang ein recht unerfreuliches Erbe ihrer SPD-Vorgängerin. Gote hatte bereits am Dienstag nach der Senatssitzung angekündigt, dass die Auftragsvergabe an 21DX intern aufgearbeitet werde. Das Ergebnis könnte allerdings unangenehme Details über die Amtsführung von Dilek Kalayci zu Tage fördern und zum Streit mit dem Koalitionspartner SPD führen.

Derweil wächst angesichts langer Wartezeiten in den von 21DX betriebene Teststellen die Kritik. Christian Zander von der CDU forderte am Donnerstag im Parlament eine "dezentrale Lösung für kostenlose PCR-Tests in allen Berliner Ortsteilen". Das klappe nur, wenn man weitere private Testanbieter einbeziehe. Der FDP-Abgeordnete Florian Kluckert warf dem Senat vor, die Laborkapazitäten anderer Anbieter ungenutzt zu lassen und nur auf die landeseigenen Teststellen zu setzen.

Gote kündigte an, die Öffnungszeiten der zwölf landeseigenen Teststellen zu verlängern und mehr Personal zur Verfügung zu stellen. "Wir prüfen auch die Beauftragung der gewerblichen Teststrukturen. Aber eins ist auch klar: Es wird am Ende nicht reichen."

Sendung: Inforadio, 13.01.2022, 14.00 Uhr

Beitrag von Sebastian Schöbel

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