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Quelle: dpa

Wahlprogramm beschlossen

So wollen die Grünen "Berlin-Partei" werden

Die Grünen wollen den "alten" Volksparteien den Rang ablaufen und das Rote Rathaus erobern. Die Umfragen geben das her. Und die Partei mit ihrer Frontfrau Bettina Jarasch gibt sich alle Mühe, dass aus Anspruch Wirklichkeit wird. Von Jan Menzel

Dieses Mal soll es klappen. Dieses Mal wollen sie nicht wieder kurz vor der Rathaustür ausgebootet werden. Dieses Mal soll das Rote Rathaus wirklich grün werden. Vor zehn Jahren sah es für Renate Künast schon einmal ganz gut aus. Nach einer verpatzten Kampagne hieß der Wahlsieger am Ende aber doch wieder Klaus Wowereit. Nun nimmt die Grüne Bettina Jarasch Anlauf, aber unter anderen Vorzeichen.

Seit Monaten liegen die Grünen in den Umfragen konstant vorne. Auf 23 Prozent kommt die Partei im jüngsten Berlin-Trend von rbb-Abendschau und Berliner Morgenpost. Damit liegen die Grünen knapp vor der CDU und deutlich vor der SPD. Mit diesen Zahlen im Rücken hat Jarasch auf dem Parteitag an diesem Wochenende selbstbewusst erklärt: "Wir Bündnisgrünen sind die neue Berlin-Partei!"

Raus aus der Nische

Dieser Anspruch "Eine für alle" passt ziemlich gut zum Bild, das Bettina Jarasch von sich zu zeichnen versucht. Die 52-Jährige ist keine, die am Rednerpult ein Feuerwerk zündet. Populismus und Polemik sind ihr fremd. Ihre Stärke liegt im direkten Gespräch und in ihrer verbindlichen Art. Jarasch hat sich bei ihrer Ausrufung zur Spitzenkandidatin als Brückenbauerin vorgestellt. Wohin diese Brücken führen sollen, ist beim digitalen Parteitag zu besichtigen: Per Video-Grußbotschaft sind die IG-Metall-Bezirksleiterin und die Präsidentin der Industrie- und Handelskammer zugeschaltet. Beide stehen für Organisationen und gesellschaftliche Gruppen, die nicht automatisch dem grünen Milieu zuzurechnen sind.

Die Grünen sagen damit ganz bewusst der Nische Ade. Gleichzeitig bleiben sich Jarasch und ihre Partei aber treu. Während die SPD weiter zum Mantra "Bauen, bauen, bauen" neigt, schallt von den Grünen der Dreiklang "Klima, Klima, Klima" zurück. "Es geht darum, unseren Planeten zu retten und gleichzeitig Berlin lebenswerter, sozialer, schöner, weltoffener und gerechter zu machen", beschreibt Grünen-Landeschef Werner Graf die umfassende Mission seiner Partei.

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Priorität auf Klimaschutz

Ob das im zweiten Jahr der Pandemie den Nerv der Wählerinnen und Wähler trifft, ist keinesfalls ausgemacht. Schon vor Corona war in den Umfragen für viele Befragte die Klimakrise nur eines von mehreren drängenden Problemen. Ältere nehmen den Klimawandel vielfach weniger bedrohlich wahr als Jüngere. Nach einem Jahr im Corona-Modus und der Aussicht auf eine dritte, heftigere Welle dürften sich die Gewichte bei vielen Menschen noch einmal verschieben.

Zumal der Teufel auch in diesem Wahlprogramm und Wahlkampf im Detail steckt, etwa wenn es um das Auto als liebstes Kind der Deutschen geht. So war der Parteinachwuchs, die Grüne Jugend, mit einer radikalen Forderung zum Parteitag angetreten: Berlin solle bis 2030 gänzlich autofrei werden. Alle Verbrenner wollte die Grüne Jugend sogar schon 2025 aus der Innenstadt verbannt sehen. Leicht entgeistert hielt Fraktionschefin Antje Kapek dagegen: "Jetzt mal ganz ehrlich: Berlin umbauen in nur vier Jahren? Nicht nur ich glaube, dass das nicht klappt!" Im Wahlprogramm bleibt es nun bei der "Zero Emission Zone" im Jahre 2030 und damit zumindest bei freier Fahrt für Elektroautos.

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Enteignung als "letztes Mittel"

Mit ähnlich viel Pragmatismus und der Erfahrung aus inzwischen mehr als vier Jahren Regierungsbeteiligung umschifften die Spitzenkandidatin und ihre Crew auch eine andere Klippe. Die Enteignung von Immobilienkonzernen halten sich die Grünen als "letztes Mittel" ihrer gemeinwohlorientierten Wohnungspolitik ausdrücklich offen. Anders als die Initiatoren des Volksentscheids "Deutsche Wohnen & Co enteignen" wollen sie aber für den Fall der Fälle keine starre Grenze ziehen und die Vergesellschaftung pauschal für alle Vermieter mit mehr als 3.000 Wohnung in Erwägung ziehen. Vielmehr müsse es "qualitative Kriterien" geben. Vermieter sollen danach beurteilt werden, wie sozial sie am Markt agieren.

Von einer Stadt, in der "Babys und Beats, Bienen und Bauen ihren Platz haben" hat die Co-Landesvorsitzende Nina Stahr in ihrer Rede gesprochen, also einer Stadt für alle. Das passt nur zu gut zu einer grünen Partei für alle. Die hat sich an diesem Wochenende auffällig geschlossen hinter ihrer Spitzenkandidatin Bettina Jarasch versammelt und ihr grünes Licht für das Projekt einer neuen Berlin-Partei gegeben.

Sendung: Inforadio, 21.03.2021

Beitrag von Jan Menzel

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